Die Polizei setzt das Gewaltmonopol des Staates durch. Daraus folgt eine große Verantwortung. Dieser Verantwortung können Polizist*innen nur gerecht werden, wenn sie bürger*innenfreundlich sind, stets auf Verhältnismäßigkeit ihrer Mittel achten und transparent arbeiten. Konfliktsituationen sind dabei unvermeidbar, doch die immer wieder auftretende Gewalt von und gegen Polizist*innen zeigt, dass sich noch vieles verändern muss um gegenseitiges Vertrauen auf- und auszubauen. Die Schwelle für jede*n Polizist*in Gewalt anzuwenden muss hierbei deutlich steigen – denn Gewalt darf wirklich nur das allerletzte Mittel sein. Wir wollen eine Polizei, die sich noch stärker als Organ zur Vertretung von Demokratie und Menschenrechten versteht und dementsprechend handelt. Hierfür sehen wir Reformbedarf sowohl in den Strukturen, als auch in der Ausbildung.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen setzt sich daher für folgende Verbesserungen ein:
Verbesserung der Ausbildung
Die Vermittlung dieser Ideale muss von Beginn an fester Bestandteil der Ausbildung sein. Dazu gehören insbesondere entsprechende Diskussionen zum Selbstbild der Polizei, sowie Kurse zu gewaltfreier Konfliktlösung. Um sich besser in andere Menschen hineinversetzen zu können, sollte während der Ausbildung verpflichtend ein Sozialpraktikum absolviert werden, z. B. in einem Jugendzentrum. Außerdem muss die Ausbildung durch theoretische Kurse in Ethik ergänzt werden.
Leider kommt es immer wieder zu unnötigen und überzogenen Einsätzen von Waffen aller Art. Eine Reflektion über den Einsatz dieser Waffen ist daher enorm wichtig.
Verhalten im Einsatz
Im alltäglichen Polizeieinsatz muss die Polizei Menschen mit Offenheit und Hilfsbereitschaft begegnen. Wir begrüßen es, wenn es nicht mehr Standard ist, dass Polizist*innen bei normalen Einsätzen und Streifengängen Schuss- und andere schwere Waffen tragen, nur um sich Respekt zu verschaffen. Das Tragen von Schusswaffen wirkt eher bedrohlich und eskalierend, als beschützend und souverän.
Darüber hinaus fordern wir gerade auf Demonstrationen eine größere Zugewandtheit der Polizei zu Demonstrant*innen, um Unsicherheiten und Missverständnisse zu vermeiden. Polizist*innen müssen sich stärker in Demonstrant*innen hineinversetzen und ihr Handeln von außen verständlich machen. Die Polizei hat ihrer Auskunftspflicht über Maßnahmen Folge zu leisten und soll sich nicht irgendwelchen Überlegenheitsspielchen hingeben.
Auch der bei der Bereitschaftspolizei verbreitete Corpsgeist ist gefährlich. Ein gewisser Zusammenhalt ist für den Einsatz unerlässlich, die Grenze dieser Solidarität muss aber genau dann erreicht sein, wenn es um Verletzungen von Rechten Anderer geht. Deshalb müssen Konfliktmanager*innenteams sich aus speziell geschulten Polizist*innen und externen, geschulten Konfliktmanager*innen zusammensetzen.
Bei der Bewaffnung sind vor allem die nicht-tödlichen Waffen problematisch. Hier ist die Hemmschwelle für den Einsatz viel geringer und sie werden dementsprechend auch oft benutzt, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist. Deshalb dürfen die Einsatzkräfte nicht mit weiteren Waffen dieser Art ausgerüstet werden und der Gebrauch der bereits vorhandenen Mittel sollte stärker reflektiert werden. Außerdem muss es auch nach der Ausbildung regelmäßige ethische Schulungen zum Thema Waffengebrauch geben, damit das Thema im Einsatzalltag stets präsent bleibt.
Die Aufnahme persönlicher Daten durch die Polizei darf nur erlaubt sein, wenn es absolut notwendig ist. Wir fordern ein Verbot anlassunabhängiger Kontrollen, insbesondere des Racial Profiling. Dabei werden Menschen gezielt aufgrund ihrer Hautfarbe von der Polizei kontrolliert, ohne Angabe eines Grundes. Außerdem muss jede_R das Recht haben zu erfahren, welche Daten über die eigene Person gespeichert wurden und warum sie erhoben wurden.
Verbot von Pfefferspray
Der Einsatz von Pfefferspray muss komplett verboten werden, da dieses schwere gesundheitliche Folgen hat. Die körperlichen Beeinträchtigungen haben oft gesteigerte Aggression oder Panik zur Folge, insbesondere in einer sowieso schon angespannten Situation wie auf einer Demonstration. Somit sorgt der Einsatz von Pfefferspray eher für eine Eskalation als für eine Beruhigung der Situation. Außerdem darf Pfefferspray in Deutschland eigentlich gar nicht gegen Menschen eingesetzt werden, da der enthaltene Wirkstoff Oleoresin Capsicum nicht als gesundheitlich unbedenklich zugelassen ist. Die Prüfung der Unbedenklichkeit ist auch nicht mehr möglich, da hierfür unter anderem Tierversuche nötig wären, die inzwischen verboten sind. Die Sprays werden von den Herstellern deshalb als Tierabwehrsprays gekennzeichnet. Dies zeigt noch einmal deutlich die Gefährlichkeit von Pfefferspray.
Deshalb soll die bisherige Ausnahmegenehmigung der Polizei zum Gebrauch von Pfefferspray aufgehoben werden. Dies bezieht sich auf alle Formen des Einsatzes, z. B. auch in Form von Geschossen. Ebenso gesundheitsschädlich ist CS-Gas („Tränengas“), welches die Polizei inzwischen nicht mehr einsetzt, da die individuellen Auswirkungen noch unberechenbarer sind. Ein Verbot von Pfefferspray darf nicht zu einer Rückkehr zum Einsatz von Tränengas führen. Stattdessen fordern wir, dass nach medizinisch unbedenklichen Alternativen zu Pfefferspray für den Polizeieinsatz gesucht wird, die zu weniger Komplikationen in der Praxis führen. Der Einsatz dieses Mittels muss dann genau dokumentiert werden, dies kann zum Beispiel beim Austeilen neuer Kartuschen oder Ähnlichem kontrolliert werden.
Individualisierung durch Kennzeichnungspflicht
Anonymität begünstigt Gewalt, eine Kennzeichnungspflicht kann dem entgegenwirken. Wenn Polizist*innen nicht nur Teil einer anonymen Masse sind, sondern als Einzelpersonen erkennbar, werden sie nicht mehr unter Generalverdacht gestellt. Einzeltäter sind so identifizierbar, was einerseits dem bereits erwähnten Corpsgeist entgegenwirkt und andererseits rechtliche Schritte von Bürger*innen ermöglicht. Übergriffe im Schutz der Masse werden so verhindert, Transparenz und Verantwortung gestärkt. Um die Persönlichkeitsrechte der Beamt*innen zu bewahren, kann zur Kennzeichnung zum Beispiel eine Nummer verwendet werden. Diese muss allerdings kurz genug sein, um sie sich leicht merken zu können.
Reform der Strukturen
Wir fordern die Einrichtung einer psychologischen Beratungsstelle, die nicht nur nach schwierigen Einsätzen, sondern immer zur Verfügung steht. Eine Supervision mit unabhängigen Psycholog*innen soll regelmäßig stattfinden und in den Dienstplan eingebunden sein. So kann verhindert werden, dass traumatische Erlebnisse unverarbeitet bleiben und dann eventuell im nächsten Einsatz zu Gewalt führen. Gerade interne Probleme werden nur wenig thematisiert, weil die Betroffenen oft zum Schweigen gebracht werden.
Fehlverhalten von Kolleg*innen darf keinesfalls gedeckt oder verschwiegen werden, da es den Aufgaben der Polizei fundamental widerspricht und ihr Ansehen schwer beschädigt. Die internen Strukturen müssen so aufgebaut sein, dass sie dies verhindern. Beobachtet ein*e Polizist*in Fehlverhalten anderer und meldet dies nicht, so macht sich die Person einer Straftat schuldig. Trotzdem haben viele Menschen Hemmungen Kolleg*innen anzuzeigen und müssen die beobachtete Situation erst einmal überdenken. Es gibt vielfältig Druck innerhalb der Polizei, Fehlverhalten zu tolerieren und zu decken. Wenn Anzeigen bzw. belastende Aussagen gemacht werden wird man oft als Verräter*in gemobbt. Es wird behauptet, dass es strafbar ist, Vergehen nicht sofort anzuzeigen. Laut Rechtsprechung bleibt einem aber eine „geraume Zeit“, bis die Anzeige erfolgen muss. Hieraus dürfen schon deshalb keine Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Die Drohkulisse für Polizist*innen mit Zivilcourage ist ohnehin stark genug, dies darf nicht durch die Einleitung unsinniger Ermittlungsverfahren befeuert werden. Die Beratungsstelle sollte insbesondere in diesen Fällen helfen.
Als unabhängige Kontrollinstanz sollen Polizeibeauftragte eingeführt werden, die von den entsprechenden Parlamenten auf Landes- oder Bundesebene gewählt werden. Sie dienen als Ansprechpartner*innen für Bürger*innen, die Vorwürfe gegen die Polizei erheben oder von Ermittlungen betroffen sind. Außerdem stellen sie eine formelle Beschwerdestelle für Polizist*innen dar, insbesondere bei internen Problemen, in Ergänzung zur psychologischen Beratung. Die Beauftragten müssen stets darüber wachen, dass bei Polizeieinsätzen die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt und den Ermittlungsbehörden melden, wenn Grenzen überschritten wurden.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht die Polizei als wichtige Institution um die Rechte jedes*r Einzelnen durchzusetzen und zu schützen. Jeder Eindruck von Willkür und Ungerechtigkeit muss aber sehr ernst genommen werden und sofortige Gegenmaßnahmen nach sich ziehen. Die hier genannten Verbesserungen wären dabei ein großer Schritt hin zu einer vollständig bürger*innenfreundlichen Polizei.