Beschluss der Landesmitgliederversammlung der GJN in Hildesheim zum Thema Anti-Hakenkreuz
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht in der am 29.9.06 erfolgten Verurteilung eines Anti-Nazi-Symbol-Versandhauses durch das Landgericht Stuttgart wegen „gewerbsmäßiger Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ eine massive Rechtsbeugung.
Das Urteil muss vom Bundesgerichtshof aufgehoben werden. Falls dies nicht so erfolgt, bedarf es einer Klarstellung des GesetzgeberInnenwillens im einschlägigen Strafparagrafen, nach dem der Einsatz solcher Symbole nur in einer auf die Wiederbelebung der Symbolkraft gerichteten Willensrichtung verboten sein kann. Der angeblich verletzte § 86a Strafgesetzbuch bestraft „die abstrakte Gefahr einer inhaltlichen Identifizierung mit dem Bedeutungsgehalt symbolträchtiger Kennzeichen, deren (…) Verwendung den Anschein erwecken könnte, verfassungswidrige Organisationen könnten trotz ihres Verbots ungehindert ihre Wiederbelebung betreiben.“(1) Dieser Eindruck wird mitnichten von Leuten erweckt, die gegen diese Bestrebungen demonstrieren. Somit fällt die Verwendung beispielsweise des durchgestrichenen Hakenkreuzes nicht mal unter den Straftatbestand. Selbst wenn dieser Ansicht gefolgt würde, ist das Argument des Gerichts, solche Symbole sollten grundsätzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung herausgehalten werden eine unzulässige Rechtsausdehnung. Gegen eine solche Tabuisierung spricht schon, dass umfangreiche Ausnahmen gelten. So dürfen die Symbole gemäß § 86 Abs. 3 Strafgesetzbuch, auf den der Paragraf verweist, für die staatsbürgerliche Aufklärung, die Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, für Kunst, Wissenschaft, Forschung oder Lehre sowie für angemessene Berichterstattung verwendet werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang überdies entschieden, dass eine satirische Darstellung (Hitler mit Hakenkreuzbinde auf einem T-Shirt) unter die Kunstfreiheit fällt. Zudem hatte selbst die FIFA bei der Fußballweltmeisterschaft ihre Warnhinweise mit dem durchgestrichenen Hakenkreuz versehen ohne dass es Aufruhr seitens der Behörden gab. Außerdem verpflichtet das Grundgesetz u. a. die Bürgerinnen und Bürger zur Zurückweisung aller faschistischen und neofaschistischen Ansätze. Das geht nicht nur aus Artikel 139 Grundgesetz hervor, der die Gültigkeit der entsprechenden alliierten Nachkriegsgesetze zur Befreiung von Faschismus und Militarismus bestätigt, sondern aus dem gesamten Geist der demokratischen Grundrechte, wie z. B. auch des Diskriminierungsverbotes und des Verbots eines Angriffkrieges. Wer immer, mit welchen gewaltfreien Mitteln auch immer sich gegen Nazis, Holocaustleugnung und faschistisches Gedankengut wendet, handelt im Sinne des Grundgesetzes und verteidigt es. Das Landgericht Stuttgart stellt den Inhalt des Grundgesetzes und das gesamte Rechtstaatsprinzip auf den Kopf. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen betrachtet das Urteil in der aktuellen Lage als einen Schlag ins Gesicht einer couragierten Bewegung gegen den aufflammenden Rechtsruck in der Gesellschaft. Es ist schon schlimm genug, dass es in vielen Gegenden regelrecht Mut braucht, sich zum antifaschistischen Auftrag des Grundgesetzes und zum Widerstand gegen NeofaschistInnen zu bekennen, weil man dort leicht Gefahr läuft, von NeofaschistInnen zu Tode geprügelt zu werden. Unerträglich wird es, wenn solcher Mut oder auch nur die Zivilcourage zum antifaschistischen Bekenntnis zur strafbaren Handlung erklärt werden. Ein Staat, der über solche StaatsanwältInnen, RichterInnen und Behörden verfügt, braucht sich um andere Gefahren für die Demokratie keine Sorgen mehr zu machen.
Dass es auch anders geht, haben andere RichterInnen in Verfahren um dieselbe Sache gezeigt: So wurde die Verurteilung eines Tübinger Studenten wegen eines durchgestrichenen Hakenkreuzes vom Landgericht Tübingen wieder aufgehoben und das Verfahren der Staatsanwaltschaft Stade gegen die Verwendung desselben Symbols auf Plakaten durch die GRÜNE JUGEND Stade eingestellt.
Wer das Dagegensein verbietet, verabschiedet sich von der Demokratie!
(1) Tröndle/Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 86a Randnummer 1.