Zu Beginn des neuen Jahrtausends ist unsere Welt nicht sehr sicher: Armut, Hunger, Krankheiten, Kriege und Terrorismus, staatliche Unterdrückung aber auch Umweltkatastrophen bedrohen täglich das Leben von Millionen. Menschen sterben, verlieren ihre Angehörigen, ihr Zuhause oder auch nur den Mut mit Freude weiterzuleben. Das ist furchtbar. Aber: War das nicht schon immer so? Können wir überhaupt etwas daran ändern? Haben wir nicht schon alles versucht?
Eigentlich müsste unsere Welt sicher sein
Nach Ende des Kalten Krieges waren sich die meisten WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und sonstige Wissende einig: Die lausigen Zeiten des Elends und der Unsicherheit sind für die Menschen vorbei. Francis Fukuyama erklärte 1992 nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme sei die Menschheit am Ende der politischen Entwicklung angekommen: Liberale Demokratien mit einer freien Marktwirtschaft markierten das Nonplusultra dessen, was die Menschheit an Freiheit und damit Schutz vor Unterdrückung erreichen könne.
Mit diesem „Ende der Geschichte“ sollte auch die Kriegsgefahr für immer gebannt sein: Nach Überwindung der nationalstaatlichen Kriege Europas und der ideologischen Blockkonfrontation seien diese im neuen politischen Universalismus unnötig. Für Notfälle gab es ja immer noch die VN-Charta, die Angriffskriege ein für alle mal verbot! Sogar etwaige Bedenken unser Planet sei einfach nicht in der Lage eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, konnten zerstreut werden: VN-ExpertInnen rechneten vor, dass theoretisch 12 Milliarden Menschen sicher vor Hunger und Elend auf dieser Erde leben können. Wohlstand und Sicherheit für alle – der globalisierte Kapitalismus als SiegerIn des Ost-West-Konflikts macht’s möglich?
Bei Konfrontation dieser Aussagen mit oben geschilderten Wirklichkeit, scheint die derzeitige „Unsicherheit“ geradezu schicksalhaft zu sein – warum sonst geht’s der Welt so schlecht?
Warum sind wir trotzdem nicht sicher?
Die Antwort auf diese Frage ist so hart wie einfach: Weil wir es so wollen. Die Ursachen für Elend und Ungerechtigkeit sind menschengemacht und können nur vom Menschen beseitigt werden. Fukuyama vergaß bei seiner Analyse, dass zu einer freien und sicheren Welt mehr gehört als parlamentarische Demokratien und freie Marktwirtschaft in den USA, Europa und Japan, das VN-Angriffskriegsverbot scheint spätestens seit dem Kosovo-Krieg nicht mehr für alle Staaten zu gelten und der globale Kapitalismus ist eben nicht die Antwort auf das Wohlstandsdilemma, sondern Teil des Problems. Nur so macht die Berechnung der VN-ExpertInnen Sinn!
Tatsächlich sind es das Konsummodell des Westens, das einfach nicht für eine unbegrenzte Anzahl von Menschen funktionieren kann und die Zügellosigkeit der globalisierten Weltwirtschaft, die für die weltweite „Unsicherheit“ verantwortlich sind. Die grüne Bewegung erkannte schon vor fast drei Jahrzehnten, dass es ökologische Grenzen des Wachstums gibt und Kapitalismus ohne staatliche Regeln wurde den Menschen schon im vorvorherigen Jahrhundert zum Verhängnis. Unser Wohlstand entsteht auf Kosten anderer und der Natur – globale Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung machen uns und andere unsicher!
Wir machen die Welt sicher!
Was ist zu tun, da die Politik „machtlos“ erscheint, selbst eine rot-grüne Regierung Sicherheitspolitik mit sinnlosen MEADS-Raketenkäufen und „am Hindukusch“ betrieb und wir trotz unserer Globalisierungsgewinne als „Exportweltmeister“ nicht einmal die seit Jahrzehnten versprochenen 0,7 % unseres Sozialproduktes für Entwicklungshilfe und damit „Sicherheitshilfe“ ausgeben?
Wir müssen uns ändern und für einen gesellschaftlichen Wandel kämpfen. Da bei Fragen der globalen Sicherheit die nationalstaatliche Politik zu versagen scheint, ist eine internationale Zivilgesellschaft als weitere AkteurIn gefragt: Wir, die Weltbevölkerung könnten uns folgende vier Aufgaben zum Ziel setzen:
1. Wir nehmen die weltweite Protestbewegung vor dem letzten Golfkrieg als Zeichen der Hoffnung, dass unter den Menschen dieser Erde der Wille zu einer friedlicheren Welt vorhanden ist. Am 15. Februar 2003 protestierten Millionen Menschen gegen die Kriegspolitik der USA und Großbritanniens und machten deutlich, dass hier Regierungshandeln nichts mit dem Ausführen des Bevölkerungswillens zu tun hatte. Mit Widerstand gegen falsche Politik zeigen wir Verantwortlichkeiten auf und widersprechen gängigen Ausflüchten, warum gerade unser Land, gerade in dieser Situation nicht tun kann, was zu einer sichereren Welt für alle beiträgt.
2. Wir gestalten „Weltinnenpolitik“ und leiten so einen Perspektivwechsel in der Außenpolitik unserer Nationalstaaten ein. Im Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz, der den Menschenrechten zu Grunde liegt, muss endlich allen Bedrohungen menschlicher Sicherheit die gleiche Bedeutung zu kommen. Nicht nur die Bedürfnisse der EinwohnerInnen der Industriestaaten dürfen die internationale Agenda beeinflussen, nicht nur Kriege und Terrorismus als Bedrohungen der Sicherheit wahrgenommen werden. Wir wirken an einer Weltinnenpolitik mit, indem wir in alle unsere politischen Forderungen die globale Dimension mit einbeziehen und uns mit anderen meinungsbildenden (Jugend-)Organisationen weltweit vernetzen.
3. Wir bringen die Regierungen unserer Staaten dazu, die Idee eines globalen Marshallplans für weltweiten Frieden und Entwicklung zu unterstützen. Ein solcher Plan ginge über die Anforderungen der VN-Milleniumsziele hinaus, deren Erfüllung, der absolute Mindeststandard bleibt. Mit der Verwirklichung eines solchen Planes einhergehen, muss eine „Gestaltung“ der wirtschaftlichen Globalisierung als VerursacherIn von Sicherheitsrisiken und die Einführung weltweiter sozialer und ökologischer Mindeststandards.
4. Als EinwohnerInnen der Industriestaaten vollziehen wir selbst den notwendigen Wandel in unseren Lebens- und Konsumgewohnheiten und entschärfen so Ausbeutung und Konflikte, die durch unser Wirtschaftssystem verursacht werden. Als EinwohnerInnen der Entwicklungsländer setzen wir uns dafür ein, dass unsere Staaten sich „nachhaltig“ entwickeln und die Fehler der Industrieländer nicht wiederholen. Als VerbraucherInnen kaufen wir faire und ökologisch produzierte Waren und sparen Energie, als politischer Jugendverband drängen wir auf eine Energiewende „Weg vom Öl“ und fordern ökologische und soziale Reformen von Forschung und Wirtschaft ein.
Nur wenn wir handeln, können wir die Welt sicherer machen. Ein „aber“ angesichts menschlichen Elends können und dürfen wir uns nicht mehr leisten!
Ole Hilbrich, 19, ist Sprecher des GRÜNE JUGEND Regionalverbandes Braunschweig. Die Kurzversion dieses Artikels ist im aktuellen IGEL 47 zur Globalisierung erschienen.