Igelpost am 03.05.21
Diese Woche…
Tradition & Tabu – Behindertenfeindlicher Mord in Potsdam// Rückgabe von Benin-Bronzen ab 2022 geplant// Paukenschlag-Urteil für den Klimaschutz
Tradition & Tabu – Behindertenfeindlicher Mord in Potsdam👩🦽😔🕯
Nachdem in Potsdam vier Menschen mit Behinderung ermordet und eine weitere schwer verletzt wurden, gab es viele verschiedene Reaktionen zwischen Tabu, Ignoranz und kritikwürdiger Berichterstattung – und das nicht nur von konservativ-bürgerlichen Medienhäusern. Aber auch Solidarität und Wut – Was lief schief und was zeigt uns das?
Infolge der schrecklichen Tat im Wohnheim „Thusnelda-von-Saldern-Haus“ der „Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“ gab es zunächst wenig mediales Echo. Die mutmaßliche Täterin, eine 51-jährige Mitarbeiterin, ist bereits durch eine Haftrichterin in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Die Medien und auch die Behörden stilisierten diese behindertenfeindliche Gewalttat zu einem Einzelfall und fragten natürlich bei keiner Betroffenen-Organisationen, den Bewohner*innen oder direkten Angehörigen der Verstorbenen und Verletzten nach. Zusätzlich verbreitete man Narrative, wie ‘’Erlösung’’ oder ‘’Überforderung’’ als Mord- und Gewalterklärung. Ganz so, als sei diese Tat dann gerechtfertigt. Wobei selbst die Einzelfall-Lüge der Struktur der wieder vorkommenden Fälle von Gewalt, Missbrauch und Diskriminierung entgegensteht und in einer langen deutschen Tradition, die Behinderungen verschiedenartig vom ‘’gesunden Volkskörper’’ als unproduktive Belastung abspaltet und isoliert, steht. Diese Vorstellung wird aktuell in Stundenlöhnen für Menschen mit Behinderung von deutlich unter 2 Euro sichtbar.🤮😡
Erst als aktivistische und betroffene Kreise dies via sozialer Medien skandalisierten, fand Kritik an der Berichterstattung und dem generellen Umgang statt. Die Konsequenz: endlich auch Stimmen von Betroffenen. Dass diese Kritik seit Jahren artikuliert wird, zum Beispiel 2010 in Raul Krauthausens Diplomarbeit „Zwischen Sorgenkind und Superknüppel“, scheint bislang wenige zu interessieren. Betroffene wissen um die desolaten Arbeitsverhältnisse, doch ist der Verweis auf diese nicht angemessen.🚩📱
Menschen mit Behinderungen fallen oft aus politischen Analysen und Kämpfen heraus, weswegen der zuletzt auf unserer LMV getroffene Beschluss für gerechte Arbeitsverhältnisse für Menschen mit Behinderung ein erster Schritt ist, den es gilt öfter mit- und weiterzudenken!✊👩🦽💚
Zum Weiterlesen…
📰Beitrag zum ableistischen Mord – Die Neue Norm
📱Instagram-Feed zu Potsdam – Raul Krauthausen
Rückgabe von Benin-Bronzen ab 2022 geplant 🗿🇳🇬
Das Königreich Benin befand sich bis 1897 an der westafrikanischen Küste auf dem heutigen Gebiet von Nigeria. Auf der sogenannten Kongo-Konferenz wurde das Reich Großbritannien zugesprochen, 1897 wurde es von Briten überfallen. Bei der Plünderung wurden Tausende Kunstwerke mitgenommen und von London aus versteigert – auch nach Berlin. 💰
Viele der Ausstellungsstücke des Ethnologischen Museums und des Humboldt-Forums sind somit unter sehr fragwürdigen Bedingungen in deren Besitz gelangt. Auch in an anderen deutschen und europäischen Städten stammen viele Exponate aus der Kolonialzeit. Dies ist zwar allen Beteiligten bewusst, bisher wurden Rückgaben jedoch verweigert – stattdessen wurden einige wenige Stücke als „Dauerleihgabe“ nach Nigeria gebracht. ❌
Am letzten Donnerstag hat sich dann doch endlich etwas getan in der Debatte über den Umgang mit den Benin-Bronzen. Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (CDU) lud Museen und Vertreter*innen aus Kommunen, Ländern und Bund zu einem Treffen ein. Das Ergebnis: Die Raubkunst soll ab 2022 nach Nigeria zurückgegeben werden. 🇳🇬
Ganz so schnell verzichten auf die Kunst will aber niemand – mit der nigerianischen Seite soll zunächst eine Kooperation ausgehandelt werden, bspw. eine Dauerleihgabe von Exponaten nach Deutschland. Außerdem werde wohl auch nur ein „substanzieller Teil“ zurückgegeben, Kulturstaatssekretärin Grütters blieb in diesem Punkt sehr vage.
Zum Weiterlesen…
📰Hintergrund Benin Bronzen – rbb24
📰Einigung auf Rückgabe – Tagesschau
📽Koloniale Raubkunst – ZDF Magazin Royal
Paukenschlag-Urteil für den Klimaschutz 🌍🌡🏛
Als „Meilenstein und Erdbeben zugleich“ wird das am Donnerstag veröffentlichte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes beschrieben. Darin wird bestätigt: Klimaschutz ist ein Menschenrecht und das Klimaschutzgesetz der deutschen Bundesregierung zu lasch. 🧑⚖️
Insgesamt wurden vier Verfassungsbeschwerden von Einzelpersonen mit Unterstützung von Umwelt- und Klimaschutzorganisationen eingereicht und nun in großen Teilen bestätigt. Die Entscheidung des Gerichtes lässt keinen Spielraum offen: Das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung muss massiv verschärft werden. 🔥
In der Begründung legt das Gericht das Grundgesetz, genauer gesagt Artikel 20a, generationenübergreifend aus. Die enormen Reduktionspflichten zur Einhaltung des Paris-Ziels dürfen demnach nicht auf nach 2030 verschoben werden. Denn die Konsequenz wären enorme Grundrechtseingriffe für zukünftige Generationen. 📣
Doch was bedeutet das konkret? Wie geht es nun weiter? 🤔
Die Bundesregierung wird durch das Urteil verpflichtet, einen strikten Reduktionspfad ab 2030 vorzulegen – auch die Ziele bis 2030 müssten drastisch verschärft werden. Klar ist auch: Die neue Bundesregierung ist gefragt. In den nächsten Jahren entscheidet sich, ob Deutschland noch auf den 1,5 Grad-Pfad kommt. Dafür braucht es einen Kohleausstieg bis 2030, den massiven Ausbau von erneuerbaren Energien, das schnelle Ende von Verbrennungsmotoren und eine grundlegende Agrarwende.
Für diese Forderungen mobilisiert die Klimabewegung seit Jahren – mit dem Urteil wurde nun ein rechtlicher Paradigmenwechsel geschaffen, der für viele ähnliche Fälle als Präzedenzfall dienen könnte.
Auch auf niedersächsischer Ebene bleibt viel zu tun – wie Imke Byl von den GRÜNEN am Donnerstag im Landtag klar machte, muss nun auch das Landesklimagesetz radikal geschärft werden – Climate Justice Now! 🌍✊
Zum Weiterlesen…
💬 Retten die Grundrechte unsere Zukunft? | Fridays for Future
📽 Webinar von Michael Bloss, MdEP
📽 Rede im Landtag von Imke Byl
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