Finanzielle Situation von Student*innen
Immer noch hängt der Bildungsweg junger Menschen in Deutschland vor allem vom Bildungshintergrund der Eltern ab. Allzu oft ist auch eine prekäre finanzielle Situation der Grund, weshalb Menschen sich gegen ein Studium entscheiden. Dies hat nichts mehr mit Bildungsgerechtigkeit zu tun. Daher fordern wir die Abschaffung von Bildungsgebühren, mehr sozialen Wohnungsbau und eine Überarbeitung der BAföG-Förderung hin zu einer elternunabhängigen Studienfinanzierung für alle.
Durch Rot-Grün wurden die allgemeinen Studienbeiträge abgeschafft. Gerade solche Fixsummen wie Studienbeiträge führen bei Menschen mit Nicht-Akademikereltern zu Verunsicherung und stellen eine Hürde dar. Wir werten es als Erfolg, dass die allgemeinen Studienbeiträge abgeschafft wurden. An diesen Erfolg muss sich jetzt auch die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren sowie der Verwaltungsgebühren anschließen. Langzeitstudiengebühren führen zu einem immensen und teuren Bürokratieaufwand und belasten gleichzeitig all jene, die sowieso schon durch ein Auslaufen von BAföG-Ansprüchen und anderen finanziellen Vergünstigen wie z.B. bei der Krankenversicherung einer Mehrfachbelastung ausgesetzt sind. Verwaltungsgebühren wirken genauso abschreckend und selektiv und sind nichts anderes als Studiengebühren mit anderem Namen. Des Weiteren stellen wir uns gegen die stetige Erhöhung von Studentenwerksbeiträgen, das Land muss die Studentenwerke angemessen mitfinanzieren.
Zu wenig bezahlbarer Wohnraum ist ein weiterer Faktor, der die Finanzierung eines Studiums oft erschwert und zu Bildungsungerechtigkeit führt. Gerade in beliebten Hochschulstädten herrscht oft ein großer Andrang im Wohnungsmarkt und allzu häufig entscheidet der Mietpreis auch über die Wahl der Hochschule. Wir fordern mehr sozialen Wohnungsbau bzw. mehr bezahlbaren Wohnraum, denn der Mietspiegel sollte nicht über die Hochschulwahl entscheiden!
Viel zu viele Menschen fallen durch das der BAföG-Förderung zugrunde gelegte Raster. Der Erhalt von BAföG-Geldern ist abhängig vom Einkommen der Eltern, nur für Personen unter 30 Jahren und in der Regel an die in vielen Studiengängen unrealistische Regelstudienzeit gebunden. Auch Fachwechsel und andere Faktoren führen viel zu oft dazu, dass so viele Menschen, die eigentlich auf eine Förderung angewiesen sind, keine BAföG-Zahlungen erhalten. Wir sprechen uns für ein solidarisches Modell aus, das Student*innen Freiraum lässt und unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt wird. So fallen die hohen Bürokratiekosten weg und die BAföG-Förderung wird dann nach dem Studium in fairen Raten und je nach Einkommen zurückgezahlt. Ob wie bisher bei jeder Person die Hälfte der Summe erlassen wird, muss geprüft werden. So kann eine für alle zugängliche, faire Förderung sichergestellt werden.
Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass die Förderungshöchstdauer über die Regelstudienzeit hinaus ausgeweitet wird. Die Pflege von Angehörigen oder ein ehrenamtliches Engagement muss sich positiv auf die Förderzeit auswirken. Desweitern setzen wir uns für ein lebenslanges Lernen ein um dieses zu ermöglichen, müssen die Altersgrenzen für die BAföG-Regelungen abgeschafft werden und Teilzeitformen ermöglicht werden. Zum dem müssen die Bedarfssätze endlich an die aktuellen Kosten angeglichen werden, denn schon 2012 deckte z.B. die Mietpauschale nicht die realen Kosten für studentisches Wohnen.
Studierbarkeit
Die sogenannte „Regelstudienzeit“ war ursprünglich dazu gedacht, eine Orientierung für eine durchschnittliche Studiendauer zu bieten. In der Realität ist die Regelstudienzeit oftmals unrealistisch und zu kurz bemessen. Dies lässt sich auch leicht an den durchschnittlichen Studienzeiten erkennen, die bei ca. 40 % der Student*innen über der Regelstudienzeit liegt – das Wort „Regelstudienzeit“ ist hier also inhaltlich absolut unzutreffend und euphemistisch. Mit der Regelstudienzeit bzw. dem Übertreten ist auch u. a. die finanzielle Unterstützung durch BAföG-Förderung oder ein Zwang zum Zahlen von Langzeitstudiengebühren gekoppelt. Generell wirkt die Regelstudienzeit als weiteres starkes Druckmittel gegen Student*innen, weshalb wir für eine Abschaffung der Regelstudienzeit eintreten. Zur Orientierung für Studienanfänger*innen kann stattdessen eine Angabe der durchschnittlichen Studiendauer für jeweilige Studiengänge erfolgen.
Mit der Novelle des Niedersächsischen Hochschulgesetzes wurde eine generelle Anwesenheitspflicht in Studien- und Prüfungsordnungen untersagt. Trotzdem kommt es in vielen Studiengängen und an vielen Hochschulen immer noch zur Anwendung der Anwesenheitspflicht. Ein pures Zeitabsitzen hilft weder Student*innen noch Dozent*innen und führt zu keinem Lernerfolg, sondern ist eine Maßnahme, mit der Zwang und Druck ausgeübt wird. Anwesenheitspflichten behindern das freie Lernen und Studieren immens und führen gerade bei Student*innen in besonderen Lebensumständen wie jungen Eltern oder Schwangeren, und bei Student*innen, die sich ihr Studium aufgrund unzureichender Förderungsregelungen selbst durch Nebenjobs (teil-)finanzieren müssen, zu großen Problemen durch mangelnde Flexibilität. Daher fordern wir, dass Anwesenheitspflichten endlich aus den Hochschulen verschwinden und das Gesetz nicht weiter umgangen wird.
Student*innen in besonderen Lebensumständen
Student*innen in besonderen Lebenslagen sollten gezielt gefördert werden, beispielsweise Frauen* im Mutterschutz oder Geflüchtete.
Im Zuge der Novellierung des Mutterschutzes sind viele Fragen zum Schutz und zur Absicherung von Schülerinnen*, Praktikantinnen* und Studentinnen* offen geblieben, es ist Aufgabe der Landesregierung hier Nachbesserungen vorzunehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass eine Regelung über die individuellen Wahl zu Prüfungs- und Abgabefristen, sowie die Wahl der Prüfungsform geschaffen wird, um den Frauen* ihr Studium zu erleichtern. Student*innen erhalten, sofern sie nicht in einem regulären Arbeitsverhältnis sind oder BAföG erhalten, weder regulär Geld aus ihrer vorherigen Tätigkeit, noch haben sie das Recht auf ALG II. Hier besteht dringend Handlungsbedarf durch die Politik, so müssen Möglichkeiten gefunden werden Frauen* in dieser Situation abzusichern.
Forschung und Arbeitsbedingungen an Hochschulen
Wir fordern eine ausreichende Finanzierung der Hochschulen für vertretbare Arbeitsbedingungen und freie sowie verantwortungsvolle Forschung. Der Zwang zum Wettbewerb zwischen Hochschulen um Drittmittel und Student*innen ist destruktiv. Ein besonders bitteres Beispiel ist hier die Exzellenzstrategie, bei der Hochschulen darum konkurrieren als „Exzellenzuni“ eingestuft zu werden und Finanzmittel zu erhalten. Ein solcher Wettbewerb ist wissenschaftsfeindlich und macht die „Freiheit von Forschung und Lehre“ unmöglich.
Das Einwerben von Drittmitteln erfordert viel Aufwand, viel Zeit wird darauf verwendet, Projekte zu beantragen, ohne letztendlich überhaupt in ihnen forschen zu können. Wer nicht gerade eine der wenigen Professor*innenstellen innehat, ist von solchen Projekten abhängig. In der Regel werden wissenschaftliche Angestellte der Hochschulen nur für solche Projekte eingestellt, weshalb es zur Normalität an deutschen Hochschulen gehört, befristet und unregelmäßig beschäftigt zu sein. So wird den Menschen eine normale Lebensplanung unmöglich gemacht. Dieser Prekarisierung des sogenannten akademischen Mittelbaus muss ein Ende gesetzt werden.
Der Wettbewerb um Drittmittel führt auch dazu, dass Forschungsvorhaben wirtschaftlich verwertbar sein sollen. Wissenschaft hat unserer Meinung jedoch eine wesentlich größere Verantwortung als die Realisierung von Innovationen, die sich vorher die Politik oder Unternehmen in ihren Wettbewerbsausschreibungen ausgedacht haben. Forschung ist nicht frei, wenn sie völlig abhängig von Maßstäben der Verwertbarkeit ist.
Wir bekräftigen außerdem noch einmal die Forderung nach einer Zivilklausel, die der Wissenschaft ihre Verantwortung im Sinne einer nachhaltigen, demokratischen und friedlichen Zukunft bewusst macht und Rüstungsforschung ausschließt.
Demokratisierung der Hochschule
In unserem Antrag „Hochschulen endlich demokratisieren und Öffnung vorantreiben“ haben wir uns als GRÜNE JUGEND Niedersachsen bereits ausführlich mit der Forderung nach einer Demokratisierung der Hochschule auseinandergesetzt. Wir bleiben dabei: In einer Demokratie muss auch die Bildung demokratisch sein. Missstände wie die unwürdigen und prekären Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen würde so auch ein Stück weit entgegengewirkt, wenn alle Mitglieder der Hochschule ein faires Mitbestimmungsrecht innehätten. Alle Gruppen innerhalb einer Hochschule müssen fähig sein, ihre Interessen zu artikulieren und sowohl intern als auch extern zu vertreten.