Sven, Stefan und Tim wird vorgeworfen, an einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Neonazis beteiligt gewesen zu sein. Gegen sie wird nun wegen „gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung“ ermittelt. Die erhobene Anklage stützt sich einzig und allein auf belastende Aussagen bundesweit bekannter und aktiver Mitglieder der gewalttätigen Neonaziszene.
Vorfall:
Am 13. Mai 2010 wurde eine 15-20 Personen große Gruppe stadtbekannter Neonazis in Hannover nach Eigenaussagen von mehreren vermummten Personen angegriffen und verletzt. Die Neonazis sind im Vorfeld u.a. durch verbale Angriffe auf einen Migranten aufgefallen. Die Polizei nahm die Personalien auf, ließ die Gruppe jedoch weiterziehen.
Folgen:
Nach dem Übergriff konnten am Tatort keine TäterInnen ermittelt werden. Dafür griff eine Polizeistreife in der Nähe des linken Jugendzentrums „UJZ-Kornstraße“ drei junge Erwachsene auf und nahm diese zur Erkennungsdienstlichen Behandlung mit auf die Polizeiwache. Das Verfahren gegen diese drei Personen musste von der Polizei eingestellt werden. Allerdings schaltete sich umgehend der Staatsschutz in die Ermittlungen ein und legte dreien der Nazis eine Fotosammlung mit ca. 30 Menschen vor, die der politisch linken Szene in Hannover zugerechnet werden. Konnte direkt im Anschluss an den Vorfall vor der Kneipe keiner der „Anti-Antifa-Aktivisten“ eine Aussage zu den vermeintlichen TäterInnen machen, gaben diese nach der Sichtung der Bilder an, nun drei Antifaschisten identifizieren zu können. Die belasteten Antifaschisten sind der rechten Szene seit geraumer Zeit als aktive Antifaschisten und „politische Gegner“ bekannt. Sie waren bereits als solche auf einschlägigen Naziseiten geoutet.
Organisierte Nazis:
Bei der Gruppe Nazis handelt es sich um Personen aus der offiziell als aufgelöst geltenden Kameradschaft „Celle 73“, der Nazigruppe „Besseres Hannover“, der NPD Hannover, sowie weiteren Einzelpersonen, die der militanten Kameradschaftsszene aus Schaumburg, Bückeburg und Hannover zugerechnet werden können. Ein überwiegender Teil der anwesenden Neonazis fiel in den vergangenen Jahren immer wieder durch gewalttätige Angriffe auf AntifaschistInnen und MigrantInnen auf, was auch in der Regionalen Presse dokumentiert wurde.
Rolle der Polizei:
Der Polizei war die Vorgeschichte der drei befragten Neonazis bekannt. Gerade vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, dass die Polizei den Neonazis einen ganzen Katalog mit Fotos von Menschen, die von der Polizei der linken Szene zugeordnet werden, vorgelegt hat. Die Polizei spielt damit den gewaltbereiten Neonazis sogar beim Ausspähen der antifaschistischen Szene in die Hände. Dieses Vorgehen ist erschreckend und auf das Äußerste abzulehnen. Die Polizei nimmt damit in Kauf, dass diese Menschen Übergriffen durch Neonazis potenziell ausgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die eingeleiteten Ermittlungen gegen Sven, Stefan und Tim alleinig auf den Aussagen der Neonazis fußen. Dies steht im krassen Gegensatz dazu, dass die Neonazis direkt nach dem Übergriff keine Angaben zu den TäterInnen machen konnten. Für uns entsteht dadurch der Eindruck, dass diese Ermittlungen nicht auf Grundlage objektiver Indizien geführt werden, sondern, dass dies ein politischer Prozess ist. Auch die „Erkennungsdienstliche Behandlung“ vor der „Korn“ und die spätere Einstellung des darauf folgenden Verfahrens zeigen deutlich, dass es der Polizei hierbei nicht um Wahrheitsfindung, sondern um Kriminalisierung geht.
Unsere Position:
Ein entschlossenes Entgegentreten gegen Faschismus, Rassismus und andere menschenverachtende Ideologien ist unumgänglich, notwendig und legitim! Es braucht aktive Menschen, die sich bewusst und konsequent den Nazis entgegenstellen! Das genau diese Menschen auf Grundlage von Aussagen neonazistischer GewalttäterInnen unter Beihilfe von Polizei und Staatsschutz nun einer Kriminalisierung ausgesetzt werden, ist gerade für Opfer rechter Gewalt ein Schlag ins Gesicht. zivilgesellschaftliches Engagement darf nicht durch rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechenden Praktiken verhindert werden! Stattdessen muss eine gesellschaftliche Positionierung gegen Rassismus gefördert werden. Wir fordern deshalb Polizei und Staatsanwaltschaft dazu auf, ihre Praktiken einzustellen, die der bloßen Einschüchterung aktiver AntifaschistInnen dienen. Daraus folgt für uns, dass das Verfahren gegen Sven, Stefan und Tim umgehend eingestellt werden muss.