Nur noch wenige Tage bis Weihnachten, dem christlichen Fest der Liebe. Doch nicht für alle Kinder ist Weihnachten das Fest der Freude. In den ärmeren Ländern der Erde werden Minderjährige für die Geschenke der Wohlstandskinder als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Ein Artikel von Sven-Christian Kindler.
Die ganze City ist voll. Es herrscht eine gestresste und rastlose Atmosphäre. Überall gehetzte Menschen, die schnellen Schrittes durch die Shopping-Gassen und Konsumtempel eilen, um jetzt auf die Schnelle noch ein Präsent zu besorgen. In wenigen Tagen ist das große Fest und noch immer kein Geschenk. Da muss es jetzt fix gehen. Denn die Einkaufsliste für die lieben Kleinen kann lang ausfallen: Ein neue Fußball, ein paar niedliche Silberohrringe, die schicke Markenjeans oder die mega-coolen Sneaker, die jetzt alle in der Schule haben. Mensch will ja – sofern es der Geldbeutel zulässt – nicht als geizig gelten und außerdem freuen sich die Kinder ja darüber. Die – hoffentlich – glücklichen Kinderaugen beim neugierigen Aufreißen des Geschenkpapiers am Weihnachtsabend, werden für den ganzen Shopping-Stress und die klaffende Lücke im Portemonnaie entschädigen.
Kinderarbeitsplatz
Doch wie glücklich sind die Blicke der Arbeiterinnen – überwiegend sind es Frauen -, die all die Geschenke mit ihren bloßen Händen herstellen? Die Arbeiterinnen, die auch an Weihnachten nicht frei kriegen? Die Arbeiterinnen, die sich für die Konsumprodukte der westlichen Welt kaputt schuften ? Von einem halbwegs geregelten Arbeitsalltag, mit Pausenzeiten, mit Mindeststandards für Gesundheit und Sicherheit, einem anständigen Lohn, einer 40-Stunden Woche und bezahltem Urlaub, können die meisten Arbeitskräfte weltweit nur träumen. Die Realität in den so genannten „Billiglohn-Ländern“ in Südostasien oder Südamerika ist erschreckend grausam. Es herrschen Zustände, wie zu Zeiten des Manchester-Kapitalismus in Europa: 12-16 Stunden-Tage, 6 Tage die Woche, dazu unbezahlte Überstunden, kaum Pausen, Verbot von Gewerkschaften und ein Lohn, der gerade das Überleben, nicht das Leben, sichert. Die Eltern in diesen armen Ländern können mit ihrem geringen Gehalt nicht immer ihre ganze Familie ernähren, so dass auch die Kinder gezwungen sind mitzuhelfen. Statt zur Schule geht es jeden Morgen in das Bergwerk, aufs Feld oder in die Fabrik. In den outgesourcten Werkbänken der Industriestaaten bauen die Kinder dann PCs zusammen, ernten Kakao für die Schokoladenweihnachtsmänner oder nähen sich an Fußbällen die Finger wund.
Razia, 13 Jahre, aus Sialkot in Pakistan näht Fußbälle zusammen. Zwei Fußbälle an einem 10-Stunden Tag. Dafür erhält Sie circa 1 Euro. „Oft tun mir der Rücken und die Knie weh, weil ich den Ball zwischen die Knie klemmen muss. Manchmal habe ich auch Blasen an den Händen und Kopfschmerzen. Es ist hart, nach Hause zu gehen und gleich zu nähen, aber wir sind arm und können nur so überleben. Ich würde gerne eine gute Schule besuchen, aber das ist zu teuer. Später will ich Lehrerin werden.“ (Quelle: www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/)
Die International Labour Organization (ILO) geht in ihrem Report von 2006 dass weltweit 218 Millionen Kinder arbeiten müssen. 126 Millionen verrichten „gefährliche Arbeit“, die ihrer Natur nach schädlich für die Sicherheit, die körperliche oder seelische Gesundheit und die sittliche Entwicklung des Kindes sind. Das können Ausbeutungsverhältnisse in Steinbrüchen, Bergwerken, Chemiefabriken oder in der Prostitution sein. Die ILO sah in ihrem Report trotzdem einen Hoffnungsschimmer. Laut ihren Erhebungen sei die Zahl der Kinderarbeiterinnen seit dem Jahr 2000 gesunken. Menschenrechtsorganisationen wie Terre des Hommes bezweifeln jedoch diese Ergebnisse und können keinen positiven Trend erkennen.
Ob die Zahl der Kinderarbeiterinnen sich langsam verringert oder doch ansteigt, ist nicht klar belegbar. Klar ist jedoch: 218 Millionen Kinderarbeiterinnen weltweit, größtenteils in ausbeuterischen Tätigkeiten, sind ein riesiger Skandal sind, für den es keine Entschuldigung geben kann.
Der Staat und die Wirtschaft müssen Verantwortung zeigen!
Um diesen Skandal effektiv zu bekämpfen, sind vor allem die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Obwohl Kinderarbeit weltweit geächtet ist, schert es viele multinationale Firmen nicht, wer für sie die Drecksarbeit erledigt. Sowohl bei der Herstellung eigener Erzeugnisse als auch beim Einkauf bei skrupellosen Lieferanten für Vorprodukte, lassen viele große Firmen jegliche soziale Verantwortung vermissen.
Jeder, aber auch wirklich jeder, Konzern müsste die Kernarbeitsnormen der ILO ratifizieren, umsetzen und auch unabhängig von Nicht-Regierungsorganisationen kontrollieren lassen. Klar, dass gewinnorientierte Unternehmen kein besonders großes Interesse daran haben, auf kostengünstige, willige Arbeitskräfte zu verzichten. Deshalb müssen hier staatliche Organe und die VerbraucherInnen eingreifen. Ein Anfang wäre es, wenn die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union, die sich sozialen Arbeitsschutzrechten und der Bekämpfung der Kinderarbeit verpflichtet haben, keine öffentlichen Aufträge mehr an Unternehmen vergeben würden, die nicht die Kernarbeitsnormen der ILO vollständig umgesetzt haben. Kein Steuergeld mehr für Ausbeuterfirmen! Bei dem Volumen an öffentlichen Investitionen wäre das für manche Unternehmen ein entscheidender Umsatzeinbruch.
Wir können was fair_ändern!
Doch der Staat alleine kann es auch nicht richten, auch wir als KonsumentInnen sind hier in der Verantwortung: Bei vielen Produkten, wie Kleidung, Turnschuhen, Lebensmitteln, Kinderspielzeug oder auch Fußbällen gibt es faire Alternativen, die mensch in Eine-Welt-Läden, aber auch Supermärkten und Kaufhäusern finden kann. Aber nicht nur fair konsumieren, auch protestieren hilft. Wir können Email und Briefe an die Vorstandsvorsitzenden der Multis schreiben und ihnen klar machen: „So nicht, meine lieben CEOs! Ich gebe keinen müden Cent mehr für Ausbeuter! Ändern Sie ihre Firmenpolitik, übernehmen Sie endlich Verantwortung oder Sie haben einen Kunden weniger.“ Wir können uns auch in sozialen Organisationen organisieren, Protestmärsche auf die Beine stellen oder mal im Eine-Welt-Laden aushelfen. Alleine sind wir schwach, aber wenn jeder einzelne von uns nur etwas Verantwortung als Konsument, Aktivist und Wähler übernimmt, sind wir wer. Dann sind wir, die kritische Masse, mächtig und die Firmenchefs werden sich zweimal überlegen, ob die geringen Arbeitskosten es wert sind, dafür schlechte PR und Kundenabwanderung zu riskieren.
Kinder weltweit wünschen sich eine sorgenfreie, unbeschwerte und glückliche Kindheit. Wir Erwachsene haben es in der Hand diesem Wunsch durch ein fair_schenken ein klein bisschen nachzukommen. Damit nicht nur die Kinder in Deutschland glückliche Festtage erleben können.
Sven-Christian Kindler, 21, ist Schatzmeister der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen und trinkt am liebsten fair gehandelten Kakao und Tee.