Nationenkritik
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen lehnt Kategorien wie die Nation ab.
Die Nation ist ein Konstrukt, dass dadurch wirklich wird, dass mensch an es glaubt. Oft werden Eigenschaften wie gemeinsame Sprache, Geschichte und Religion als Anlass genommen Gruppen von Menschen Zusammengehörigkeit zu attestieren. Das ist sogar nicht ganz falsch, da mit der Nation auch immer der Nationalstaat zusammenhängt. Die Menschen in diesem Gebiet folgen den gleichen Gesetzen und bekommen das nationale Interesse vorgesetzt, das sich in moderner Zeit hauptsächlich in der wirtschaftlichen Konkurrenz mit anderen Staaten ausdrückt. Es ist das einfache Prinzip des Zusammenhalts gegen einen gemeinsamen Feind. Gearbeitet wird für das eigene „Volk“ gegen „die Anderen“. Solidarität gilt, wenn überhaupt, für die Volksgenoss_Innen. Schließlich ist es hierzulande zumeist das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft, um das sich gesorgt wird, selbst wenn anderswo Naturkatastrophen Menschen töten und Existenzen vernichten, fragt man sich hier „um wie viel teurer wird denn jetzt die Kilowattstunde Strom?“.
Die Eigenschaften, die für die Einteilung der Nationen herangezogen werden, sind unsinnig. „Gemeinsames Blut“, selbst wenn es das wirklich gäbe, hätte noch kein gemeinsames Wesen, Denken oder Handeln zur Folge. Einteilung nach körperlichen Merkmalen ist willkürlich. Auch die Sprache einer Nation muss keine einheitliche sein, wie in der Schweiz. Dialekte einer Sprache können derart variieren, dass sie Sprachen anderer Nationen eher gleichen als der der eigenen. Zudem ist, wie auch das Blut, die Sprache an keinerlei Inhalte gebunden. Die Vereinheitlichung der Sprache ist staatlich geschaffen. Auch Kultur kann nicht das Bindeglied darstellen, da innerhalb einer Nation völlig unterschiedliche kulturelle Vorlieben und „Brauchtümer“ existieren und es zudem zwischen speziellen Ausprägungen inner- und außerhalb der Nation oft zu Überschneidungen kommt. Betrachtet mensch die „gemeinsame“ Geschichte steht sie nicht als Grund für die Nation, sondern als ihre Folge. Jeder Mensch erlebt Unterschiedliches. Erst wenn eine Gruppe konstruiert wird, wird auch die Geschichte verallgemeinert und auf alle Mitglieder angewendet. Selbst der sogenannte „Verfassungspatriotismus“, der Stolz auf politische Grundwerte, kann die Verbindung der Gesellschaftsmitglieder nicht feststellen. Es wird suggeriert, dass alle den Werten zugestimmt haben, was unzweifelhaft nicht der Fall ist. Im Umkehrschluss müsste dieses Prinzip die Aufnahme in die Nation zur Folge haben, wenn sich jemand zu den Werten bekennt, was so nicht passiert.
Obwohl ein Mitglied der Nation die meisten anderen nicht kennt, sind sie in der Vorstellung trotzdem eine Gemeinschaft. Es entstehen Loyalitäten, die bis zum Töten und getötet werden fürs „Vaterland“ reichen. Sie ist in jedem Falle exklusiv und nicht unendlich erweiterbar. So wie die Nation diffus ist, so ist es auch diffus auf ein Land stolz zu sein, da offensichtlich keine reale Verbindung besteht. Der Zufall der Geburt verschafft einer_einem das Glück in einem bestimmten Land mit besseren Bedingungen zu leben. Allein dieser Zufall kann nicht legitimieren, dass mensch sich als höherwertig betrachtet als andere und ihnen Möglichkeiten des besseren Lebens verweigert.
Die Gemeinschaft „Nation“ ist offensichtlich ein Konstrukt, das durch Willkür und Vereinheitlichung das Ergebnis einer Gesellschaft und/oder Staates ist, die aktive geografische und mentale Grenzen ziehen. Gesetze und die Definitionsmacht darüber, wer zur Nation gehört oder nicht, erzeugt das Gefühl der Zusammengehörigkeit und den Ausschluss anderer. Weltmeisterschaft und „Du bist Deutschland“.
Die Abgrenzung von anderen geht mit dem Denken und Handeln in der Kategorie „Nation“ einher. Am offensichtlichsten wird dies am Beispiel des sogenannten Partypatriotismus‘
deutlich. Auch diese Form des Patriotismus bezieht sich auf die Nation und auf die Abgrenzung von Anderen. Die letzten Fußball-Weltmeisterschaften führten zu wachsendem Nationalismus in der Bevölkerung. Die 2007 erschienene Studie „Deutsche Zustände 5“, herausgegeben von Wilhelm Heitmeyer zeigt: Vor der der WM 2006 waren 36,9 % stolz auf die deutsche Geschichte. Nach der WM 2006 waren es 46,2 %. Darüber hinaus waren vor der WM 79,5 % stolz darauf Deutsche zu sein, nach der WM erhöhte sich dieser Wert auf 86,4 %. Dieser steigende Nationalismus führt laut einer Forscher_Innengruppe der Universität Marburg zu wachsender Fremdenfeindlichkeit. Die Gruppe warnt auf Basis repräsentativer Befragungen explizit vor nationalistischen Kampagnen.
Der starke Bezug auf eine Nation, der beispielsweise durch die „Du bist Deutschland“-Kampagne hervorgerufen werden soll, trägt ebenfalls zu Abgrenzung und Fremdenfeindlichkeit bei, da darauf abgezielt wird, sich selbst mit der Nation zu identifizieren um, diesmal im wirtschaftlichen Sinn, gegen Konkurrent_Innen dieser Nation zu kämpfen.
Auf dem Weg zu einer nationslosen Gesellschaft braucht es Schritte im Hier und Jetzt. Wir wollen dafür eintreten, dass die Rolle der nationalen Zugehörigkeit als Identifikationspunkt verschwindet. Wir müssen aufhören in Grenzen zu denken. Menschen müssen als Menschen gesehen werden und nicht als Deutsche/Türk_innen/Peruaner_innen… Damit der Horizont nicht beim „Deutschen“ endet bedarf es Bildung, die kulturelle Unterschiede überwindet. Alle Menschen auf der Welt sind für einander verantwortlich. Wir müssen also Solidarität leben und weitergeben. Wie es auch in anderem Kontext heißt lautet die Devise „think global, act local“.
Auch die Existenz von Nationalsymbolen (z. B. Flagge und Hymne) muss in die Kritik kommen. Sie dienen allein der Identifikation und Abgrenzung. Wir erachten sie also als überflüssig und fordern ihre Abschaffung.
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