6. Juni 2022

IGELPOST am 06.06.2022



Diese Woche:

Wie feministische Kritik im Antifeminismus mündet | Veraltetes Sicherheitsverständnis | Bringt es diese Klimakonferenz endlich?!

Antifeminismus oder Feminismus – Wie feministische Kritik im Antifeminismus mündet

Ein Sticker sorgte kürzlich für Diskussionen, vor allem unter Feminist*innen. Was war los? Wieso ist das für uns relevant?🤔

Eine Feministin, die Soziologin und Autorin Manuela Schon, postete wütdend einen Sticker, der ihr zugespielt wurde. Auf dem Sticker, der vermutlich aus dem Kreis der Landesarbeitsgemeinschaft Queer der Linkspartei aus Baden-Württemberg kommt, stand: “TERFs can suck my huge trans cock”.  Bebildert mit einem Hahn, der in den Farben der Trans-Flagge coloriert war.

Ein Sticker, der (queer)feministische Kritik sein soll, aber mit sexualisierter Gewalt kokettiert, ist im besten Fall unglücklich, im schlimmsten Antifeminismus im feministischen Gewand – und das ohne, dass die Ersteller*innen es selber wissen. Es gibt unterschiedliche feministische Ansätze. Und auch Feminist*innen, die transfeindlich sind. Aber: der “TERF”-Vorwurf (trans exclusive radical feminist), der oftmals bereits materialistischen Feminist:innen oder Feminist:innen, die Frauenrechte prioritär bearbeiten, trifft, sollte nicht unliebsame Postionen ausschließen und in eine rechte Ecke stellen. Das gilt auch für die radikalfeministischen Ansätze, die Geschlechterrollen und mit ihr Geschlechtsidentitäten, die immer auch Geschlechterrollen bedeuten, komplett ad acta legen und die das eigentliche Ziel dieser Verleumdungen sind. Der Vorwurf, der meist aus queerfeministischen Kreisen kommt, scheint ein, wie die selbstgenannte Polittunte Patsy l’amour laLove bemerkt, ein autoritäres Bedürfnis linker Provenienz zu befriedigen.👮‍♀️♀️

Anstatt sich aber gegenseitig anzugreifen und sexualisierte Gewalt für die eigene feministische Kritik zu verwenden, sollten Feminist\*innen miteinander streiten, Widersprüche und andere Ansätze aushalten und Gemeinsamkeiten suchen.

 

Zum Weiterlesen …

📸 Post mit dem Sticker – Manuela Schon

📰 Interview Rosa Freedman – Jungle World

📚 Vortrag zum Buch Beißreflexe – Patsy l’amour laLove

 

 

Veraltetes Sicherheitsverständnis – Warum das Sondervermögen keine Lösung ist 🦺💰

Nach langen Diskussionen hat der Bundestag am Freitag das Sondervermögen von 100.000.000.000,00 Euro für die Bundeswehr beschlossen. Langfristig sollen 2% des jährlichen BIP in Verteidigungsmaßnahmen investiert werden. So viel Geld wurde bisher in der bundesdeutschen Geschichte noch nie in das Militär gesteckt. Durch Umgehen der Schuldenbremse, die erst 2023 wieder einsetzt, sollen die nötigen Gelder aus neuen Krediten des Bundes kommen. Warum bringt uns das nicht weiter? Ist das überhaupt noch linke Politik? 🏦

Zuerst sollten wir uns den vermittelten Sicherheitsbegriff anschauen. Wir investieren in Verteidigungsmaßnahmen, was konkret bedeutet in Ausrüstung der Streitkräfte: Schutzausrüstung der Soldat*innen ist dabei nur nebensächlich, vielmehr investiert die Ampel in Munition und Waffensysteme von Fliegern bis zu U-Booten. Wenn dies unser Verständnis von Sicherheit sein soll, ist es nicht nur verkürzt, sondern grundfalsch. Ein gestärktes Militär alleine bringt keine Sicherheit, sondern unterstützt ein System, dass voll mit rechten und rechtsradikalen Soldaten ist; Krisenprävention, Schutz vulnerabler Gruppen, Bekämpfung von Armut und vieles mehr dagegen schon. Wir sind nicht plötzlich sicher, nur weil Geld in das Militär gepumpt wird. 🪖

Cyber- und Zivilschutz finden keinen Platz im Sondervermögen – auch wenn Cyberschutz ebenfalls eine mehr als fragwürdige Institution fördert, nämlich den Bundesnachrichtendienst -, sondern müssen weiterhin aus dem Haushalt gestemmt werden, obwohl beide im Koalitionsvertrag der Ampel verankert sind. Durch zusätzliches Einhalten der Schuldenbremse kann dies Kürzungen in anderen Bereichen, wie Klimaschutz oder Soziales bedeuten. Die GRÜNEN, insbesondere der linke Flügel, zu dem der überwiegende Teil der GJ-Bundestagsabgeordneten zählt, definieren sich als Friedenspartei, die für Abrüstung und zivile Krisenprävention steht. All dies ist jedoch kein Teil des Bundeswehrpakets. Antimilitarismus – so wenig Militär wie notwendig – war und ist Kern linker Politik. Warum haben dann so viele grüne Abgeordnete des linken Flügels dafür gestimmt? 🕊️

Hier wird eine falsche Prioritätensetzung der Ampelkoalition deutlich. Lief Claudia Roth in den 1990er-jahren noch bei Demos gegen den aufkommenden deutschen Nationalismus mit, bei denen Transparente und Rufe wie „Nie wieder Deutschland!“ zu vernehmen waren, stimmen sie heute für ein Kern nationalistischer Ideologie: Militarismus & Soldatentum. Auf der einen Seite Milliarden für das Militär locker zu machen, aber auf der anderen Kommunen, den ÖPNV und das Sozialsystem kaputt zu sparen, kann so nicht hingenommen werden – vor allem nicht von Parteien, die sich soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben haben. Wie kann für die Stärkung des Militärs, nicht aber für den Klimaschutz oder für die Vergesellschaftung von Wohnraum oder für demokratifördernde Projekte Geld investiert werden? ⚖️

Wie kann eine GRÜNE Partei eine Schuldenbremse tragen, die notwendige Investitionen in Klimaschutz und Soziale Gerechtigkeit verhindert, sie aber jetzt für eine Stärkung des Militärs umgehen? Die grüne Partei und ihre Gliederungen stehen damit vor eine Frage gestellt, die viele niemals erwartet haben und die ein Paradigmenwechsel sowie die Niederlage linker Politik in der grünen Partei sein könnte. 😡

Zum Weiterlesen …

📰 100 Milliarden: nur die Rüstungsindustrie profitiert – Junge Welt

⚖️ Gesetzesentwurf Sondervermögen – Bundestag

📽 GJ: Sicherheit viel mehr als Militär – NTV

 

 

Bonn Climate Change Conference – Bringt es diese Klimakonferenz endlich?! 🤔🌱

Vom 6. bis zum 16. Juni wird die Bonner Klimakonferenz als Vorbereitung für die im November anstehende jährliche Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP27 tagen. Auf der COP27 sollen das globale Anpassungsziel der bisherigen Versprechungen, die Anpassungsfinanzierung und Verluste und Schäden durch die Klimakrise im Mittelpunkt stehen. 📉💰

Auf der offiziellen Homepage der Bonner Klimakonferenz heißt es, man wolle dieses Jahr auf den “positiven Ergebnissen” der COP26 in Glasgow aufbauen. Dabei sind folgende Punkte ganz besonders widersprüchlich: die Versprechungen der COP26 zielen auf eine Einhaltung der Pariser Klimaziele ab und doch kann damit voraussichtlich nur ein Temperaturanstieg von 2,1 bis 2,4 Grad eingehalten werden. Mit den konkreten Maßnahmen, die die teilnehmenden Staaten seitdem ergriffen haben, steuern wir bislang sogar eher auf eine Erderwärmung von 2,5 bis 2,9 Grad zu. 🔥🤦‍♀️

Dass auf diesen “positiven Ergebnissen” nun aufgebaut werden soll, macht keine Hoffnungen darauf, dass man dieses Jahr ambitioniertere Vorhaben erwarten kann, die das Ausmaß der Klimakrise begreifen. 🙅‍♀️

Seit 1995 tagt die UN-Klimakonferenz, mit dem 1997 beschlossenen Kyoto-Protokoll haben sich die UN-Staaten zur Reduzierung des Ausstoßes von klimaschädlichen Treibhausgasen verpflichtet, mit dem Pariser Abkommen 2015 auf eine Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Bisher passiert ist recht wenig. Bilder wie die Anwesenheit von 500 Lobbyist*innen aus der Fossilen Brennstoffindustrie bei der COP26 oder dass Gasförderung im niedersächsischen Wattenmeer erlaubt wird, lassen einen da an der Ernsthaftigkeit der Versprechungen den Klimakonferenzen zweifeln. Hat ein Großteil der Länder etwa die Dringlichkeit der Lage nicht verstanden und dass sich das Zeitfenster, in dem wir das 1,5-Grad-Ziel noch einhalten können, sehr bald schließt? ❓️

Es fühlt sich inzwischen wie Forderungen an, die ins Nichts verlaufen und oftmals einfach ignoriert werden und doch werden sie dadurch nicht weniger wichtig: Wir brauchen und erwarten ambitionierte Klimaziele von der COP27, die endlich dem 1,5-Grad-Pfad folgen und auch konsequent umgesetzt werden. Wir haben schlicht nicht mehr die Zeit, etwas anderes zu tun, wenn unsere Erde weiterhin gut bewohnbar bleiben soll. 📣

 

Zum Weiterlesen …

📰Ergebnisse und Kritik COP26 – Süddeutsche Zeitung



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