Bei der Europawahl am 7. Juni wurden mit Ska Keller, Franziska Brantner und Jan Philipp Albrecht gleich drei junge VertreterInnen für die Grünen ins Europaparlament gewählt. In der vergangenen Woche wurden sie in der ersten Plenarsitzung in Strasbourg offiziell EU-Abgeordnete. Jan Philipp Albrecht hat die erste Woche für uns zusammengefasst.
Nun sind wir also tatsächlich Europaabgeordnete. Spätestens als wir am Dienstag unsere Plätze im Strasbourger Plenarsaal eingenommen hatten und zur Eröffnung die europäische Hymne „Freude schöner Götterfunken“ ertönte, war es uns dann auch klar. Nachdem wir die Tage zwischen der Wahl und diesem Ereignis eigentlich nur mit organisatorischen Dingen, Formularen und Einstellungsgesprächen verbracht hatten, waren wir zum ersten Mal als Abgeordnete politisch tätig. Die erste Amtshandlung war die Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten. Jerzy Buzek, der früher in der polnischen Gewerkschaft „Solidarnosc“ und später Polens Regierungschef war, wurde mit einer überwältigenden Mehrheit der Stimmen – auch der Grünen – gewählt. Danach standen dann noch 14 VizepräsidentInnen zur Wahl, darunter die Grüne Kandidatin aus Belgien Isabelle Durant, die souverän gewählt wurde. Die FDP-Kandidatin Dr. Silvana Koch-Mehrin fiel durch die ersten Wahlgänge mit äußerst schlechten Ergebnissen durch und wurde chließlich mit dem schlechtesten Ergebnis gewählt, weil die Grünen sie einem rechtskonservativen Polen vorzogen.
Nachdem wir am Montag sehr lange auf unsere Büro-Schlüssel warten und überhaupt erstmal den Weg bis zu unseren Büros finden mussten, konnten wir am Dienstag und Mittwoch bereits die ersten Tage in eigenen Räumlichkeiten arbeiten. Dies war ein deutlicher Fortschritt zu den Wochen zuvor, wo wir in Brüssel die Büros der anderen Abgeordneten mit benutzen mussten. Am Mittwoch hat der schwedische Regierungschef und neue EU-Ratspräsident Frederik Reinfeld sein Programm für die schwedische Ratspräsidentschaft vorgestellt. Dabei betonte er vor allem die Notwendigkeit effektiver Maßnahmen gegen den Klimawandel. Das klang zumindest schon mal sehr grün, aber mal schauen, ob er es damit ernster meint, als die Autokanzlerin und die anderen KollegInnen von der Bremserfront. Gar nicht grün dagegen ist die geplante Visa-Regelung für den Balkan. Bei dem Vorschlag der Kommission sollen Serben, Montenegriner und Mazedonier visafrei in die EU einreisen können. Für Bosnien-Herzegowina, Albanien und den Kosovo soll diese Regelung, laut Kommission, nicht gelten. Angesichts des 15. Jahrestages von Srebrenica ist das nicht nur ungerecht und diskriminierend, sondern geradezu beschämend. Als Grüne haben wir uns daher für visafreies Reisen für alle EinwohnerInnen der Balkanländer eingesetzt und verfolgen dies nun weiter.
Am Donnerstag sind dann noch die Ausschüsse des Europaparlaments zu ihrer Konstituierung erstmals zusammengetroffen. Die drei VertreterInnen der GRÜNEN JUGEND im Europaparlament haben sich bei Ihrer Ausschusswahl gut durchsetzen können. So werden Ska im Entwicklungs- und im Innenausschuss, Franziska im Außen- und im Frauenausschuss und ich im Innen- und Rechtsausschuss vertreten sein.
Neben uns haben es übrigens noch zwei weitere U-30-VertreterInnen in die Grüne Fraktion geschafft: Karima Delli aus Frankreich und Emelie Turunen aus Dänemark, die uns als Jüngste im Fraktionsvorstand vertreten wird.
Natürlich arbeiten wir aber vor allem auf inhaltlicher Ebene gemeinsam mit anderen Abgeordneten zusammen. So haben wir uns auch in den Fachgruppen unserer Fraktion getroffen, wo ich zum Beispiel im Rechtsausschuss mit dem Abgeordneten der schwedischen Piratenpartei, Christian Engström, an einem neuen, fairen Urheberrecht arbeiten werde.
Highlights der Woche waren:- Die Fahrradtour der Grünen Fraktion zu Beginn der Strasbourg-Woche vom Bahnhof zum Parlamentsgebäude; – die chaotische Anfangsphase, in der wir mit ausgrabunsplanartigen Gebäudekarten unsere Büros und Sitzungssäle suchen und stundenlang auf unseren Schlüssel warten mussten;- die ersten Fachgruppen-Sitzungen mit unseren FraktionskollegInnen, wo wir endlich mal inhaltliche Dinge besprechen konnten; – nach langen Arbeitstagen entspannte Abende mit MitarbeiterInnen und Abgeordneten in der Strasbourger Restaurantszene.
Wer gerne ein wenig mehr über die ersten Arbeitstage als Europaabgeordneter und meine letzten Wochen zwischen Brüssel, Hannover und Strasbourg erfahren möchte (in Bild und Ton), kann sich die folgenden Interviews und Bilderreihen ansehen:
Umfassende Audio-Slideshow mit Ton und Bildern aus den ersten Wochen Deutsche Welle
Interview mit dem Deutschlandfunk zum EP-Einzug DLF Deutschland heute vom 14.7.09
Kurzer Einblick in die Strasbourg-Woche ARD Wochenspiegel vom 19.7.09, ab Minute 10:30