Auf den vorigen Seiten haben wir Sie über Möglichkeiten informiert, Weihnachten mit fairer Kleidung, sauberem Strom sowie vegetarisch – kurz: grün – zu begehen. Doch nicht Wenige stehen dem Fest der Liebe aus Überzeugung ablehnend gegenüber, versuchen dem weihnachtlichen Rummel zu entfliehen. Und dabei handelt es sich bei weitem nicht nur um Atheisten oder Andersgläubige, die sich am christlichen Charakter des Festes stören.
Die Kritikpunkte sind zahlreich wie vielfältig. So wird etwa die kommerzielle Einfärbung der Feiertage bemängelt. Schon im Herbst gab es in jedem Supermarkt das unvermeidliche Weihnachtsgebäck, seit Wochen sind die Auslagen von Geschäften aller Couleur voll mit Geschenken. Der Einkaufswahn sorgt für eine Woche für Woche chronisch verstopfte Göttinger Innenstadt, im Weihnachtsgeschäft generieren viele Einzelhändler einen bedeutenden Teil ihres Jahresumsatzes. Der „Wert“ von Geschenken wird – zumindest unterbewusst – viel zu oft am Kaufpreis gemessen, Bekommenes mit Gegebenem verglichen.
Verlogenheit und heuchlerische Gefühlsduselei – ein weiterer häufiger Vorwurf. So sind die gewöhnlich ausgestorbenen Kirchen am heiligen Abend meist rappelvoll. Voll mit Menschen, die einmal im Jahr ihre Religiosität wieder zu entdecken meinen. Bei der anschließenden Bescherung ist mensch peinlichst auf Harmonie und Besinnlichkeit bedacht – wehe dem Menschen, welcher der Eintracht mit einem unbedachten Satz ein Ende macht und den in vielen Familien traditionellen Weihnachtszwist vom Zaun bricht.
Aus emanzipatorischer Sicht ist der Rückfall in die klassischen Rollenbilder der Geschlechter anzuprangern. Wie selbstverständlich steht die Mutter/Partnerin in den allermeisten Familien zur Weihnachtszeit hinter dem Herd und an der Spüle. Auch die Beseitigung von Spuren der Bescherung (Geschenkpapierreste, Kerzenwachs auf dem Fußboden u.s.w.) obliegt den Frauen. Die Beschaffung des Christbaums übernehmen dagegen die Herren der Schöpfung. Schlagen/shoppen sie ein besonders großes und prachtvolles Exemplar, sind ihnen die bewundernden Blicke von Weib und Nachwuchs gewiss. Die Steinzeit lässt grüßen.
Trotz alledem: Jenseits der grell beleuchteten Einkaufsmeilen und des ausufernden Konsums geht vom Weihnachtsfest unbestritten ein gewisser Zauber aus. Bei der Bescherung sind die Kleinen die Größten, stehen endlich einmal im Mittelpunkt. Leuchtende Kinderaugen sind für die Eltern – an die eigene Kindheit erinnert – oft das schönste Geschenk – dagegen verblassen auch die neusten und hochpreisigsten Elektronikartikel. Im engen Kreis der Familie lassen sich alte Feindschaften begraben und ein Neuanfang versuchen. Und nicht zuletzt: Selten sonst hat mensch die Möglichkeit, den Liebsten so einfach zu zeigen, wie wichtig sie einer/m sind. Schade bloß, dass es für all das einen besonderen Anlass braucht.