Drogenpolitisch läuft gerade eine Menge falsch. Das Paradigma der Drogenabstinenz, die Unterscheidung von Drogen in Kategorien wie „hart“ oder „weich“, willkürliche Illegalisierung und nicht zuletzt die Kriminalisierung der KonsumentInnen. Da die Vision einer Welt, in der alle Drogen legal sind, derzeit noch nicht realisierbar ist, wollen wir unsere Vorstellung Schritt für Schritt in die Tat umsetzen.
Für mehr Drogenmündigkeit in Niedersachsens Schulen!
Derzeit erfolgt Drogenaufklärung in niedersächsischen Schulen vor allem über den Werte und Normen Unterricht. Hierbei leitet die Fachlehrkraft die Aufklärung und Diskussion über Drogen, ihre Wirkung und ihre Gefahren. Dadurch, dass die Lehrkraft Teil der Institution Schule ist und die wichtige Aufgabe zur Drogenmündigkeit Teil des von derzeit noch nicht allen SchülerInnen besuchten Unterrichts wird, wird dem Thema nicht genug Bedeutung beigemessen.
Wir fordern daher eine Fortbildung der Lehrkräfte. Ein Unterricht muss auf Drogenmündigkeit und Informiertheit setzen und nicht Abstinenz predigen. Wir fordern, den Lehrabschnitt Drogen an den Biologieunterricht anzudocken, um den Zugang zu Drogen und ihren Wirkweisen aus einem naturwissenschaftlichen Zusammenhang zu betrachten. Darüber hinaus sollen auch externe ReferentInnen, beispielsweise MitarbeiterInnen aus Drogenberatungsstellen, in die Lehreinheit mit einbezogen werden, um verschiedene Perspektiven und Wissenschaftsbereiche zum Thema zu vermitteln und den Unterricht von der Position der Lehrkraft zu Drogen auf eine breitere Basis zu stellen.
Check it out – Drug-Checking ermöglichen!
Drug-Checking ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, psychoaktive Stoffe und ihre Bestandteile zu analysieren, um gesundheitsgefährdende Präparate zu erkennen und vor diesen zu warnen. So ist die Menge von Drogen durch Streckmittel oft vergrößert, was eine Gefahr darstellt. Das Sterben von Drogenabhängigen ließe sich durch die legale Möglichkeit des Drug-Checking und somit dem Stopp einer Kriminalisierung von KonsumentInnen stark verringern.
Drug-Checking wird bereits in Frankreich, in der Schweiz und in Spanien praktiziert, wo (halb-) staatliche Stellen Drogen prüfen. Auch wenn seitens der Bundesdrogenbeauftragten bereits Konzepte zum Drug-Checking entwickelt wurden, wurden diese bisher noch nicht in die Praxis umgesetzt.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert daher die Bundesdrogenbeauftragte dazu auf, nicht länger über die Verbreitung von Streckmitteln hinwegzusehen und Drug-Checking im gesamten Bundesgebiet so schnell wie möglich zu ermöglichen. Auch auf Landesebene sehen wir Chancen, Drug-Checking zu etablieren.
Diamorphinsubstitution im Gefängnis
Seit 2009 ist es in Deutschland für schwer opiatabhängige Menschen bei denen andere Therapien versagen möglich, unter strengen Auflagen pharmazeutisch hergestelltes, reines Diamorphin (Heroin) legal als Substitutionsmittel zu beziehen. Diese Entwicklung ist ein wichtiger Schritt für die akzeptierende Drogenarbeit, da der vorangegangene Modellversuch, sowie Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Substitution mit Diamorphin im Vergleich zu anderen Substitutionsmitteln eine deutlich stärkere Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Situation der KonsumentInnen bewirkt.
Es ist bisher nur in Baden-Württemberg möglich Diamorphin auch im Justizvollzug zu beziehen. Das muss sich ändern. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht das Recht auf eine optimale medizinische Versorgung als elementares Menschenrecht an und fordert deshalb, die Diamorphinsubstitution auch in niedersächsischen Gefängnissen zu ermöglichen, da Gefangene einem besonderen Risiko ausgesetzt sind: In Gefängnissen sind oft keine oder nur stark verunreinigte Drogen verfügbar, was bei KonsumentInnen oft zu einer Toleranzrückbildung führt, die in der Zeit nach der Entlassung das Risiko einer Überdosierung signifikant erhöht.
Wir halten die Diamorphinsubstitution als kurzfristige und politisch mögliche Maßnahme für geboten und setzen uns dafür ein, dass das bestehende Angebot ausgeweitet wird.
Needle-Exchange – Sauberes Besteck gefällig?
Harm Reduction (schadensreduzierender Ansatz der Drogenpolitik) ist ein wichtiges Mittel zur Förderung von Drogenmündigkeit. Sie umfasst sowohl Aufklärung und persönliche Beratung als auch begleitende Maßnahmen wie Needle-Exchange (Spritzentausch) oder Drogenkonsumräume.
Der kostenlose Austausch von Spritzen senkt das Risiko von Neuinfektionen mit Hepatitis oder HIV und rettet viele Menschenleben, weswegen Needle-Exchange- Angebote zu erweitern sind. Das bestehende Angebot ambulanter Beratungsstellen, die den Spritzentausch zusammen mit fachlicher Beratung des/der KonsumentIn anbieten, muss ausgebaut werden. Bei Beratungsangeboten und Informationsmaterialien im Kontext des Needle-Sharing muss sichergestellt werden, dass der Beginn einer Therapie oder die Inanspruchnahme von Informationsangeboten auf freiwilliger Basis geschieht und nicht zur Voraussetzung für adäquate gesundheitliche Versorgung gemacht wird. Diese Versorgung muss auch im Justizvollzug sichergestellt werden, wo Zugang zu sauberem Spritzbesteck derzeit fehlt.
Niedersachsen ist eines der 6 Bundesländer, in denen eine „Verordnung über die Erlaubnisvoraussetzungen für den Betrieb von Drogenkonsumräumen“(DrogKVO) besteht. Wir begrüßen diese Verordnung weitestgehend, da es durch sie vielen KonsumentInnen möglich ist, Drogen an einem sicheren Ort unter medizinischer Überwachung zu konsumieren und im Falle einer Überdosierung sofort lebensrettende Maßnahmen in Anspruch zu nehmen.
Das bestehende Angebot an Drogenkonsumräumen soll bedarfsgerecht ausgebaut werden. Überdies muss evaluiert werden, warum Drogenkonsumräume oftmals nur von einem kleinen Anteil der KonsumentInnen harter Drogen benutzt werden, sodass Maßnahmen eingeleitet werden können, die diese Quote erhöhen.
Legalize it! Modellversuch kontrollierte Cannabisabgabe
Die Drogenprohibition, die tausende Menschenleben und enorme Mengen an Steuergeldern kostet, ist gescheitert. Wir setzen uns auch deshalb weiterhin für die Legalisierung aller Drogen ein und arbeiten dementsprechend in kleinen Schritten daraufhin. Als Vorstufe zu einer bundesweiten Legalisierung fordern wir einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an volljährige BürgerInnen auf Landesebene. In diesem Modellversuch soll Cannabis zu moderaten Preisen staatlich verkauft werden, wobei der Besitz nicht verfolgt werden darf.
Der Anbau der Hanfpflanze kann staatlich oder – streng überwacht – von Privatpersonen durchgeführt werden. Dabei ist das Outdoor-Growing dem energieintensiven Indoor-Growing vorzuziehen. Damit weder der Staat noch Privatpersonen ein kommerzielles Interesse am Konsum haben können, lehnen wir eine Öffnung des Marktes für Konzerne ab. So sollen Gewinne, die beim Verkauf erwirtschaftet werden, vollständig in akzeptierende Drogenprävention und -therapie investiert werden.
Niedersachsen ist für diesen Modellversuch besonders geeignet, da auch der hier erhältliche Cannabis oft mit Streckmitteln verunreinigt ist. Wir wollen die KonsumentInnen vor diesen Substanzen mit einer umfassenden Qualitätskontrolle, dem Drug-Checking, schützen. Jede Cannabisernte soll demnach vor dem Verkauf auf Verunreinigungen durch Schädlinge und Streckmittel geprüft werden. Desweiteren soll der prozentuale Gehalt der Hauptwirkstoffe THC und CBD festgestellt und den VerbraucherInnen zugänglich gemacht werden, da dieser unter anderem für die medizinische Verwendung der Cannabisprodukte von großer Wichtigkeit ist.
Begleitend zum Modellversuch ist eine grundlegende Reform des Führerscheinrechts nötig. THC wird, im Gegensatz zu wasserlöslichen Drogen wie z. B. Alkohol, über den Fettstoffwechsel abgebaut, sodass der Wirkstoff auch nach Abklingen des Rausches noch zu großen Mengen im Blut festzustellen ist. Die momentanen Grenzwerte für THC im Straßenverkehr tragen dieser Tatsache zu wenig Rechnung. So ist es möglich, dass jemand, der/die am Abend Cannabis konsumiert, noch am nächsten Tag rechtlich gesehen unter Drogeneinfluss fährt. Wir fordern daher wissenschaftlich fundierte Grenzwerte für THC im Straßenverkehr, damit CannabiskonsumentInnen nicht gegenüber AlkoholkonsumentInnen benachteiligt werden.
Was ist schon gering?
Als „geringe Menge“ bezeichnet man die Menge einer Droge, bei deren Besitz von einer Bestrafung abgesehen werden kann. Diese Regelung, die in §29 (5) des BtMGs festgeschrieben ist, wird von vielen AkteurInnen der politischen Meinungsbildung als Beweis für die Entkriminalisierung von DrogenkonsumentInnen angeführt, wirft jedoch in der Praxis viele Probleme auf. Die Festlegung der Höhe der geringen Menge stellt eine Ungleichbehandlung der KonsumentInnen dar, da diese Ländersache ist. Außerdem liegt die Kompetenz zur Strafverschonung allein beim zuständigen Gericht, womit die Geringe Menge in ihrer jetzigen Form rechtliche Unsicherheit und Willkür schafft.
Eine Umgestaltung der gesetzlichen Regelungen zur Geringen Menge ist ein wichtiger Zwischenschritt zum Überwinden des Abstinenzparadigmas in der Drogenpolitik und fordert daher eine bundesweit einheitliche, verpflichtende und transparente Neuregelung, die die Interessen der KonsumentInnen angemessen berücksichtigt. Die zukünftige Niedersächsische Landesregierung soll sich auf Bundesratsebene für diese einsetzen und ihre eigenen Richtlinien zur Geringen Menge liberalisieren.
Da es unverständlich und willkürlich ist, warum bisher hauptsächlich CannabiskonsumentInnen von der Regelung betroffen sind, fordern wir, dass auch die KonsumentInnen anderer Drogen ein Recht auf Strafverschonung haben. Die Einführung von wissenschaftlich begründeten geringen Mengen bei allen illegalisierten Drogen muss im Zuge dessen folgen. Zusätzlich muss die geringe Menge für Cannabis erhöht werden, um die Tatsache, dass auch einfache KonsumentInnen gern einen Vorrat anlegen, angemessen zu berücksichtigen.
Verhältnismäßigkeit bei Betäubungsmittel-Delikten
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit ist der im deutschen Recht verankerte Grundsatz, nach dem eine staatliche Repressionsmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur verfolgten Straftat stehen muss.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen ist der Meinung, dass die Behandlung von BtM-Delikten diesem Grundsatz widerspricht, da die Kriminalisierung von KonsumentInnen weder geeignet, noch erforderlich zur Lösung konsumbedingter Probleme ist. Desweiteren ist sie nicht angemessen, da der durch Kriminalisierung und Schwarzmarkt erstehende Schaden (Stigmatisierung, gesundheitliche Schädigung durch schlechte Settings und Streckmittel, Beschaffungskriminalität, Infektionskrankheiten, …) signifikant größer als der propagierte Nutzen der Prohibition ist.
Wir fordern als kurzfristige Maßnahme, besonders grobe Verstöße gegen die Verhältnismäßigkeit zu beseitigen. Die Infiltrierung der Drogenszene durch V-Leute der Polizei sehen wir als einen solchen an, da die Tatsache, dass V-Leute straffrei milieubedingte Straftaten begehen dürfen, die rechtsstaatliche Grundordnung gefährdet ohne einen nennenswerten Gegenwert zu liefern. Weiterhin lehnen wir schwere Grundrechtseingriffe wie Telefonüberwachungen, Zwangstherapien und Entmündigungen, die für viele DrogenkonsumentInnen Alltag geworden sind, ab und fordern stattdessen eine respektvolle Behandlung, die KonsumentInnen als selbstbestimmte Menschen akzeptiert und sie nicht pauschal als Gefahr für die Öffentlichkeit deklariert.