13. Juni 2012

Interessenvertretung, Lobbyismus, Korruption: Wo der Einflussnahme Grenzen setzen?



Am 24. Mai gab es eine Podiumsdiskussion über Lobbyismus mit einem Industrievertreter, einem Staatsrechtler, einem Vertreter der NGO Lobbycontroll und der Landespolitikerin Meta Janssen-Kucz der Grünen, moderiert hat Helge Limburg, der ebenfalls für die Grünen im Landtag sitzt.

Wie können wir verdeckte Einflussnahme und eine übermäßige Macht einzelner Unternehmen und Einzelpersonen verhindern? Wie kann die Entscheidungsfindung von Politiker_innen transparenter gestaltet werden? Wie ist eine stärkere Kontrolle und Einschränkung möglich, ohne Politiker_innen zu sehr in ihrem Recht auf freie Berufswahl einzuschränken? Darum ging es in der Podiumsdiskussion, die von uns und zwei Landesarbeitsgemeinschaften (LAGs) der Grünen organisiert worden war.
Auf unser Landesmitgliederversammlung im September 2010 haben wir den Beschluss „Verriegelt die Drehtür – Intransparentem Lobbyismus und verdeckter Einflussnahme konsequent entgegentreten!“ (www.gj-nds.de/aktuelles/beschluesse/3762479.html) gefasst. Danach haben wir immer weiter darauf gedrängt, unsere Forderungen auch zu Positionen der Grünen Niedersachsen zu machen. Unter anderem haben wir den Antrag auch auf der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) im Februar 2011 gestellt, dort wurde er jedoch zunächst in die zuständige Landesarbeitsgemeinschaft verwiesen. Nach über einem Jahr gab es nun endlich eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zu dem Thema.
Zu Beginn berichtete die Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz von ihren Erfahrungen in der Kommunalpolitik. In ihrem Kreis bekommen beispielsweise alle Kreistagsmitglieder jedes Jahr einen großen Bildband von einem Jachtproduzenten, der auch schon einmal zu einer großen Besichtigung mit Essen einlädt. Sie erläuterte auch die Schwierigkeiten bei der Einschätzung einer Einladung: Ist das eine sinnvolle Informationsveranstaltung oder soll hier mit einem angenehmen Abend eine gute Stimmung gegenüber einer Firma oder einem Verband hergestellt werden. Nach dieser Einführung (und einem netten Video zum Thema von extra3) hielt der Staatsrechtler Manuel Brunner ein Eingangsstatement, in dem er auf zwei unser Forderungen einging: Das Verbot von Fremdformulierung von Gesetzestexten z. B. durch Großkanzleien würde er unterstützen. Die Abkühlphase (auch Karenzzeit genannt) hielt er jedoch für einen zu starken Eingriff in die Freiheit der Berufswahl.
Wir fordern in unserem Antrag, dass Regierungsmitgliedern, Staatssekretär_innen und Referatsleiter_innen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene innerhalb von 5 Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Amt jede Lobbytätigkeit verboten ist. Somit würde verhindert werden, dass Detailkenntnisse über den Politikbetrieb und persönliche Kontakte ausgenutzt werden und somit diejenigen, die sich das leisten könnten, einen großen Einfluss auf Entscheidungen erhalten. Darüber wurde auch im Verlauf der Veranstaltung viel diskutiert. Hauptkritikpunkt war hier, dass Politiker_innen nichts anders mehr könnten als Lobbyismus. Wenn man ihnen das verbiete, könnten sie gar nicht mehr arbeiten. Somit fiele die Einkommensgrundlage für ehemalige Politiker_innen weg. Das hätte zur Folge, dass sie auch über diese fünf Jahre hinweg Geld vom Staat bekommen müssten, was der Bevölkerung wieder schwer zu vermitteln wäre. Außerdem könne man ihnen nicht die Chance nehmen, auch endlich einmal so viel zu verdienen wie die Wirtschaftsvertreter_innen mit denen sie ständig diskutieren. Später räumte Herr Brunner jedoch ein, dass Politiker_innen auch allgemein gut qualifiziert seien, wenn also entsprechende Managementpositionen zu Verfügung stehen würden, sei ein Verbot von Lobbyismus für einen bestimmten Zeitraum kein Problem.
Generelle Übereinstimmung gab es bei der Einschätzung von Lobbyismus allgemein: Interessenvertretung ist notwendig, da Politiker nie das Detailwissen über alle Bereiche haben können, die ihre Entscheidungen betreffen. Daher ist es sinnvoll, dass sie die Argumente aller Beteiligten hören und dann abzuwägen, was der beste Kompromiss ist. Das wird enorm erleichtert, wenn die verschiedenen Interessen bereits in Organisationen gebündelt sind. Das Problem ist aber, dass nicht alle Interessenvertretungen gleich viel Einfluss haben. Einige können sich einen ganzen Mitarbeiter_innenstab leisten, und können daher viel mehr Hintergrundwissen erwerben und einen besseren Kontakt zu Politiker_innen aufbauen. Alle waren sich jedoch einig, nicht zwischen „guten Lobbyist_innen“ und „schlechten Lobbyist_innen“ unterscheiden zu wollen. Stattdessen ist eine generelle Transparenz nötig.
Unsere Forderung nach einem Lobbyregister setzt genau da an. Sämtliche Verbände, Lobby-Agenturen sowie selbstständige Lobbyist_innen verzeichnet müssen darin verzeichnet sein, die in der Politikberatung tätig sind. Außerdem müssen Angaben zu der_dem jeweiligen Auftraggeber_in, den Kund_innen, den Finanzquellen, Budgets sowie Arbeitsthemen gemacht werden. Damit wissen einerseits Politiker_innen wenn sie mit diesen reden, welche Interessen gerade vertreten werden. Andererseits können auch Bürger_innen und Medien nachsehen, wie die Kräfteverhältnisse der Interessenvertretungen sind und wofür an Entscheidungen beteiligte eigentlich stehen. Zur Überprüfung fordern wir die Einrichtung eines Kontrollgremiums, das die Einhaltung der Offenlegungspflichten für Lobbyist_innen sowie der Karenzzeit überwacht und regelmäßig an den Bundestag/Landtag berichtet.
Auch wenn weniger Menschen bei der Veranstaltung waren als gehofft, war sie ein Erfolg. Es gab eine interessante Diskussion, mit vielen Rückfragen aus dem Publikum. Wir hoffen nun, dass die Grünen die Wichtigkeit unser Forderungen einsehen. Auf dem Nachtreffen (voraussichtlich am 12.06.) werden wir weiter für unsere Position einstehen und auch auf der Landesdelegiertenkonferenz möglichst viele davon zu überzeugen, unsere Verbesserungen ins Wahlprogramm zu schreiben.



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