Am 24. Februar war Sven-Christian Kindler (MdB) war zu Gast bei der Grünen Jugend Niedersachsen und diskutierte mit 20 interessierten Mitgliedern über die Ursachen und über Vorschläge zur Bewältigung der Eurokrise.
Wer, Wie, Was ist Eurokrise? – Bericht über einen spannenden GJN-Diskussionsabend
Sven, der Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist, ging zu Beginn seines Vortrages auf die Geschichte und ökonomische Komplexität der Krise ein und machte deutlich, dass Finanzkrisen immer auch Vermögensverteilungskrisen sind.
Die Ursache der Krise im Euroraum sei die neoliberale Wirtschaftsideologie mit dem Glauben an freie, sich selbst regulierende Märkte, an das Primat „Privat vor Staat“ und an niedrige Steuern. Dieser Neoliberalismus habe die Finanzmärkte massiv dereguliert, den Sozialstaat abgebaut und die Schere zwischen Arm und Reich bei der Einkommens- und Vermögensverteilung weiter verschärft. Insgesamt fasst er die Ursachen der Eurokrise mit den „3 Us“ zusammen: Ungleichheit der Verteilung von Einkommen und Vermögen (u.a. durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors); Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen zwischen den Staaten (schlechtes Verhältnis zwischen Importen und Exporten); Unterregulierte Märkte.
Zur Bewältigung der Krise schlägt Sven eine gerechte Vermögensbesteuerung in Deutschland und Europa vor, die einerseits die Ökonomie stabilisiere und andererseits die Vermögenden angemessen an den staatlichen Kosten der Krise beteilige. Darüber hinaus müsse der Finanzsektor hart reguliert werden und damit deutlich kleiner werden, sodass SpekulantInnen keinen Anreiz mehr darin sähen sich auf „Zockereien“ einzulassen. Zu große Banken müssen schrumpfen und entflochten werden, die Eigenkapitalquote der Banken müsse erhöht werden und rein spekulative Finanzprodukte sollten verboten werden. Eine Finanztransaktionssteuer dämpfe die unsinnigsten Finanzmarktwetten und beteilige den Finanzsektor an den Krisenkosten. Sven betonte, dass auch die Leistungsbilanzungleichgewichte – auch die Exportüberschüsse in Deutschland – angegangen werden und symmetrisch in einem neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt überwacht werden müssen. Die Länder im Süden Europas müssten ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern und mehr exportieren, aber Deutschland müsse auch seine Binnenkonjunktur stärken, zum Beispiel durch einen gesetzlichen Mindestlohn und sozial-ökologische Investitionen.
Obwohl der Neoliberalismus in Theorie und Praxis gescheitert ist, ist er noch lange nicht besiegt. So baue die derzeitige Krisenbewältigung in Europa darauf auf und die Bundesregierung verschärfe mit einer extrem unsozialen und ökonomisch unsinnigen Kaputtsparpolitik sogar noch die Krise.
Sven machte deutlich, dass Schulden und Defizite in Europa zwar auf ein nachhaltiges Maß reduziert werden müssen, Sparen allein aber nicht ausreiche. Gerechte Mehreinnahmen und Investitionen im Rahmen eines europäischen „Green New Deal“ in den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft seien genauso entscheidend.
Im Anschluss an den komplexen Input entstand eine rege Diskussion über die Kritik am Neoliberalismus, wobei Sven deutlich machte, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung davon überzeugt sei, dass dieses System gescheitert ist. Gleichzeitig glaube eine gleiche Mehrheit daran, dass Merkels Art der Krisenbewältigung der richtige Weg ist und auch die Medienlandschaft reproduziere diese Einstellung in unkritischer Weise.
Danach waren sich alle einig, dass dieser Widerspruch aufgebrochen werden müsse und es entstand die Frage, warum es derzeit keine linke, europäische Bewegung gibt, die sich in den Diskurs einbringt und diesen dann für sich entscheidet. Dabei seien sowohl die Gewerkschaften, aber auch NGOs wie Attac und die linken Parteien gefragt. Vielleicht ist der Europäische Aktionstag gegen den Kapitalismus am 31. März ein erster Schritt dahin. Infos dazu gibt es hier: march31.net/