IGELPOST am 15.02.2021
Diese Woche:
Studie: RWE mitverantwortlich für Gletscherschmelze in Peru//Mehr Sicherheit durch mehr Verfassungsschutz?//Auto-Emanzipation? – Frauenrechte in Saudi-Arabien
Studie: RWE mitverantwortlich für Gletscherschmelze in Peru⛰🌎⚖️
Saúl Luciano Lliuya, Landwirt aus Huaraz in Peru, fordert seit 2015 vom deutschen Energiekonzern RWE Geld für Schutzmaßnahmen vor der Bedrohung seiner Stadt durch einen schmelzenden Gletscher. Im laufenden Gerichtsverfahren gibt es nun einen entscheidenden Fortschritt: Eine unabhängige Studie bestätigt, dass die Erderwärmung für das Schmelzen des Palcaraju-Gletschers in einen See verantwortlich ist, wodurch das Flutrisiko vor Ort steigt. 🌊
Bisher war das Herstellen einer direkten Kausalkette zwischen dem Handeln RWEs und der Gletscherschmelze in Peru das fehlende Puzzlestück in dem Verfahren vor dem Gericht in Hamm gewesen. Denn theoretisch hätten auch natürliche Prozesse die Entwicklung hervorrufen können. 🌎
Diese Zweifel räumen die Forscher*innen der Universitäten Cambridge und Washington mit ihrer Untersuchung aus. Sie zeigt: Die klimatische Erwärmung der Region um ungefähr ein Grad seit 1880, ist zu 85% auf menschliche Einflüsse zurückzuführen und der Gletscherrückgang wäre ohne Klimawandel praktisch unmöglich gewesen. Zudem gilt es bereits seit mehreren Jahren als erwiesen, dass RWE für ca. 0,5% der globalen Emissionen seit vorindustrieller Zeit verantwortlich ist. Lliuya möchte deshalb, dass das Unternehmen die zu treffenden Schutzmaßnahmen der Region vor den Klimawandelfolgen im selben Umfang finanzieren muss.⚖️
Ein Urteil in diesem Fall könnte richtungsweisend für globale Unternehmenshaftung bezüglich Schäden durch die Klimakrise sein, indem es als Präzedenzfall für weitere Klagen gelten würde. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um einerseits Unternehmen für die Zerstörung von Lebensgrundlagen zur Verantwortung zu ziehen und andererseits den Betroffenen ein Instrument der Gerechtigkeit sowie Möglichkeiten zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen zu bieten.💴
Zum Weiterlesen…
📊Komplette Studie – nature geoscience
📰 Beweis für Klage erbracht – taz
📝 Pressemitteilung Germanwatch
Mehr Sicherheit durch mehr Verfassungsschutz ⁉️ 🏛️
Am Donnerstag tagte in Hannover der niedersächsische Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, um über eine Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes zu beraten. 💬
Diese sieht massive Verschärfungen vor: Unter anderem sollen bereits Jugendliche ab 14 Jahren überwacht werden dürfen, der Einsatz von V-Leuten ausgeweitet und die Auskunftsmöglichkeiten von Bürger*innen beschränkt werden. 🔇
Anstatt Repressionen und Überwachung auszuweiten und damit Grundrechte einzuschränken, sollten Maßnahmen dringend an anderen Stellen getroffen werden. Um rechtsextreme Tendenzen unter Jugendlichen zu verhindern, spielt die Demokratiebildung an Schulen eine zentrale Rolle. Auch Angebote der Jugendhilfe und Sozialarbeiter*innen sind ein wichtiger Bestandteil der Präventionsarbeit.
Statt die Auskunftspflicht des Verfassungsschutzes z.B. über gespeicherte Daten zu beschränken, muss die Behörde im Gegenteil deutlich transparenter arbeiten. 💾
Laut Helge Limburg von den GRÜNEN Niedersachsen hat es “rechtswidrige Datenspeicherungen […] in der Vergangenheit mehrfach gegeben. Doch wer nicht weiß, was der Verfassungsschutz über ihn gespeichert hat, kann auch nicht vor dem Verwaltungsgericht dagegen vorgehen. Die GroKo beschneidet damit Bürger*innenrechte und unterbindet gleichzeitig Möglichkeiten, sich dagegen rechtsstaatlich zu wehren”.
Gegen diese Erweiterung der repressiven Sicherheitspolitik hat am Donnerstag ein Bündnis aus den Parteijugenden der Grünen Jugend, den Jusos und der Jungen Liberalen vor dem Landtag demonstriert. 📢
Fazit: Mehr Sicherheit durch mehr Verfassungsschutz? Sicher nicht!
Zum Weiterlesen…
📰 Verfassungsschutzreform in Niedersachsen – taz
💬 Interview mit GJN Sprecherin – taz
📝 Pressemitteilung Parteijugenden – gj-nds.de
Auto-Emanzipation? – Frauenrechte in Saudi-Arabien 👩🚘✊
Die Frauenrechtsaktivistin Loujain al-Hathloul wurde aus dem Gefängnis entlassen. Sie gilt als Galionsfigur des Frauenrechtsaktivismus im wahhabitischen Saudi-Arabien und saß wegen angeblich illegaler Kontakte zu nicht-saudischen Diplomat*innen und Medien 1001 Tage, also fast 3 Jahre, in Haft. Ist die Haftentlassung als weitere Liberalisierung des saudischen Patriarchats zu verstehen?
Vor ihrer Festnahme war Loujain eine laute Stimme gegen das patriarchale System der Vormundschaft, das eine geschlechtergetrennte Zwei-Klassen-Gesellschaft bedeutet,
einhergehend mit dem Fahrverbot von Frauen. 2018, kurz nach ihrer und der Verhaftung von 16 weiteren Aktivist*innen, gestattete das saudische Regime Frauen das Autofahren. Seit 2016 ist im wahhabitisch, einer fundamentalistischen Form des Sunnismus, geprägten Saudi-Arabien, eine langsame Liberalisierung seitens der herrschenden Elite zu sehen. Diese übersetzt sich aber nicht im selben Maße in der Gesellschaft und ist als Bestandteil einer strategischen Modernisierung im Sinne kapitalistischer und geopolitischer Bestrebungen zu verstehen. Die alte autoritäre Verfassung des Staates ist nicht weg. Das stellt man auch fest, sobald der Umgang mit Hathloul während der Haft betrachtet wird: Folter, sexueller Missbrauch und Isolationshaft. Gegen diese Bedingungen protestierte sie ab Oktober 2020 mit einem Hungerstreik. Im Dezember wurde sie dann wegen weiterer angeblicher Vergehen angeklagt und musste mit einer Haftstrafe bis zu 20 Jahren rechnen. Diese hat sich jetzt aufgelöst und sie ist frei, wird aber vermutlich streng vom monarchistisch-radikalislamischen Regime überwacht werden und ihre Kritik klein gehalten. 🎉🤔
Eine echte Emanzipation der Frauen steht in Saudi-Arabien nicht bevor und die Liberalisierung darf nicht als solche verstanden werden, sondern nur als Teil machterhaltender Strukturen. Die Allianz zwischen Monarchie und Wahhabismus hat die Gesellschaft noch fest im Griff und geht gegen zu kritische Geister hart vor. 👑🤝☪️
Zum Weiterlesen…
📰Loujain al-Hathloul auf freiem Fuß – taz
📰Saudischer Feministin drohen bis zu 20 Jahren Haft – MENA Watch
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