Da RTL mir eine Nacht in Berlin finanziert hatte, ging es für mich schon am Donnerstag vor der Wahl los, obwohl RTL eigentlich wollte, dass es so wirkt, als wenn ich gestresst auf dem Bahnhof kurz vor Beginn ankomme. (Ganz wichtig, ich musste mich unbedingt auf der Zugtoilette umziehen, damit ich auch gestresst wirke – hierzu gab es interessante Theorien von den Menschen am Bahnhof, warum ich beim umziehen gefilmt wurde). Nachdem der Kameramann schon fast verzweifelt war, weil ich sehr hibbelig war und nicht still stehen konnte, waren wir dann endlich fertig. Bei mir blieb nur die Hoffnung, dass sie in ihrer Reportage nicht das kleine, naive Mädchen vom Lande aus mir machen würden, denn das war deren ursprüngliches Konzept. Aber zur Enttäuschung von RTL hab ich keine Tokio Hotel Poster mehr auftreiben können und ein Pony oder ein Pferd hab ich leider auch nicht ;-).
Am nächsten Tag, den Freitag, hab ich erstmal Nina, eine sehr liebe Freundin aus dem Wendland, die mich das ganze Wochenende ertragen musste(wenn ich nervös bin, kann ich leider auch nicht still stehen), abgeholt und dann haben wir zusammen Berlin unsicher gemacht, bis unsere Füße uns schließlich nicht mehr tragen wollten und ich zurück ins Hotel musste, um mich umzuziehen, denn gegen 6 musste ich im Reichstag im Fraktionsraum der Grünen sein.
Hier hab ich erstmal meine Wahlunterlagen erhalten und die Wahlfrauen und -männer, die von den Länderparlamenten geschickt wurden, wurden von den Fraktionsvorsitzenden der jeweiligen Landtagsfraktion vorgestellt. Die vier niedersächsischen Wahlfrauen und -männer wurden von Stefan Wenzel vorgestellt. Zu ihnen gehörten Michael Fuder, Steffi Lemke, Stefan Wenzel selbst und ich. Nach einigen Reden, in denen noch mehrfach betont wurde Horst Köhler nicht zu wählen, nur weil man noch rechtzeitig das Fußballspiel ansehen wolle, kam dann auch schon Gesine Schwan, die viel Applaus und ein Geburtstagsständchen bekam. In ihrer Rede, auf die eine sehr spannende Diskussion folgte, ging sie vor allem auf eine Äußerung von ihr ein, in der sie gesagt hatte, die DDR wäre kein Unrechtsstaat gewesen.
Am nächsten Tag ging es schließlich wieder zum Bundestag, aber bevor es in den Plenarsaal ging, mussten wir erstmal zum Zählappell, um sicherzugehen, dass auch wirklich alle da waren. Und dann ging es auch schon los. Ich saß weiter hinten und direkt auf der Grenze zur CDU. Der CDU-Mann neben mir war ein älterer Europaabgeordneter, der mir anfangs gleich erstmal seine Wahlwerbung aufdrücken wollte. Ich habe dankend abgelehnt, weil ich schon ganz sicher weiß, dass ich am 7. Juni nicht die CDU wählen werde. Dann kam auch schon der Bundestagspräsident, Herr Dr. Lammert herein und begrüßte uns zu dieser besonderen Veranstaltung an einem so symbolischen Tag (60. Geburtstag vom Grundgesetz). Dann folgten ein paar Anträge zur Geschäftsordnung, anfangs einer, der verhinderte, dass NPD oder DVU-Abgeordnete vorm deutschen Bundestag sprechen durfte (in dem Geschäftsordnungsanträge auf dieser Versammlung nur schriftlich und nicht mündlich erfolgen konnten). Der Antrag der NPD, nämlich das sich ihr Kandidat (der richtig gruselig und irgendwie auch albern in einer Tracht erschienen war) vorstellen dürfe, war wie sich anschließend herausstellte ohnehin nicht verfassungskonform.
Danach ging es schon los mit der Wahl, was für mich hieß, dass ich sehr lange warten musste, denn um das Ganze etwas geordneter ablaufen zu lassen, wurden alle Namen in alphabetischer Reihenfolge vorgelesen und ich war erst bei T dran. Als ich endlich dran war, hieß es erstmal Schlange stehen, zwischen Abgeordneten und Ministern. Dann hab ich meinen blauen Wahlausweis vorzeigen müssen und bekam meinen Wahlzettel und Umschlag und ging dann in eine freie Wahlkabine, um mein Kreuz zu machen. Danach ging’s wieder in den Plenarsaal, um den Wahlzettel in die Urne zu werfen. Nach dem erstem Wahlgang – Auszählungspause. Endlich, dachte ich, weil ich inzwischen Hunger und Durst hatte. Aber denkste, was zu Essen gab es erst nach der Wahl und so musste ich mit der Schokolade vorlieb nehmen, die ich zum Glück in meiner Handtasche hatte. Trotz des leeren Magens hoffte ich natürlich auf einen zweiten Wahlgang. Aber leider wurde daraus ja nichts. Um zwei sollten wir dann schließlich wieder im Plenarsaal sein und per Flüsterpost erfuhr man das Ergebnis, was durch das Hereinkommen der Musiker bestätigt wurde.
Dieses Ergebnis war für die CDU, die sich auch noch direkt neben mir befand schon ein Grund zum Feiern, obwohl ja eigentlich noch niemand das Ergebnis offiziell verkündet hatte. Unten im Plenarsaal ging das Gerücht herum, Köhler wäre noch gar nicht da, weil er mit einem zweiten Wahlgang gerechnet hatte und deswegen müssten wir noch warten. Köhler schien den Weg zum Bundestag dann doch gefunden zu haben, denn nach etlichen Minuten des Wartens traf auch der Bundestagspräsident ein. Das Ergebnis wurde verkündet und Köhler hielt eine Rede. Das war meiner Meinung nach keine besondere Rede – es war eben so ne typische Köhler Rede. Und dann wurde natürlich noch die Nationalhymne gesungen.
Dann endlich konnte ich was essen und was trinken. Das Essen war wirklich gut und nicht nur weil wir schon total ausgehungert waren.
Nach der Wahl hatte ich dann noch ein kurzes telefonisches Interview mit Spiegel Online. Es war schon krass wie viele bekannte Leute da in so kurzer Zeit an einem vorbei gehen. Als es sich dann leerte sind wir schließlich auch gegangen und schon kurz nach verlassen des Reichstagsgebäudes, hielt uns nichts mehr auf den hohen Schuhen und so machten wir uns barfuss zurück auf den Weg ins Hotel, um dann auch bald den Zug nach Hause zu nehmen, wo wir noch mitten in der Nacht einen ausführlichen Bericht an unsere Eltern liefern mussten.
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Hier findest Du weitere Berichte über Ronja in der Bundesversammlung:
Ronja im Spiegel
Ronja auf Welt.de
www.landeszeitung.de/lokales/landkreis/news/artikel/junge-stimme-fuers-hoechste-amt/ [Ronja auf Landeszeitung.com]
Ronja bei MV-Online.de
Video von Ronja bei Stern-tv