15. Mai 2010

GoGreen – Don’t Deal!



Der Green New Deal ist in aller (grüner) Munde. Wo auch immer mensch hin sieht innerhalb der Partei Bündnis 90 / Die Grünen, in welche Gremiensitzung, Diskussionsplenum oder inhaltliche Veranstaltung – kaum ein Treffen im Rahmen der grünen Partei läuft noch ohne zumindest einen Hinweis auf den Green New Deal ab. Er scheint zur Zauberformel geworden zu sein, für alle „globalen Lösungen” und „ganzheitlichen Ansätze”. Er soll alle Krisen gleichzeitig lösen, die Wirtschaftskrise, die Klimakrise und die Armuts- und Hungerkrise.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen stellt sich dem Green New Deal (GND) kritisch gegenüber. Für uns ist der Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie durch den Green New Deal nicht aufgehoben, sondern nur durch einen euphorischen Diskurs des „everything goes“ zugeschüttet! Das Konzept des Green New Deal setzt wichtige Ansatzpunkte in der Wirtschaftspolitik. Es verhindert aber durch ein falsches Versprechen – nämlich innerhalb der jetzigen Wirtschaftszyklen den Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie aufheben zu können – dass gerade in der Phase, in der die krisenhafte Realität alle theoretischen Debatten eingeholt hat die entscheidende Frage zur Art unserer Produktionsweise gestellt wird: die Frage nach der Möglichkeit endlosen Wachstums!

Keynes – dann aber richtig!

Der GND legt ein keynesianisches Witschaftsmodel zu Grunde, in dem der Staat die, in der Krise zum erliegen gekommenen, Finanzkreisläufe durch Investitionen wiederbelebt und so die wirtschaftlichen Zyklen neu anstößt. Der GND fordert dabei, durch Investitionen in „nachhaltige Wirtschaftsbereiche“ die Wirtschaft auf ein neues Fundament zu stellen. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen begrüßt, dass die Grüne Partei in ihren wirtschaftlichen Annahmen damit Abstand von neo-liberalen Witschaftsmodellen selbst regulierter, freier Märkte nimmt. Allerdings macht sie in ihrem GND den Fehler, trotzdem weiterhin auf wachsende Märkte, Beschäftigungssicherung und Anreize gegenüber privatwirtschaftlichen Konkurrenzunternehmen zu setzen.

Es ist zwar richtig, jetzt bzw. während der Krise damit anzufangen nicht genutzte industrielle Kapazitäten dazu zu gebrauchen die Infrastruktur ökologisch und substantiell um zu bauen: erneuerbare Energien, klimaneutrale Mobilität und ressourcenschonende Produktionsverfahren sind die Fundamente, auf die wir in Zukunft unsere Wirtschaft bauen müssen. Es ist aber ein Fehler, dieses Fundament durch einen ökonomischen Wachstumsbereich fördern und aufbauen zu wollen und damit wieder nur neue Konjunkturblasen auf zu pusten! Auch die sogenannten nachhaltigen Brachen funktionieren unter dem Wachstumsimperativ nicht anders als die klassischen: erneuerbare Energien und Mobilität sind ab einer gewissen Wachstumsschwelle auf den Anbau von Monokulturen angewiesen um noch größer werden zu können, auch der Bau von Windrädern sichert nicht dauerhaft Beschäftigung, wenn der Markt gesättigt ist. Jedes innovationsabhängige Wirtschaftssystem hat einen fundamentalen Fehler eingebaut: es ist auf ständiges Wachstum angewiesen.

Das aber kann es nicht geben! Wer ein keynesianisches Wirtschaftsmodell vertritt, hätte Keynes auch zu Ende lesen müssen: auch das Neubeleben von konjunkturellen Zyklen kommt irgendwann an einen logischen Grenzwert, ab dem die Wirtschaft keine Substanz mehr zum Wachsen bietet. Das Versprechen von „Jobs, Jobs, Jobs“ ist dann nicht mehr einzuhalten, auch Keynes rechnete mit einer dauerhaften und nicht zu behebenden Arbeitslosigkeit. Es gibt am Ende der Wirtschaftszyklen keine sinnvolle Beschäftigung für jede_N! Das Versprechen, wir könnten so weiter machen wie bisher, nur in grün geht nicht auf!

System failed – do not continue!

Auch der Green New Deal reagiert auf die Krise so, wie es gemeinhin im Angesicht von Krisen getan wird: panisch! Auch der GND sucht den schnellen Weg aus der Krise und die einfachste Antwort auf die Frage, wie die Krise zu bewältigen wäre: zurück zum Normalzustand, Reset, alles auf Null.

Wir wollen aber nicht zurück in den Zustand vor der Krise, denn diese Wirtschaft, wie sie vorher war, hat uns doch gerade in die Krise – und nicht nur in diese eine – geführt! Ein von den Bedürfnissen der Menschheit und von der Subsistenz des Planeten völlig abgehobenes System war die Voraussetzung für eine erst abstrakte Finanz-, dann eine realwirtschaftliche Krise; und auch schon für eine Armuts- und Hungerkrise; und auch nicht zu Letzt die Ursache für einen drohenden ökologischen Kollaps! Ständiges Wachstum kann nur auf Ausbeutung beruhen: entweder der natürlichen Ressourcen oder einer sozialen Gruppe oder einer geographischen Region. Wer diesen Imperativ nicht in Frage stellt, schafft kein neues Fundament für die Wirtschaft! Der Green New Deal muss nach unserer Überzeugung die Systemfrage stellen. Solange er das nicht tut und nur systemimmanent versucht „ökologische“ Lobbygruppen zu bevorzugen betreibt er tatsächlich nichts anderes als Greenwashing des Kapitalismus! Es kommt also nicht nur darauf an, die Infrastruktur der Industrie um zu bauen sondern vor allem das Funktionsprinzip der Wirtschaftskreisläufe. Eine Wirtschaft die auf Wachstum beruht und angewiesen ist wird zwangsläufig immer wieder in die Krise führen – egal wie „nachhaltig“ die Branchen sind, auf denen sie aufbaut. Ein ökologischer Umbau der Wirtschaft hat deswegen ein anderes Zauberstück zu vollbringen als das, das im Green New Deal angepriesen wird: nicht die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie muss das Ziel sein, sondern ein kontinuierlicher Wandel in den Wirtschaftsbeziehungen, im Handel und in der Produktion, hin zu einem nicht mehr angebotsorientierten, wachstumsabhängigen, sondern bedürfnisorientierten und ökologisch begrenzten System. Während die industrielle Infrastruktur umgebaut wird muss das Kunststück vollbracht werden, nicht einen Wachstumsschub dadurch zu generieren, sondern die Wirtschaft von ihrer Wachstumsabhängigkeit zu befreien.

Bio Baby? Öko Alter!

Mit das größte Problem des GND liegt jedoch in seiner Botschaft. Alle Lebensbereiche – Arbeiten, Konsumieren, Freizeit – müssten nicht mehr grundsätzlich kritisch betrachtet werden, wenn sie nur ein bisschen grüner werden würden. Damit ergeht sich die grüne Partei in Öko-Wohlfühl-Diskurse mit denen sie der Bevölkerung ein gutes Gewissen verkauft: Bio-Siegel, Green-IT und am Ende eben auch ein Grüner Gesellschaftsvertrag sollen alle gut schlafen lassen. Ökologie ist plötzlich freundlich geworden, weil sie niemanden mehr den Lebensstil weg nimmt, sondern alle weiterleben können wir bisher; wenn sie nur die Grünen wählen und Bio kaufen.

Das grüne Image kommt sympathisch daher, weil es niemandem mehr bedrohlich gegenüber tritt und ein gutes Gewissen gleich mit liefert – ein gutes Gewissen gegenüber den moralischen Dissonanzen, die die Grünen selbst ein Mal in unserer Gesellschaft provoziert haben. Die Grünen waren es, die seit den 80er Jahren die ökologische Frage auf die Tagesordnung der öffentlichen Agenda gesetzt haben – zu Recht! Denn spätestens die jetzigen Krisen zeigen doch, dass der prognostizierte Konflikt zwischen ständig wachsendem Wohlstand und unseren natürliche Lebensgrundlagen ein realer Konflikt ist. Genau in dieser Situation, in der sie Recht behalten haben, passen sich die Grünen jedoch dem Prinzip der wirtschaftsförderlichen Politik an, statt den Vorrang der natürlichen Lebensgrundlagen vor Arbeit, Wachstum und Wohlstand zu betonen.

Diesen Rückzug machen wir nicht mit! Wir wollen zurück zur Ausgangsfrage der sozial-ökologischen Bewegung, wir wollen kritisch die eigenen Lebensverhältnisse in unserer Gesellschaft hinterfragen und nicht mit einem grünen Button aus Kruppstahl herumlaufen.

Wir fordern deshalb von Bündnis 90 / Die Grünen:

  • die Entwicklung eines Konzeptes, dass wieder die ökologischen und sozialen Aspekte über die Ökonomie stellt
  • sich kritisch mit dem jetzigen Wirtschaftssystem auseinander zu setzen – kein Greenwashing der Wirtschaftsdiskurse mehr zu betreiben und ehrlich die Fakten zu benennen
  • nicht „Jobs, Jobs, Jobs“ um ihrer selbst willen zu fordern, sondern nur wirklich gesellschaftlich sinnvolle und ökologisch nachhaltige Beschäftigung zu fördern
  • wieder die Forderung nach einer Ökosteuer erheben
  • die Streichung aller umweltschädlicher Subventionen


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