Für eine faire und ökologische EU-Handelspolitik

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen will Handel nur unter fairen Bedingungen. Allzu oft tritt die EU als mächtiger Wirtschaftsblock auf, der sich an den Ressourcen anderer Länder bedient.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen lehnt es entschieden ab, dass die EU im Allgemeinen mit ihrer Politik die freie Zirkulation von Gütern anstrebt, die Freizügigkeit von Personen, vor allem aus ärmeren Ländern in die EU, aber behindert.
Das führt zu einer ungerechten Anhäufung von materiellem Reichtum in der EU. Auch in einzelnen Handelsabkommen und in der allgemeinen Handelspolitik der EU finden sich strategische Züge, die vor allem ärmere Länder benachteiligen und die Interessen ökonomischer Eliten bedienen.
Wir treten für einen fairen statt für einen freien Handel ein. Der Welthandel der Zukunft soll soziale und ökologische Standards erhöhen und nicht absenken sowie die Interessen ärmerer Menschen und Staaten wahren. An einer solchen Handelsordnung müssen alle Betroffenen gleichberechtigt mitbestimmen können. Sie misst ihren Erfolg nicht mit dem Bruttoinlandsprodukt oder dem Handelsvolumen, sondern anhand ihres Beitrags zur Verringerung von Armut, Ungleichheit und ökologischen Schäden weltweit. Langfristig streben wir eine Weltwirtschaftsordnung an, die den allgegenwärtigen Konkurrenzzwang und Verdrängungswettbewerb durch eine freie Kooperation aller Menschen ersetzt.

TTIP und CETA

Momentan verhandelt die EU mit den USA über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Im Unterschied zu klassischen Freihandelsabkommen stehen bei diesen Verhandlungen nicht Zollsenkungen (die Zölle zwischen beiden Handelszonen sind bereits fast komplett abgeschafft), sondern die Beseitigung so genannter „nicht-tarifärer Handelshemmnisse“ im Vordergrund. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind zum Beispiel umwelt- und arbeitsrechtliche Standards, die der Erfahrung nach durch Freihandelsabkommen abgesenkt werden. Da im Agrarsektor zwischen den USA und der EU noch vergleichsweise hohe Zollschranken im Gegensatz zu anderen Bereichen bestehen, werden Zölle wahrscheinlich hauptsächlich im Agrarsektor abgebaut, was zur Folge hätte, dass die vergleichsweise kleinstrukturierte Landwirtschaft der EU den Preiskampf mit dem agrarindustriellen System der USA aufnehmen müsste.
Ängste vor einer massiven Deregulierung werden dadurch verstärkt, dass das TTIP sogenannte Investor-Staatsklagen beinhalten soll. Sie würden es Konzernen ermöglichen, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie durch deren Umwelt- und Sozialstandards Gewinneinbußen erwarten. Die Schiedsgerichte arbeiten intransparent, achten nicht auf demokratisch beschlossene Gesetze in den jeweiligen Staaten und werden mit Menschen besetzt, die ein Interesse an möglichst vielen Klagen haben (Schiedsrichter_Innen werden pro Fall bezahlt). Deshalb gewinnen in den allermeisten Fällen die Konzerne. Staaten haben keine Möglichkeit, gegen Schiedssprüche Einspruch einzulegen, sondern müssen hohe Strafzahlungen an die Firmen leisten. Häufig wurden bessere Umwelt- oder Sozialstandards erst gar nicht erlassen, weil Parlamente vor Klagen dagegen Angst hatten (Chilling Effects). Somit haben Investor-Staatsklagen das Potenzial, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen.
Doch der Investitionsschutz ist nicht das einzige Demokratieproblem von TTIP. Das komplette Abkommen ist problematisch, weil es hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Während Konzernverbände vielfältig über ihre Wünsche an das Abkommen befragt werden, sind ähnliche Mitbestimmungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Organisationen nicht vorgesehen. Die allermeisten Verhandlungsdokumente sind geheim. Nicht einmal die gewählten Vertreter*innen im EU-Parlament haben Zugang zu den wichtigsten strategischen Papieren. Demokratische Mitbestimmung ist lediglich nach den Verhandlungen vorgesehen, wenn das EU-Parlament (und vermutlich auch nationale Parlamente) das geheim ausgehandelte Gesamtpacket abnicken sollen.
Im Allgemeinen sind Abkommen zwischen großen Handelsblöcken des globalen Nordens problematisch, weil die dadurch entstehenden riesigen Freihandelszonen wirtschaftlichen Druck auf ärmere Staaten ausüben. Vor diesem Hintergrund lehnt die GRÜNE JUGEND Niedersachsen nicht nur die Verhandlungen zu TTIP, sondern auch das bereits verhandelte Abkommen CETA zwischen der EU und Kanada ab. Das Abkommen soll nach den Europawahlen abgestimmt werden. Über CETA ist noch weniger bekannt als über TTIP, da der Text des Abkommens als Vorlage für den TTIP-Vertrag dienen soll und deshalb streng geheim gehalten wird. Allerdings steht fest, dass auch CETA die Investor-Staatsklagerechte enthält und deshalb eine Gefahr für demokratische Prozesse darstellt.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert von der EU:
– Die sofortige Beendigung der Verhandlungen zu TTIP,
– eine Ablehnung des CETA-Abkommens,
– den Ausschluss von Investor-Staatsklagen aus allen zukünftigen Handelsabkommen.
Der Verband fordert außerdem den Landesvorstand der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen dazu auf, möglichst bald Bündnisse zur Vernetzung gegen TTIP mit anderen Jugendverbänden in Niedersachsen anzustreben, um die Defizite des Abkommens öffentlich zu machen und eine Mobilisierung gegen TTIP zu erreichen. Dabei sollten die Aktivitäten mit dem bundesweiten Bündnis „TTIP Unfairhandelbar” koordiniert werden.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert Bündnis 90/Die Grünen zur aktiven Mobilisierung gegen die Agenda von CETA und TTIP auf und bei diesem Thema einen Schwerpunkt im Europawahlkampf zu setzen.
Ebenso werden alle Vertreter_Innen der Grünen in Parlamenten und Regierungen dazu aufgefordert die Abkommen klar abzulehnen. Insbesondere die grünen Minister_Innen in Niedersachsen sollen sich dafür einsetzen, dass Niedersachsen im Bundesrat den genannten Abkommen keine Zustimmung erteilt.
Handelsabkommen mit ärmeren Ländern
Doch nicht nur die Freihandelsabkommen der EU mit anderen Staaten des globalen Nordens stellen einen Rückschritt auf dem Weg zu einem fairen Welthandel dar. Wenig beachtet, aber nicht weniger gefährlich, sind bilaterale Abkommen, welche die EU mit ärmeren Staaten abschließt. Sie werden häufig unter dem Druck möglicher Handelsbeschränkungen ausgehandelt und nutzen vor allem ökonomischen Eliten. Die in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifik) angestrebte Liberalisierung und Aufhebung von Handelshemmnissen, nimmt diesen Ländern wertvolle Handelsspielräume, während transnationale Konzerne und westliche Staaten mehr Macht und Einfluss bekommen. Auch hier nutzt die EU ihre wirtschaftliche Macht, um sich auf der einen Seite unter dem Banner der Freihandelsideologie einen freien Zugang zu Märkten zu sichern, während sie ihre eigenen Märkte z. B. durch Subventionen schützt. Zusammen mit Investitionsschutzregelungen verlieren die ärmeren Länder durch diese neokolonialen Machtansprüche ihre Souveränität und Entscheidungsgewalt. Durch die Androhung von Entzug des Zugangs zum europäischen Markt, werden die Regierungen der betroffenen Staaten zudem gezwungen sich diesen Abkommen zu beugen.
Das momentan in der Verhandlungsphase befindliche Abkommen zwischen Indien und der EU birgt große Gefahren für die medizinische Versorgung ärmerer Länder. Indien hat westlichen Firmen im Laufe der Zeit immer mehr Patente aberkannt, welche allein durch „Evergreening” (darunter verstehen wir eine leichte Veränderung von Medikamenten, die ihre Grundfunktion nicht verbessert, aber die Möglichkeit neuer Patentierung bieten) verlängert werden sollten. Damit war es indischen Firmen möglich, so genannte Generika (das sind Kopien von Markenmedikamenten) herzustellen und zu einem deutlich geringeren Preis als die Markenprodukte zu verkaufen. Im Zuge des Freihandelsabkommens möchte die EU einen strikteren Schutz von „geistigem Eigentum” in Indien durchsetzen. Das könnte die indische Generikaproduktion und somit die Versorgung von ärmeren Menschen mit Generika weltweit erheblich erschweren.
Auch die Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf die lokale Ernährungssouveränität in Indien könnten fatal sein. Besonders die arme Landbevölkerung Indiens ist in großem Maße von Einnahmen aus der Milchtier- und Geflügelhaltung abhängig. Eine Abschaffung von Zöllen in diesem Bereich und ein verbesserter Zugang von ausländischen Investor*innen zum Einzelhandelssektor, wie die EU sie fordert, würde diese Tierhaltung in einen Preiswettbewerb mit billigen EU-Produkten zwingen und so die Ernährungssicherheit von Millionen von Menschen zerstören.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert von der EU:
– Die Beendigung von Verhandlungen zwischen der EU und Indien,
– die Herstellung von Generika für ärmere Menschen darf nicht eingeschränkt werden,
– freien Zugang zum europäischen Markt für ärmere Staaten, welche die Menschenrechte achten.

WTO

Obwohl die GRÜNE JUGEND Niedersachsen die Welthandelsorganisation WTO grundsätzlich für einen möglichen Ort für Handelspolitik hält und bilaterale Abkommen ablehnt, sind wir mit ihrer Politik nicht einverstanden. In ihrem Gründungsdokument erklärt die WTO zwar, „Entwicklungsländer” bräuchten „Verpflichtungen nur insoweit einzugehen und Zugeständnisse nur insoweit einzuräumen, als diese mit den jeweiligen Erfordernissen ihrer Entwicklung, ihrer Finanzen und ihres Handels oder mit ihren verwaltungsmäßigen und institutionellen Möglichkeiten vereinbar sind“ (Artikel XI:2).Doch diese guten Vorsätze konterkariert die WTO oftmals selbst.
Als Beispiel dient hier der im letzten Dezember verabschiedete Welthandelspakt auf Bali, das sogenannte „Bali-Paket“. Dieses Abkommen verpflichtet Staaten ihre Zollschranken für ausländische Importe zu reduzieren und damit ihre Märkte für den internationalen Wettbewerb weiter zu öffnen. Dabei können viele Staaten dem globalen Wettbewerb nicht standhalten. Bezüglich der skandalösen Baumwollsubventionen in den USA hingegen, welche die Weltmarktpreise zerstören und somit die Lebensgrundlage vieler Baumwollproduzent_Innen, wurde lediglich versprochen, ärmere Staaten in zukünftigen Verhandlungen in der WTO entgegenzukommen, aber keine Einigungen erzielt. Während die Zollerleichterungen der ärmeren Staaten also rechtsverbindlich sind, bleiben die Zugeständnisse der großen Industriestaaten meist unverbindliche Absichtserklärungen.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf:
– Sich in zukünftigen WTO-Verhandlungen für hohe gemeinsame ökologische und soziale Mindeststandards einzusetzen,
– protektionistische Maßnahmen wie Zölle, Subventionen und Quoten in ärmeren Ländern nicht durch WTO-Abkommen auszuhebeln,
– Auf Folgendes hinzuwirken: Solange ärmere Länder im Rahmen von WTO-Abkommen gezwungen werden, für den freien Welthandel ihre Märkte nicht zu schützen, müssen unfaire Wettbewerbsverzerrungen, z. B. durch Subventionierung der Unternehmen in Staaten des globalen Nordens, abgebaut werden. Der Schutz und die Subventionierung des Agrarsektors zur Stärkung einer vielfältigen, bodengebundenen und vorzugsweise ökologischen Landwirtschaft, muss jedoch zu jedem Zeitpunkt und für alle Länder möglich sein. Eine souveräne Ernährung durch Regionale Lebensmittel ist ein Menschenrecht und sollte staatlich gefördert werden.
– unfaire Wettbewerbsverzerrungen z. B. durch Subventionierung der Großagrarindustrie, in Staaten des globalen Nordens, sollen abgebaut werden.