1. November 2009

Konzeption einer besseren Bildungspolitik: Die grüne Basisschule



Die „Schulpflicht“ wird durch eine „Bildungspflicht“ ersetzt. Sie ist demnach nicht mehr reine Anwesenheitspflicht sondern verpflichtet zur aktiven Bildung. Sie dauert über neun Jahre, diese beginnen mit dem siebten Lebensjahr, in begründeten Einzelfällen und in Absprache mit dem PädagogInnenteam vor Ort auch früher oder später. In dieser Zeit wird jedes Kind von einer PädagogIn betreut und ist demnach einer Basisschule zugeordnet. Zusammen mit der PädagogIn plant es seinen Bildungsweg, in dem sowohl schulische als auch außerschulische Lernformen vorkommen und alle Lebensumstände der SchülerIn Berücksichtigung finden.

Schwarz-gelbe Bildungspolitik in Niedersachsen bedeutet vor allen Dingen: SchülerInnen und StudentInnen das Fürchten lehren. Ob die Einführung von G8 in Gymnasien, ein unvollkommenes Bachelor-Master-System an Niedersachsens Unis, ein politisches Bildungsverbot von Schulen und Stadtjugendringen während der Wahlkämpfe oder aber eine schlechte Abdeckung frühkindlicher Bildungseinrichtungen in Niedersachsen – für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen steht fest, dass Frau Heister-Neumann nicht in der Lage ist, den heutigen Anforderungen an die Bildungspolitik gerecht zu werden.

Gerade in der Schulpolitik gibt es erhebliche Defizite. Nicht nur LehrerInnenmangel sondern viele grundsätzliche, strukturelle Probleme müssen endlich angegangen werden. Mit dem überholten Frontalunterricht, der augenscheinlich immer noch ein Relikt schlechter LehrerInnenausbildung ist, die mangelnde Betreuung von SchülerInnen durch PädagogInnen und SozialpädagogInnen, die schlechte bis gar nicht vorhandene Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen in die Schule und auch die Präferenz von einer Schule, die lieber auswendig lernen lässt, als den SchülerInnen selbstständiges Lernen zu lehren.

Die Verteidigungskämpfe des dreigliedrigen Schulsystems von Liberalen und Konservativen sind von Vorgestern! Nirgendwo sonst in Europa wird soziale Ungleichheit durch das Bildungssystem derart festgeschrieben. Wir gehen an dieser Stelle auch weiter als die Grünen, die mit ihrer Forderung nach einer „Neuen Schule“ zwar bereits in die richtige Richtung gehen, aber wichtige Grundsätze für ein gutes Bildungssystem dennoch ignorieren. Für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen ist klar: Wir wollen einen grundlegenden Systemwechsel in der Bildungspolitik und der schwarz-gelben Landesregierung an dieser Stelle Nachhilfeunterricht geben.

Für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen ist eine gute Schule, eine Ganztagsschule, die auf den folgenden Grundpfeilern steht:

  • Betreuung aller SchülerInnen durch PädagogInnen
  • Schule als Lebensraum aller SchülerInnen
  • Schule muss individuelle Förderung und Integation gewährleisten – Demokratische Schule
  • Autonome Schule
  • begreift Vielfalt als Chance
  • Kommt ohne Noten und Frontalunterricht aus
  • ist wirklich allgemein bildend
  • macht aus einer Schulpflicht eine generelle Bildungspflicht

Zeit für mehr! Ganztagsschulen braucht das Land.

Zeit für mehr bedeutet nicht nur den Unterricht auf den Nachmittag auszuweiten oder lediglich ein Freizeitangebot am Nachmittag zu schaffen. Zeit für mehr bedeutet vor allem mehr Zeit für zeitgemäße Pädagogik, für gute Diagnostik, für eine echte individuelle Förderung und für gute und durchdachte Öffnung der Schule nach außen.

Grundlage einer GRÜNEN Ganztagsschule ist der rhythmisierte, an den natürlichen Biorhythmus angepasste Unterricht. Nur so kann die gewonnene Zeit auch sinnvoll genutzt werden. Formelle Lernphasen wechseln sich mit informellen Lernphasen oder mit Freizeitangeboten ab. So kann effektiver und vor allem Kind gerechter gelernt werden. Offene, neue Lernformen, in denen mehr eigenständig an Lernprojekten gearbeitet wird, brauchen Zeit. Diese Zeit kann der rhythmisierte Tagesablauf anbieten. Eine Ganztagsschule, die nicht nach dem Motto: „Schüler quälen, Ganztag wählen!“ funktioniert, muss als Lebensraum gestaltet werden. Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch die Angestellten der Schule müssen sich dort wohl fühlen. Die Motivation aller an Schule Beteiligten ist in „normalen“ Halbtagsschulen schon nicht besonders hoch, in einer Ganztagsschule, die nur eine verlängerte Halbtagsschule ist, wird das nicht besser.

Die Ganztagsschule der GRÜNEN JUGEND basiert auf dem Grundsatz „der/die SchülerIn im Zentrum“. Grundlage ist eine Pädagogik die Stärken fördert und Schwächen frühzeitig erkennt und versucht, diese durch geeignete Methoden zu neuen Stärken zu machen. Wir von der GRÜNEN JUGEND fordern eine Ganztagsschule die auf Beschämung, Bloßstellung und Erniedrigung verzichtet!

Für uns ist eine Ganztagsschule nicht nur eine Entlastung für die Eltern – durch die Ganztagsschule ist es beiden Erziehungsberechtigten möglich Vollzeit zu arbeiten – sondern viel mehr. Ganztagsschule ist eine pädagogische Chance. Nur Ganztagsschulen können individuelle Förderung umsetzen, ohne es zu einer politischen Phrase verkommen zu lassen. Durch die Implementierung eines ganzheitlichen Bildungskonzepts, dass sich nicht nur auf formales Lernen stützt, ist es möglich, sowohl die so oft beschworene Hochbegabtenförderung als auch die Förderung von SchülerInnen mit Beeinträchtigung effektiv in einem Haus umzusetzen.

Schule als Lebensraum

In der Ganztagsschule muss der Satz „Schule muss Lebensraum werden“ tatsächlich mit Inhalt gefüllt werden und keine leere PolitikerInnenphrase bleiben. In keiner anderen Institution verbringen Jugendliche mehr Zeit als in der Ganztagsschule. Deswegen ist es dringend notwendig dass die Ganztagsschule zu einem angenehmen Lebensraum für Schülerinnen und Schüler wird, in dem sie sich wohl fühlen und der ihre geistige, kognitive, soziale und emotionale Entwicklung fördert.

Schulräume müssen angenehm und vor allem nach den Wünschen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler eingerichtet und gestaltet werden. Dabei geht es nicht nur um Wandfarben oder Pflanzen im Schulgebäude, sondern auch um die Schulmöbel, den Schulhof und bestimmte Sonderräume. Es muss in der Ganztagsschule auch Rückzugsräume geben, sowohl zur Einzelförderung, Freiarbeit oder zur Erholung und Entspannung.

Zum Lebensraum Schule gehört aber nicht nur die räumliche Gestaltung, sondern auch das Essen. Gesunde, ökologische und regionale Ernährung ist ein wichtiger Grundstein für die gesunde Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Deswegen müssen gerade hier die AnbieterInnen sorgfältig überprüft werden. Das Angebot sollte regelmäßige wechseln, vegetarisches und veganes Essen sollten immer im Angebot sein. Wohlfühlen kann ich mich nur an einem Ort, an dem ich auch gerne und gesund esse. Das gemeinsame einnehmen von Mahlzeiten gehört zur sozialen Teilhabe und die Kosten sind von den Schulträgern zu übernehmen.

Kooperation mit außerschulischen Partnerinnen und Partnern.

Um ein umfassendes Angebot zu schaffen, das fächerübergreifendes und praktisches Lernen garantiert und um ein umfassendes Freizeitangebot zu schaffen, muss eine gute Ganztagsschule mit außerschulischen PartnerInnen kooperieren. Darunter fallen TrägerInnen der Jugendhilfe wie Sportvereine oder Vereine der Stadtjugendringe genauso wie das Metallwarenfachgeschäft oder das Krankenhaus in direkter Umgebung der Schule.

Die Ganztagsschule muss mit dem Stadtteil verwachsen. Das bedeutet eine Öffnung der Ganztagsschule für alle im Stadtteil. Als öffentliches Gebäude bietet die Schule eine Chance, kultureller Mittelpunkt eines Stadtteils zu werden. Alles was es dazu benötigt, ist der Mut und der Wille der Schule sich nach außen zu öffnen. Die Schule ist ein Lebensraum für alle.

Sportvereine, Musikschulen, Tanzclubs usw. sind nötige KooperationspartnerInnen für eine funktionierende Ganztagsschule. Sie sind dringend notwendig, um ein ausgeglichenes und attraktives Freizeitangebot zu schaffen. Allerdings profitiert nicht nur die Ganztagsschule davon. Auch die Vereine, die bisher große Bedenken gegenüber der Ganztagsschule hatten, können so gewinnen. Die Ganztagsschule ist dann nicht mehr Konkurrentin auf klassischen Vereinsfeldern, sondern Kooperationspartnerin auf Augenhöhe.

Wichtig ist allerdings, dass die Schule ihr eigenes Profil nicht verliert. Kooperationen mit wirtschaftlichen Unternehmen sind zwar grundsätzlich sinnvoll als Ergänzung zum sonstigen Angebot der Schule, aber mit großer Vorsicht zu genießen. Wirtschaftliche Interessen dürfen in der Schule keine Interessen spielen. Schulsponsoring ist keine geeignete Kooperationsform für Schulen, da sie Gefahr laufen in Abhängigkeitsverhältnisse zu Unternehmen zu geraten, die dann immer mehr Einfluss auf die Schule nehmen. Finanzierung und Ausstattung von Schulen ist eine originäre Aufgabe der öffentlichen Hand.

Individuelle Förderung und Integration

Die Ganztagsschule muss den Raum und die Zeit für individuelle Förderung bieten. Jedem Schüler soll mit einer Prozess begleiteten Diagnostik Stärken und Schwächen aufgezeigt werden, die in einen gemeinsam erarbeiteten Förderplan übergehen, sodass jeder Schüler die Möglichkeit hat seine Stärken auszubauen und an seinen Schwächen zu arbeiten. Wobei eine vorwiegend Ressourcen orientierte Sicht herrschen muss. Individuelle Förderung funktioniert nur, wenn man anerkennt, dass Schülerinnen und Schüler kompetente Individuen sind und besondere Stärken haben.

Es gilt hierbei den SchülerInnen genügend Lehrkörper zur Verfügung zu stellen, damit der Spruch „Fordern und Fördern“ auch zu verwirklichen ist. In Gruppen mit über 30 SchülerInnen, was heute noch die Regel ist, ist individuelles Fordern und Fördern schlichtweg nicht möglich.Im Unterricht ist das gemeinsame Lernen aller sozialen Milieus und Bildungsschichten ein wichtiger pädagogischer Weg. Voneinander und miteinander zu lernen ist für alle Gewinn bringend und erhöht die sozialen und kooperativen Fähigkeiten. Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang, sind die altersoffenen Klassenstrukturen, übergreifend kann so jeder Schüler nach seinen Bedürfnissen gefördert werden. Die Schule soll eine offene Alters-, Sozial- und Leistungsstruktur haben, die sich an den SchülerInnen orientiert und nicht an strukturellen Gegebenheiten.

Die Ganztagsschule der GRÜNEN JUGEND ist eine Schule, die:

  • aus Individualität Gewinn zieht
  • ihre SchülerInnen auf Augenhöhe an
  • Entwicklungsprozessen beteiligt
  • sich nach außen öffnet
  • ihren Unterricht rhythmisiert
  • einen Lebensraum schafft
  • mit inklusiver Pädagogik arbeitet

Demokratische Schulen – Wir entscheiden mit!

Die GRÜNE JUGEND fordert eine Schule, in der der/die SchülerIn im Zentrum steht. Eine Schule in einer Demokratie muss auch eine demokratische Schule sein! Deshalb ist es wichtig, Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt in Entscheidungsprozesse einzubinden.

Autonome Schulen

Damit Schulen demokratisch verfasst sein können, Demokratie also ermöglicht und sinnvoll umgesetzt werden kann, brauchen sie eine größtmögliche Autonomie. Unter dem Begriff der „Autonomen Schule“ verstehen wir eine Schule, die auf den Grundlagen der Basisschule ohne den Einfluss von Schulbehörden und lästigem Verwaltungsapparat frei agieren und flexibel im SchülerInneninteresse handeln kann. Das heißt konkret, dass die Schulen in Zukunft frei über ihr pädagogisches Konzept, Lernzeiten, Einstellungen von LehrerInnen, PädagogInnen und sonstigem Personal, Finanzen- und Mittelverteilung, ebenso wie Kooperationen mit außerschulischen PartnerInnen und anderen Schulen entscheiden dürfen.

Keine Schulautonomie ohne Demokratie!

Demokratie wird in dem heutigen System eher klein geschrieben und findet kaum Anwendung. In dem autoritären System Schule finden die Bedürfnisse aller Beteiligten keine Berücksichtigung. Die GRÜNE JUGEND setzt sich deshalb für eine demokratische Schule ein. Wichtige Entscheidungen, die alle am Schulleben beteiligten Gruppen betreffen, sollen in einer durch Arbeitsgruppen gut vorbereiteten Vollversammlung diskutiert und beschlossen werden. In der Vollversammlung hat jedeR eine Stimme, egal ob SchülerIn, LehrerIn, HausmeisterIn oder SozialpädagogIn. Auf dieser Vollversammlung werden die pädagogischen Leitlinien wie, beispielsweise, altersübergreifendes und interdisziplinäres Lernen, eine Schulordnung, die die grundlegenden Verhaltensregeln festlegt und die Verteilung vorhandener Ressourcen wie die Verteilung der Finanzen, die Raumgestaltung oder aber auch die Einstellungen und Entlassungen von Lehrerinnen und Lehrern abgestimmt. Auch über die Zusammenarbeit mit außerschulischen PartnerInnen und anderen Schulen entscheidet die Vollversammlung.

Zur Vorbereitung der Vollversammlung werden Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen gebildet, die aus VertreterInnen der einzelnen Interessengruppen bestehen, aber grundsätzlich für alle offen sind. Grundsätzlich soll an unseren Schulen ein Subsidiaritätsprinzip gelten, nach dem von Entscheidungen Betroffene über ihre eigenen Belange entscheiden. So sollen zum Beispiel Lerngruppen die Möglichkeit haben, selbst über Lerninhalte und Methoden zu bestimmen. Es hat auch keinen Sinn, das Schülerinnen und Schüler über die Stühle im LehrerInnenzimmer entscheiden.

Zukunftswerkstätten und Open-Space-Phasen bieten eine gute Möglichkeit, alle SchülerInnen an richtungweisenden Entscheidungen zu beteiligen und diese im Sinne aller vorzubereiten. Gerade bei jüngeren Schülerinnen und Schülern sollte auf eine angemessene Betreuung und altersgemäße Beteiligungsmethoden geachtet werden.

Gerade aktive ElternvertreterInnen leisten einen großen Beitrag zu einer funktionierenden Schule. Dennoch sind sie nicht direkt von der Ausgestaltung der Schule betroffen, sondern nehmen eher unterstützend am Schulentwicklungsprozess teil. Deshalb räumen wir Eltern die Möglichkeit einer eindeutigen Votenvergabe zu Anträgen der Vollversammlung ein, damit sie ihre Positionen in die Debatten einbringen können.

Vielfalt als Chance begreifen

Für die GRÜNE JUGEND müssen Akzeptanz und Respekt Grundelemente in jeder Schule bilden. Jede Form der Diskriminierung muss langfristig bekämpft werden. Nur in einem von Akzeptanz und Offenheit geprägten Raum kann sich individuelle Vielfalt entwickeln. Denn diese ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben, von der jeder Einzelne und die Umgebung profitiert. Dieser gesamtgesellschaftliche Vorteil muss in der Schule wertgeschätzt und realisiert werden. Dafür fordern wir die Einführung des Diversity-Konzepts in den Schulen. Dieses beruht auf den Prinzipien der Förderung der unterschiedlichen persönlichen Eigenschaften, deren TrägerInnen oftmals als ‚Randgruppen‘ dargestellt werden. Dadurch sollen sich diese Eigenschaften positiv auf die Bildung und die persönliche Entwicklung aller SchülerInnen auswirken, und das Potenzial der Kreativität für das schulische Umfeld ermöglicht werden. Es geht insbesondere um Aspekte wie Geschlechtsidentität, Behinderung, sexuelle Orientierung sowie kulturellem und sozialen Hintergrund. Traditionell als positiv wie negativ gesehene individuelle Charakteristika müssen in der Schule diskutiert und die aus ihnen resultierende Vielfalt verständlich gemacht werden. Zudem sollen umfangreiche Förderprojekte zur Anti-Diskriminierungsarbeit gefördert und aktiv von den SchülerInnen mitgestaltet werden.

Um Gleichberechtigung und radikale Heterogenität zu erreichen, fordert die GRÜNE JUGEND eine inklusive Schule, in der jedes Individuum nach seinen persönlichen Talenten und Interessen gefördert und bei seinen Schwächen unterstützt wird. Inklusion ist nicht die Integration von bestimmten ‚Randgruppen‘ in die Mehrheitsgruppe, sondern steht gedanklich darüber. Die SchülerInnen sollen nicht nach unterschiedlichen Merkmalen in bestimmte Gruppen unterschieden, sondern als eigenständige Individuen angesehen werden. Jeder Schüler wird mit seinen Besonderheiten und Fähigkeiten angenommen & jede nötige Förderung ermöglicht. Die diskriminierungsfreie Schule, die Diversity ermöglicht und Inklusion lebt, bildet den Überbau der autonomen und demokratischen Basisschule.

Heterogenität schaffen

Wir wollen eine Schule, die offen ist für Alle, in der Heterogenität zum Alltag gehört! In unserer Schule lernen SchülerInnen unterschiedlichster sozialer Milieus und SchülerInnen mit und ohne körperlicher und geistiger Behinderungen gemeinsam. Wir wollen keine Abschiebung von Kindern in Sonder- oder Förderschulen! Jede Schule und jede Kommune muss für eine Infrastruktur sorgen, die es jedem Kind und jedem Jugendlichen ermöglicht, die Schule der eigenen Wahl zu besuchen. Unter dieser Infrastruktur verstehen wir einerseits einen kostenlosen ÖPNV, ebenso wie eine kostenlose, ökologische Ernährung und die Bezahlung von Klassenfahrten für alle SchülerInnen sowie die Einrichtung von Rampen und weiteren behinderten gerechten Einrichtungen an Schulen. Chancengleichheit in der Bildung für alle, durch Abbau aller Barrieren (das umfasst auch Blindenschrift, Leichte Sprache, etc.). Der Unterricht und die Förderung sollte durch ein Team geschehen, das sich durch verschiedenste Qualifikationen gegenseitig ergänzt und so vielseitige Angebote machen kann Nicht nur ausgebildete Lehrer, sondern auch Erzieher, Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Heilerziehungspfleger, Krankenschwestern, Ergotherapeuten, Motopäden, Physiotherapeuten, Handwerker und andere QuereinsteigerInnen sollten, nach pädagogischer Qualifizierung, den Unterricht begleiten, gestalten und im Schulalltag die Schüler unterstützen. Wenn aus medizinischen, (sonder-)pädagogischen und psychologischen Gründen nur eine teilweise Integration in den normalen Unterricht möglich ist, müssen spezielle pädagogische und räumliche Schutzräume zur Verfügung gestellt werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung! Neben der Schaffung einer Infrastruktur liegt die Verantwortung zur Herstellung einer möglichst großen Heterogenität bei der Schule und den Kommunen. Wir halten das Modell eines Sozialschlüssels, beispielsweise, für eine sinnvolle Möglichkeit, zur Schaffung von Vielfalt an Schulen. Als positives Beispiel sehen wir hier das Oberstufenkolleg Bielefeld.

Allgemeinbildend

Bildung definiert sich unserer Ansicht nach nicht durch Bedürfnisse und Wünsche der Wirtschaft. Sie ist Selbstzweck und soll als Ideal von allen gelebt werden – ignoriert aber nicht die Mechanismen in Gesellschaft und Arbeitswelt.

Wir wollen die strikte Unterteilung in Schulfächer abschaffen. So soll zum Beispiel der Schulablauf nicht mehr in Schulstunden wie Deutsch- oder Matheunterricht unterteilt werden, stattdessen sollen mehr individuell betreute und projektorientierte Gruppenarbeit im Vordergrund stehen. Dabei wird der Schwerpunkt nicht mehr auf Faktenwissen, sondern vielmehr auf die Vermittlung von Arbeitsmethoden, Lerntechniken und vor allem eines überblicksartigen Zusammenhangsverständnisses gelegt.

Ziel der Schulen soll die Vermittlung eines fachbereichsübergreifenden Wissensspektrums in den drei Kompetenzbereichen Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften sein.

Unter Naturwissenschaften verstehen wir weit über den klassischen Kanon Mathematik, Physik, Chemie hinausgehend, ganz klar die Vermittlung von praktischen Bezügen z. B. die Anwendung und Funktion eines Computers oder das Zusammenwirken eines Ökosystems. Dabei kann der/die LehrerIn den Zugang je nach Interesse des/der SchülerIn einerseits über biologische als auch über die mathematisch-physikalischen Zusammenhänge schaffen. Geisteswissenschaften beinhalten für uns nicht nur Fremdsprachen, Geschichte und Literaturunterricht sondern auch praxisnahe Fragen wie „Wie wollen wir leben?“, kulturelle Interaktion und kreatives Arbeiten. So sollte das Augenmerk beispielsweise in Musik mehr auf einen Überblick gelegt werden – spezifische Werke können je nach Interesse der SchülerInnen ausgewählt werden. Entscheidet sich ein/eine SchülerIn für die Auseinandersetzung mit einem literarischen Werk, so kann der/die SchülerIn in diesem Zusammenhang auch den geschichtlichen Kontext mit erarbeiten.

Sozialwissenschaften sind für uns nicht nur der sozialwissenschaftliche Kanon wie Politik, Soziologie und Ökonomie sondern auch politische Partizipationsmöglichkeiten, Praktikum in einer Pflegeeinrichtung und das Kennenlernen unterschiedlichster Lebenskonzepte. So kann und soll auch fachbereichsübergreifend gearbeitet werden: Demographische Zusammenhänge in Indien können sowohl unter dem naturwissenschaftlichen-, geisteswissenschaftlichen als auch sozialwissenschaftlichen Aspekt betrachtet werden. Allen drei Bereichen liegt ein reflektierter und vielfältiger Umgang mit den Mutter- und Fremdsprachen zu Grunde. In allen Bereichen sollen sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisnahe Kompetenzen vermittelt werden.

Eine Schülerin, die in die 1. Klasse einer Basisschule eingeschult wird, wird sich vielleicht zu Anfang mit Autospielen beschäftigen wollen. Darauf aufbauend kann ein/eine PädagogIn sie darauf sensibilisieren aus welchen Teilen ein Auto zusammengebaut ist und zudem kann der gesellschaftliche Faktor eines Autos anhand von eigenen Geschichtenerzählen erarbeitet werden. Überleitend kann das Kind anhand dieses Beispiels auch eine Fremdsprache und Aspekte anderer Fachbereiche erlernen.

Die Verantwortung für die Umsetzung dieser Ziele obliegt dem Team vor Ort. PädagogInnen, LehrerInnen und Fachpersonal der Schule sind jede/r SchülerIn zur optimalen und individuellen Förderung verpflichtet. Dabei sind LehrerInnen und PädagogInnen aufgrund ihrer fundierten Ausbildung dafür geschult, ein Auge für die individuellen Bedürfnissen eines/einer SchülerIn zu haben und diese während der gesamten Schulzeit vertrauensvoll zu begleiten. Verantwortung zeigt sich z. B. darin, dass sowohl LehrerIn als auch SchülerIn mit ihrer Unterschrift unter dem Abschlussbericht versichern, gemeinsam optimale Lernwege gesucht und gefunden zu haben. „9 Jahre Bildungspflicht“ meint nicht ausschließlich das Absitzen auf der Basisschulbank. Auch beispielsweise weiterbildende Praktika sehen wir als Bereicherung und gleichwertige Wissensvermittlung wie Projektarbeiten an Schulen. Auch hierbei müssen SchülerInnen individuell beraten werden und eigene Entscheidungen treffen.

Leistungsbewertung

Die GRÜNE JUGEND lehnt eine klassische Leistungsbewertung ab. Ziffernnoten, wie wir sie in der Schule kennen, dienen lediglich der Absicherung der Machtpositionen der LehrerInnen. Zudem vermitteln sie eine scheinbare, objektive Vergleichbarkeit der SchülerInnen. Die GRÜNE JUGEND fordert deshalb die Abschaffung des derzeitigen Notensystems und die Einrichtung von Lernberichten, die die individuellen Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler beschreiben. Die Berichte zum Lernvorgang sieht die GRÜNE JUGEND als das adäquate Instrument der Leistungsbeschreibung unserer Basisschule. Sie erlauben, im Gegensatz zu normierenden Bewertungssystemen, SchülerInnen als Individuen zu würdigen, ihre Leistungen als Bestandteil und Ergebnis eines Entwicklungsprozesses unter verschiedenen Aspekten (dem des individuellen Lernvorgangs, dem des Lernens in der Gruppe und dem der jeweiligen Sache) in den Blick zu nehmen. Die Lernberichte der grünen Basisschule erfüllen mehrere Funktionen. Sie dokumentieren, was die Schülerin oder der Schüler in diesem Lernabschnitt gelernt oder geleistet hat, sie informieren zugleich die Eltern, sie würdigen die Leistung und sie stellen somit ein Mittel und eine besondere Form der Kommunikation zwischen den beteiligten Personen dar. Der/Die AdressatIn der Berichte sollen die SchülerInnen sein. Sie richten sich unmittelbar an der die LernendeN und ist einer altersgerechten Sprache abgefasst. Die Eltern werden also mittelbar informiert.

Die Berichte sind ein wichtiger Bestandteil der gesamten pädagogischen Arbeit der Schule und nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Das heißt, dass diese Berichte nichts wesentlich Neues enthalten, sondern dokumentieren und zusammenfassen, was den SchülerInnen bereits bekannt ist. Sie beschreiben, was und wie sie gearbeitet haben. Sie beschreiben das Kind beziehungsweise dem/ die Jugendliche/n und seine/Ihre Leistungen vor dem Hintergrund seiner/ihrer Entwicklung. Sie beziehen sich auf das, was war und sind auch auf die Zukunft gerichtet. Zudem beschreiben und bewerten sie nicht nur, sondern geben auch Beratung, ‚Unterstützung, Hilfe und Ermutigung. Sie dürfen nie verurteilen, also nichts festschreiben, was das Kind als unabänderlich verstehen muss, z. B. Charaktereigenschaften. Sie beschreiben und würdigen vielmehr einen Lern- und Entwicklungsprozess.

Sie sind Bestandteil und Ergebnis eines kommunikativen Prozesses zwischen LehrerInnen und SchülerInnen und können als solche auch veränderbar sein. Als gutes Beispiel dieser Bewertungsmethodik sehen wir die Laborschule Bielefeld, die dieses unter wissenschaftlicher Betreuung der Universität Bielefeld bereits seit Jahren erfolgreich anwendet. Anstatt auf Abschlusszeugnisse setzt die Basisschule auch hier auf Abschlussberichte, die den gesamten Schulverlauf der SchülerInnen dokumentieren und Stärken herausarbeiten. Die Abschlussberichte geben Auskunft über ein differenziertes und nachvollziehbares Profil der SchülerInnen. Deshalb sieht die GRÜNE JUGEND in diesen auch eine bessere Grundlage für Einstellungen, als herkömmliche Zeugnisse mit intransparenter, subjektiver Notenvergabe.

Diese schriftlichen Lernberichte soll der/die SchülerInnen einmal pro Quartal als Feedback erhalten. Zudem soll der/die SchülerIn ein ständiges, wöchentliches Feedback in mündlicher Form durch den/die FachlehrerIn bekommen. Dies soll die ersten drei Monate zum Übergang auf die Schule verbindlich sein und anschließend als Angebot auf freiwilliger Basis weiterbestehen. Die Selbsteinschätzung der Schülerin / des Schülers reicht meist nicht aus. Ein Feedback durch die LehrerInnen ermöglicht den SchülerInnen das Abgleichen verschiedener Einschätzungen und hilft ihnen Stärken und Schwächen zu erkennen. So werden ihnen konkrete Möglichkeiten eröffnet, diese zu fördern bzw. abzubauen.

Kontrolle und Evaluation

Evaluation und Kontrolle der Schulen sollen klar getrennt werden. Staatliche Kontrolle überprüft regelmäßig, ob gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Entsprechend des Ansatzes, Schulen Autonomie in ihren Entscheidungen zu bieten, wird diese Kontrolle nur Rahmenbedingungen in den Blick nehmen und ist nicht mit den derzeit üblichen, stark hierarchisch organisierten, Reglementierung zu vergleichen. Nur wenn LehrerInnen oder PädagogInnen ihre Verantwortungs- und Fürsorgepflicht massiv vernachlässigen, gibt es staatliche Interventionen. Schulerfolg hingegen wird von wissenschaftlichen Einrichtungen evaluiert. Diese dient der Verbesserung der Lehr- und Lernqualität und darf daher um offene, produktive Arbeit zu ermöglichen in keinem direkten Zusammenhang mit staatlicher Kontrolle stehen. Evaluiert werden sollen nicht nur die vermittelten fachlichen Kompetenzen, sondern das gesamte Spektrum der pädagogischen Arbeit vor Ort.

Dazu gehören z. B. auch Wohlbefinden der SchülerInnen, soziale Kompetenzen, kritische Betrachtungsmethoden und Selbstreflexionsvermögen. Durch einen öffentlichen Bericht über die Evaluationsergebnisse soll sichergestellt werden, dass grundlegende Lerninhalte der Basisschule allen SchülerInnen garantiert sind. Dieser Bericht soll nicht als Ranking dienen und Schulen einem wirtschaftlichen Konkurrenzdruck aussetzen sondern das Einhalten der Bildungsziele der Basisschule sichern. Generell werden schulische Prozesse transparent gemacht.

Lerninhalte

Die GRÜNE JUGEND fordert zur besseren Vergleichbarkeit und zu einer guten Zielbestimmung des autonomen Lernprozesses die Abschaffung von Lehrplänen und die Einführung von bundesweiten Bildungsstandards. Diese sind aber keine Festschreibung von reinem Faktenwissen, sogenannten „Hard Skills“, wie z. B. das Lesen von Effi Briest, sondern sie setzen viel mehr auf die Festschreibung von Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, sogenannten „Soft Skills“ die ein/e SchülerIn nach dem Abschluss der Basisschule haben sollte. Darunter gehören Dinge wie die Fähigkeit einen Text selbstständig zu bearbeiten und mathematische Probleme zu erfassen, genauso wie Rhetorik, Moderation und Teamarbeit.

Bundessache

Bildungspolitik ist nicht länger Ländersache. Der Bund schafft einheitliche Rahmenbedingungen, garantiert die Einhaltung der Bildungsziele und stellt die Mittel zur Verfügung, die Kommunen organisieren die Infrastruktur vor Ort (Gebäude, ÖPNV) und führen Schul- und Stadtplanung zusammen. Ein gutes Bildungssystem benötigt deutlich mehr Mittel als bisher zur Verfügung gestellt werden. Eine radikale Erhöhung des Etats für Bildung ist deshalb zentrale, mit der Einführung des Basisschulsystems verbundene Forderung der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen.

Die studienvorbereitende Schule

JedeR kann auf die studienvorbereitende Schule aufgenommen werden. Die studienvorbereitende Schule soll, wie es der Name schon sagt, auf das Studium vorbereiten. Das heißt für uns nicht in erster Linie Fachkenntnisse zu vermitteln. Das meiste für das Studium relevante Wissen wird im Studium vermittelt. Viel mehr soll die studienvorbereitende Schule, die Fähigkeit studienrelevante Arbeitsmethoden zu erlernen, anhand wissenschaftlicher Gegenstände vermitteln. Sie soll außerdem Praktika beinhalten, damit die SchülerInnen, nicht wie jetzt, nach der Schule bezüglich ihrer beruflichen Zukunft ins eiskalte Wasser geschmissen werden. Ohne Praxiserfahrung ist es kaum möglich zu wissen, wie die tägliche Arbeit tatsächlich abläuft. Ist die Arbeit, die nach dem Studium gefunden wird, dann doch ganz anders ist das Studium nun in Sicht des Betroffenen eine enorme Zeitverschwendung gewesen, bzw. der Betroffene arbeitet letztendlich in einem Bereich, der ihn nicht interessiert, da es für ihn zu spät ist und er nicht ein erneutes Studium aufbringen möchte.

Die studienvorbereitende Schule vernetzt sich mit Universitäten. Das heißt sowohl, das Professoren den Unterrichtsbetrieb besuchen, als auch dass die SchülerInnen, Universitäten besuchen. So wird es den zukünftigen StudentInnen möglich, sich eine Vorstellung von dem Studium zu machen, als auch neue Erfahrungen, außerhalb des Schulalltags zu machen. Genauso soll zwischen SchülerInnen und Wissenschaftler, KünstlerInnen und andere Menschen der Realwirtschaft ein Austausch stattfinden. Zwar sind sie nicht pädagogisch ausgebildet, allerdings sind sie nur zeitweise eingesetzt und ihnen fällt die Aufgabe zu, den SchülerInnen aus Sicht des Fachexperten Wissen zu vermitteln und Fragen bezüglich des Berufes zu beantworten. Im Falle, dass der Fachexperte einen Wissenseinschub leistet, so ist ein Pädagoge dazu aufgefordert, ihn bei der Vermittlung zu beraten.



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