Der Arbeitskampf ist integraler Bestandteil der Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik. Erst das Recht und die Möglichkeit, sich kollektiv zusammenzuschließen und gemeinsam für Interessen zu streiten bietet gerade ArbeitnehmerInnen, die als einzelne gegenüber den ArbeitgeberInnen strukturell unterlegen sind, die Chance, sich mit ihren Interessen auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Aber auch für ArbeitgeberInnen bietet ein kollektiver Zusammenschluss die Möglichkeit im Verbund die eigenen Interessen besser durchzusetzen und gleichzeitig ausgewogene Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sicher zustellen.
Die konservativ-neoliberale Bundesregierung sowie die Folgewirkungen der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise lassen eine drastische Verschärfung des sozialen Klimas und der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen befürchten.
Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland die Regelung des Arbeitskampfes bislang weitestgehend dem Bundesarbeitsgericht (BAG), also dem Richterrecht, überlassen worden ist. Mit Ausnahme von Art. 9 III GG („individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit“) und dem Tarifvertragsgesetz (TVG) hat der dafür demokratisch legitimierte Gesetzgeber keine Regelungen zum Arbeitskampf getroffen.
Das geltende Arbeitskampfrecht besteht in Deutschland daher im Wesentlichen aus Urteilen des BAG, die größtenteils aus den 80iger Jahren stammen. Dieses Arbeitskampfrecht ist heute nicht mehr zeitgemäß, falls es das überhaupt jemals war. Die GRÜNE JUGEND fordert daher eine Novellierung des Arbeitskampfrechts durch den Gesetzgeber.
Zulassung nicht gewerkschaftlich getragener Streiks
Das BAG deklariert Streiks, die nicht von Gewerkschaften getragen oder nachträglich übernommen werden, als illegal. Die Streikenden werden damit schadensersatzpflichtig, was die Durchführung eines Streiks faktisch unmöglich macht. Eine solche Regelung ist in Zeiten eines schwindenden gewerkschaftlichen Organistionsgrades ein empfindlicher Eingriff in das im Grundgesetz und in der europäischen Sozialcharta niedergelegte Streikrecht. Natürlich ist es wünschenswert, dass ArbeitnehmerInnen sich gewerkschaftlich organisieren. In Branchen wie dem Raumpflege- oder dem Friseurgewerbe, wo teilweise der Arbeitslohn unterhalb des Hartz-IV-Satzes liegt, ist jedoch das Argument, die finanziellen Hürden für einen Gewerkschaftsbeitritt seien zu hoch, nachvollziehbar und darf sich nicht negativ auf das Streikrecht auswirken. Auch gibt es mittlerweile Gegenden in Deutschland, wo die hauptamtliche Gewerkschaftsarbeit faktisch nicht existent ist, so dass ein Gewerkschaftsbeitritt dadurch massiv erschwert wird, dass es keine festen AnsprechpartnerInnen vor Ort gibt. Auch dort muss aber das Streikrecht bestehen.
Außerdem drängen verstärkt so genannte „Gelbe Gewerkschaften“ auf den Markt, also Gewerkschaften, deren Hauptanliegen ist, die Interessen der Arbeitgeber zu sichern und die von den Arbeitgebern gesteuert werden. In Branchen, in denen solche Gewerkschaften dominieren, würde es auf ein faktisches Streikverbot hinauslaufen, wenn nur ein gewerkschaftlich getragener Streik rechtmäßig wäre. Schließlich sind Konstellationen denkbar, in denen die Gewerkschaftsführung in Bezug auf einen Arbeitskampf eine andere Politik verfolgt als die Mehrzahl der Beschäftigten eines Betriebes. In diesen Fällen verstieße es gegen das Demokratieprinzip, die Entscheidung über einen Streik ausschließlich in die Hände der GewerkschafterInnen zu legen.
Die GRÜNE JUGEND fordert deshalb, generell auch Streiks zuzulassen, die nicht von einer Gewerkschaft getragen sind und diese nicht länger mit Schadensersatzforderungen zu bedrohen.
Solidaritätsstreiks zulassen
In Zeiten global agierender Konzerne, die immer wieder die Standortkonkurrenz in verschiedenen Ländern gegeneinander ausspielen, wird internationale Solidarität unter ArbeitnehmerInnen immer bedeutsamer. Aber auch innerhalb Deutschlands macht Konzern- und Standortpolitik von Unternehmen nicht an den Grenzen der Tarifbezirke Halt. Entscheidungen in einem Tarifbezirk haben Auswirkungen auf viele andere Tarifbezirke. Unternehmerische und tarifvertragliche Entscheidungen in einer Branche haben Auswirkungen auf andere Branchen, mit denen sie über Zuliefer- und andere Geschäftbeziehungen verknüpft sind. Trotzdem ist das Recht zu streiken stets auf den unmittelbar umkämpften Tarifbezirk und die unmittelbar betroffene Branche beschränkt. Lediglich in absoluten Ausnahmefällen erklärte das BAG bislang sogenannte Solidaritätsstreiks für rechtmäßig. Diesen Zustand wollen wir beenden. Wer durch Arbeitskämpfe faktisch betroffen ist, muss auch das Recht haben, sich in diese einzumischen. Wer Solidarität mit KollegInnen zeigt, ohne unmittelbar zu profitieren,darf nicht mit Schadensersatzforderungen bedroht werden.
Die GRÜNE JUGEN fordert, Solidaritätsstreiks auch außerhalb des unmittelbar umkämpften Tarifbezirks zuzulassen.
Kalte Aussperrung verbieten
Die „kalte Aussperrung“ ist vom BAG als rechtmäßig anerkannt. Dabei werden ArbeitnehmerInnen unter völligem Wegfall ihrer Lohnansprüche in Bereichen ausgesperrt, die lediglich mittelbar von einem Arbeitskampf betroffen sind (weil z. B. ein Zulieferbetrieb bestreikt wird). Die kalte Aussperrung hat zur Folge, dass weder Lohn, noch Streik- oder Arbeitslosengeld gezahlt wird. Die betroffenen ArbeitnehmerInnen erhalten überhaupt kein Geld. Dieses Kampfmittel verschiebt die Belastungen eines Arbeitskampfes in völlig unverhältnismäßiger Weise zu Lasten der ArbeitnehmerInnen.
In Zeiten globaler Vernetzung und zunehmender Flexibilität von Arbeitszeitkonten haben Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, auf den kurzfristigen Ausfall eines Zulieferbetriebes zu reagieren, ohne dabei die kalte Aussperrung anwenden zu müssen. Wir fordern daher ein Verbot der kalten Aussperrung.
Politische Streiks zulassen
Das geltende Arbeitsrecht in Deutschland gestattet Streiks ausschließlich zur Durchsetzung tariflich regelbarer Ziele. Unternehmerische Entscheidungen dürfen daher ebenso wenig durch Streiks beeinflusst werden wie politische Entscheidungsprozesse oder gesellschaftliche Entwicklungen. Allerdings haben unternehmerische Entscheidungen faktisch oft massiven Einfluss auf die Arbeitssituation von ArbeitnehmerInnen. Auch politische Entscheidungen betreffen ArbeitnehmerInnen oft unmittelbar. In der Geschichte zeigt sich, dass politische Streiks stets ein Mittel zur Durchsetzung gesellschaftlichen Fortschritts waren. Der Generalstreik gegen den Kapp-Putsch in Deutschland 1920, der Generalstreik in Frankreich 1968 oder auch die Streikbemühungen gegen den Militärputsch in Honduras 2009 sind nur einige Beispiele dafür. Wenn beispielsweise die ArbeitnehmerInnen eines deutschen Bekleidungsgeschäfts in einen Streik treten, um bessere Arbeitsbedingungen in den zuliefernden Sweatshops in Südostasien zu erreichen, so wäre dieser Streik illegal. Wenn ArbeitnehmerInnen versuchen würden, sich gegen eine Einschränkung des Kündigungsschutzes durch die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht nur durch Demonstrationen, sondern auch mit einem Streik zu wehren, wäre das illegal. Wenn Lkw-Fahrer, die Brennstäbe an AKWs liefern, aus Protest gegen eine Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten streiken würden und sich weigern würden, diese zu beliefern, so wäre das illegal. Und es wäre auch illegal, wenn MitarbeiterInnen der Bahn versuchen würden, die geplante Privatisierung ihres Konzerns durch einen Streik zu bekämpfen.
Diese Beispiele verdeutlichen: Politische Streiks sind angesichts der kommenden sozialen und politischen Herausforderungen ein wichtiges Mittel als Ergänzung der übrigen demokratischen Protestformen. Die GRÜNE JUGEND fordert die Legalisierung politischer Streiks.