Hunderttausende Menschen in Deutschland ernähren sich ausschließlich vegan. Die Entscheidung für eine Lebensweise ohne den Konsum von Tierprodukten erfolgt vorrangig aus ethischen Beweggründen. Jedoch auch gesundheitliche Gründe können ein Motiv sein auf Tierprodukte zu verzichten. Sven-Christian Kindler erläutert wie eine gesunde pflanzliche Ernährung aussieht und warum der Verzehr zu vieler Tierprodukte krank macht.
„Veganer? Die sind doch alle bleich und unterernährt. Gesund kann das doch nicht sein.“ So die gängigen Vorurteile von breiten Teilen der Öffentlichkeit gegenüber Menschen, die sich rein pflanzlich ernähren. Von den vielen vegan lebenden OlmypiasiegerInnen (z. B. Carl Lewis), BodybuilderInnen oder TriathletInnen spricht dagegen kaum eineR. Und auch die die neusten wissenschaftlichen Studien zeigen, dass die vegane Ernährung bei richtiger Durchführung entscheidende Vorzüge gegenüber der konventionellen Mischkost bietet.
Vegan ist gesund
Dass eine ovo-lacto-vegetarische Ernährungsform aus medizinischer Sicht positiv bewertet werden kann, ist mittlerweile durch viele empirische Studien nachgewiesen. So weist der Expertenbericht der Eidgenössischen Ernährungskommission des Schweizer Gesundheitsamtes aus dem Jahr 2006 darauf hin, dass „Leute mit einer vegetarischen Ernährung gegenüber Omnivoren (Mischköstlern, Anm. des Autors) klare gesundheitliche Vorteile haben.“
Aber auch die vegane Ernährung kann gesund sein und muß nicht zu Mangelerscheinungen führen, wie es weitläufig immer wieder in den Medien verbreitetet wird. „Richtig praktiziert ist eine gesunde vegane Ernährung in jeder Altersphase möglich.“ erläutert der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Claus Leitzmann gegenüber dem SPUNK. Leitzmann hat zusammen mit Prof. Dr. Andreas Hahn die „Deutsche Vegan Studie“ initiiert und durchgeführt, bei der erstmals in Deutschland repräsentativ die gesundheitlichen Auswirkungen des Ernährungsverhalten von über hundert VeganerInnen erfasst wurden, die sich jahrelang vegan ernährt hatten. “ Die vegane Ernährung bietet vor allem gesundheitliche Vorteile wegen des Vermeidens des Verzehrs von tierischen Fetten und der damit geringeren Gefahr an Adipositas (Fettleibigkeit, Anm. des Autors) und deren gefährlichen Folgen zu erkranken“, so Leitzmann weiter. Generell trete bei gut zubereiteter veganer Ernährung keine Mangelsituation auf. „Alle lebensnotwendigen Nährstoffe können mit pflanzlicher Kost aufgenommen werden. Die einzige Ausnahme bildet das Vitamin B12, wobei bei VeganerInnen erst nach Jahren nach Beginn der veganen Ernährung ein B12-Mangel auftreten kann, der jedoch problemlos durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln behoben werden kann.“ führt der Ernährungswissenschaftler aus.
Auch die mit rund 70.000 Mitgliedern größte US-amerikanische Vereinigung von Ernährungsexperten ADA (American Dietetic Association) stelle 2003 fest: „Eine gut geplante vegane oder andere Art der vegetarischen Ernährung ist für jede Lebensphase geeignet, inklusive während der Schwangerschaft, Stillzeit, Kindheit und in der Pubertät.“ Gut geplant heißt in dem Kontext natürlich nicht literweise Cola, Unmengen an Chips oder Pommes frites zu verschlingen. „Pudding-VeganerInnen“ leben nicht gesund. Die vegane Ernährung sollte wie jede andere Ernährungsform abwechselungsreich und vollwertig sein und besonders reichlich Gemüse, Obst und Vollkornprodukte, aber auch Nüsse, Hülsenfrüchte (auch Soja), enthalten.
Fleisch macht krank
Die meisten Mischköstler (nicht alle!) in Deutschland ernähren sich jedoch nicht abwechselungsreich und essen zu viel Weißmehlprodukte, Zucker und vor allem Fleisch. Es ist wissenschaftlich in etlichen empirischen Studien nachgewiesen worden, dass der vor allem der übermäßige Fleischkonsum in den Industriestaaten ungesund ist und für viele der Zivilisationskrankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Krebs, Adipositas, oder Diabetes II mitverantwortlich ist. Aktuell hat z. B. dieses Jahr die EPIC-Studie, bei der in 10 europäischen Ländern über 519.000 Menschen teilnahmen, ergeben, dass das Risiko an Magen -und Darmkrebs zu erkranken mit dem Verzehr von rotem Fleisch deutlich ansteigt.
Ethisch essen
Ist aber Gesundheitsverträglichkeit die einzige entscheidende Frage bei der Wahl der Ernährungsform? Wenn das Optimum an Gesundheit das Ziel sein soll, müsste nicht auf Fleisch, sondern auch auf den Konsum von Alkohol, Kaffe, Zucker oder Schokoriegeln verzichtet werden. Aus libertärer Sicht sollte über eine gesunde Lebensweise aufgeklärt, sie jedoch nicht paternalistisch verordnet werden. Bei der Wahl der Ernährungsform sollten zwar gesundheitlichste Aspekte eine wichtige Rolle spielen, aber auch ökologische, soziale und ethische Konsequenzen müssen mitbedacht werden. So zeichnet sich gerade die vegane Ernährung durch eine geringe Umweltbelastung aus und vermeidet gleichzeitig die qualvolle Ausbeutung und Tötung von leidenden Tieren. Zur ethischen Dimension des Essens äußerten sich auch 1988 schon „Die Ärzte“. Seit 20 Jahren singen sie jetzt schon auf ihren Konzerten: „Ich ess Blumen, denn Tiere tun mir leid!“
Sven-Christian Kindler (22) ist Sprecher der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen und Mitglied im Parteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen. Er lebt seit mehr als einem Jahr vegan und ist Blutspender. Seine Blutwerte sind immer im grünen Bereich.
Dieser Artikel erschien erstmalig im SPUNK 51, der Bundeszeitung der GRÜNEN JUGEND, der das Thema „Tiere“ als Titelschwerpunkt behandelte.