Im Ausland erworbene Lehramtsqualifikationen individueller und gerechter bewerten!

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen unterstützt gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht und der Landesarbeitsgemeinschaft Soziales von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgenden Antrag:
Antrag der LAG Migration und Flüchtlinge an die Landesdelegiertenkonferenz in Verden am 19./20. Nov. 2011, beschlossen in der Sitzung vom 21.10.2011
Die LDK möge beschließen:
Bündnis 90/Die Grünen stehen für ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in unserem Land. Es geht uns um die Einheit in Vielfalt mit sozialer Chancengleichheit und in kultureller Selbstbestimmung. Politik muss dabei die Teilhabe aktiv befördern und Integrationshürden abbauen. Eine der größten Erschwernisse stellen dabei die im Ausland erworbenen Qualifikationen, Schul-, Bildungs- und Berufsabschlüsse von Zuwanderinnen und Zuwanderern dar, die in der Bundesrepublik Deutschland nicht, teilweise oder häufig nur unter erschwerten Bedingungen anerkannt werden. Das häufig langwierige Prüfverfahren mit ungewissem Ausgang wird als Demütigung empfunden, da die persönliche Bildungskarriere und die im Herkunftsland erbrachte Leistung in Frage gestellt werden. Dieses belastende Verfahren ist darauf zurückzuführen, dass das stark formalisierte System der Bildungs- und Berufsabschlüsse in Deutschland eine angemessene Einschätzung und Einstufung der im Ausland erworbenen Kompetenzen und Qualifikationen deutlich erschwert. Potenziale und Qualifikationen gehen damit der Wissenschaft und dem Arbeitsmarkt verloren. Gleichzeitig ist die Anerkennung von mitgebrachten Qualifikationen fast immer eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration und eine gleichberechtigte gesellschaftliche Partizipation insgesamt.
Als Landesverband setzen wir uns vor allem für jene Berufsgruppen ein, deren Berufsanerkennung landesrechtlich geregelt ist. Dazu zählen neben LehrerInnen zum Beispiel auch ErzieherInnen, IngenieurInnen und ArchitektInnen sowie im Hinblick auf die Ausführungsbestimmungen der Bundesgesetze auch die Gesundheits- und Sozialberufe und viele andere mehr. Je nach Beruf existieren unterschiedliche Anerkennungshürden, so dass wir nicht allen Berufsgruppen in einem Antrag gerecht werden können. Wir beginnen mit den LehrerInnen als einer der größten Berufsgruppen mit erfahrungsgemäß besonders hohen Anerkennungshürden, da bereits abzusehen ist, dass sie im Fokus der landespolitischen Auseinandersetzung stehen werden.
Wir fordern:

  1. Einen Rechtsanspruch auf eine faire und wohlwollende Prüfung der im Ausland erworbenen LehrerInnen-Qualifikationen und ggf. Anpassungsqualifizierung ohne Unterscheidungen nach Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus, Herkunft des Abschlusses und Unterrichtsfächern!
  2. Ein im Ausland erworbener Lehramtsabschluss in nur einem Unterrichtsfach sowie das Fehlen eines im Ausland nicht vorgesehenen Referendariats kann – anders als bisher – zu einer niedersächsischen Lehrbefähigung als Lehrkraft mit „voller“ Anerkennung führen. Hierfür ist ein Aufbaustudium zum Master of Education sowie der Vorbereitungsdienst mit abschließender Staatsprüfung nicht zwingend erforderlich.
  3. Stattdessen fordern wir eine Feststellung der Qualifikationen durch eine unabhängige Einzelfallprüfung unter Beteiligung von interkulturellen FachberaterInnen, die sowohl die Bewährung der AntragstellerInnen in der Lehrpraxis an den Schulen als auch nachweisbare wissenschaftliche und berufspraktische Erfahrungen im In-und Ausland berücksichtigt. Ein Anerkennungsver fahren wie bisher aus schl ießl ich durch Aktenlage und Bildungssystemvergleich („materielle Vergleichbarkeit“) lehnen wir ab.
  4. Die AntragstellerInnen müssen deutsche Sprachkenntnisse mindestens auf dem Zertifikats-Niveau B2 nachweisen.
  5. Berufs- und familienbegleitende Angebote der Anpassungsqualifizierung bei nicht voll anerkannten Qualifikationen, einschließlich Vergabe von (am Bafög orientierten) Stipendien!
  6. Jährliche Berichterstattung der Landesregierung zu Verläufen und Ergebnissen von durchgeführten Anerkennungsverfahren (inkl. statistischer Daten)!