Im April wurde das Strafrecht erneut verschärft. Leider hat sich die Bundesrepublik Deutschland, vor allem seit den Anschlägen vom 11. September 2001, immer mehr zu einem Staat entwickelt, der versucht unsere Freiheiten immer weiter einzuschränken. Dies alles geschieht im Namen der Sicherheit. Nun soll angeblich die Sicherheit von Polizeikräften und sogenannten Amtsträger*innen verbessert worden sein. Was im ersten Moment vielleicht als sinnvoll erachtet werden könnte, entpuppt sich beim Näheren hinsehen als ein Versuch den deutschen
Staat autoritärer auszurichten. Die Grüne Jugend Niedersachsen lehnt diese Strafrechtsverschärfung ab. Schon jetzt ist Demonstrieren immer mit dem Risiko verbunden Anzeigen aufgrund verschiedener Delikte zu bekommen. Wer sich Neonazis entschlossen in den Weg stellt riskiert meistens eine Anzeige wegen Landfriedensbruch und/oder Widerstands gegen die Staatsgewalt. Bisher Enden die meisten Verfahren im schlimmsten Fall mit hohen Geldstrafen. Durch die Rote Hilfe und andere Solidaritätsstrukturen hält sich das finanzielle Risiko daher zur Zeit in Grenzen. Aufgrund des überschaubaren Risikos sind antifaschistisches Engagement, z.B. durch Blockaden gegen den rechtsextremen Aufmärsche, ökologisches Engagement gegen Castortransporte oder im Rahmen von EndeGelände und auch antikapitalistische Aktionen, siehe Blockupy/G20, für viele Menschen Teil ihres politischen Aktivismus. Aus unserer Sicht gehören das Versammlungs- und Demonstrationsrecht zu den Pfeiler einer demokratischen Gesellschaftsordnung, aber auch zivilen Ungehorsam sehen wir als legitimen Teil einer lebendigen Demokratie. Gerade wenn Neonazis ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten können und dabei durch die Gesetze geschützt werden, aber auch wenn unsere Zukunft und Gesundheit durch falsche politische Entscheidungen zu Gunsten einer neoliberalen Wirtschafts und Gesellschaftsordnung in Gefahr gebracht werden, glauben wir, dass es notwendig ist die Spielregeln dieser Gesellschaftsordnung bewusst und in einem vertretbaren Rahmen zu überschreiten. Es erscheint uns, als könnte eine aktive Zivilgesellschaft nur so korrigierend in Fehlentwicklungen in der Politik eingreifen, vor allem wenn im Parlament die Opposition kaum Gewicht hat. Die erfolgte Gesetzesverschärfung bedroht das Versammlungsrecht ohne zeitgleich seine Ziele wirklich zu erreichen. Ganz essentiell ist dabei die Aufteilung des bisherigen Paragraphen 113 StGB in die neuen Paragraphen 113 und 114 StBG. Noch fallen die Androhung von Gewalt, Gewalt und ein tätlicher Angriff auf Polizeikräfte und ihnen in diesem Rahmen, nach dem jetzigen Paragraph 114 StGB, gleichgestellte Personenkreise unter die gleiche Strafandrohung. Zukünftig werden tätliche Angriffe gesondert behandelt. Dies führt zu Problemen. Schon heute stellt man immer wieder fest, dass Polizist*innen sich bei Zeugenaussagen offensichtlich absprechen. Wir befürchten, dass in Zukunft auch bei geringfügigen Widerstandshandlungen ein tätlicher Angriff konstruiert wird. Damit würde dann die minimale Strafandrohung bei mindestens 3 Monaten Gefängnis liegen. Da viele Widerstandsanzeigen nach Demonstrationen geschrieben werden, ist zu vermuten, dass in Zukunft immer auch ein besonders schwerer Fall von Widerstand gegen die Staatsgewalt vorliegen wird. Dies ergibt sich aus der Änderung, die Widerstandshandlungen, die gemeinschaftlich begangen werden, als besonders schwer einstuft. Dann liegt die minimale Strafandrohung bei sechs Monaten Freiheitsstrafe. Werden Menschen Opfer von Polizeigewalt, dann führt eine Anzeige immer auch zu einer Gegenanzeige. Fast immer läuft es dann so, dass die Verfahren gegen die Polizist*innen eingestellt werden, während die Gegenanzeige zu einem Gerichtsverfahren führt. Gerichtsverfahren wegen Widerstandhandlungen führen in ca. einem Viertel der Fällen zu Verurteilungen, gerade weil Polizist*innen vor Gericht mehr geglaubt wird und die Aussagen aufgrund des herrschenden Corpgeistes in der Polizei meist einheitlich ausfallen. Dazu sei hier auf einen Artikel auf corrective.org verwiesen. Im Jahr 2013 kam es zu ca. 4500 Anzeigen gegen Polizist*innen, nur 50 landeten auch vor Gericht. Die Anzahl an Verurteilungen wird nicht erfasst. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass nur wenige der 50 Angeklagten auch verurteilt wurden. Im Gegensatz dazu gab es über 20.000 Widerstandsanzeigen die zu fast 5000 Verurteilungen führten. Dies zeigt, dass es ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Bürger*innen und Polizeikräften gibt. Vergegenwärtigt man sich, dass bei Demonstrationen, die leider eskalieren, meistens auch überzogenen Gewaltanwendung seitens der Polizei erfolgte und diese im Nachhinein durch eine hohe Anzahl an Widerstandsanzeigen gerechtfertigt wird, lässt dies für die Zukunft nichts Gutes vermuten. Dies zeigen auch die ersten absurd hohen Haftstrafen nach den G20 Protesten. All dies zusammen lässt uns befürchten, dass gewalttätiges Polizeihandeln auf Demos, aber auch abseits von Demos noch seltener verfolgt wird, da die Betroffenen zu viel Angst vor einer Gegenanzeige haben, gerade wenn dann 3 Monate Gefängnis oder mehr auf dem Spiel stehen. Ebenso befürchten wir, dass weniger Menschen von vornherein ihr Recht auf Versammlung wahrnehmen, da sie immer auch befürchten müssen am Ende eine Widerstandsanzeige wegen eines gemeinschaftlich begangenen tätlichen Angriffs zu bekommen, da die Polizei überzogenen Gewaltanwendung rechtfertigen muss. Dies führt aus unserer Sicht zu einer indirekten Beschränkung des Versammlungsrechts, die inakzeptabel ist. Dass es sich hier um einen Angriff auf die
Demonstrationsfreiheit handelt, erschließt sich uns auch aus der Verschärfung der Paragraphen für Landfriedensbruch. Bisher wird Landfriedensbruch nur dann verfolgt, wenn es keine schärferen Strafvorschriften gibt, die angewendet werden können. Dies soll in Zukunft wegfallen, sodass in vielen Fällen, gerade bei Aktionen des zivilen Ungehorsams, am Ende Landfriedensbruch und Widerstand verfolgt werden. Dies kriminalisiert Aktionen des zivilen Ungehorsams in einem für uns inakzeptablen Maße. In der Gesetzesbegründung wird aufgeführt, dass die höheren Strafandrohungen der Sicherheit der Polizeikräfte und Amtsträger*innen dienen sollen. Die dafür benutze Statistik weist aber nur Fälle auf, in denen ein Verfahren eingeleitet wurde. Ob es zu Verurteilungen gekommen ist, spielt keine Rolle. Zudem werden auch alle anwesenden Polizeibeamt*innen als Opfer gelistet, auch wenn die Gewalt bzw. Gewaltandrohung nur einem/einer Beamt*in galt. Dies bläht die Statistik unverhältnismäßig stark auf und verfälscht die Realität. Dass diese Verfahren meisten auf Bagatellen, wie Beleidigung zurückzuführen sind und gar nicht im Rahmen von Versammlungen und Demonstrationen begangen werden, wird ebenso verschwiegen. Diese Gewalt gegen Polizeikräfte beinhaltet aber keine tätlichen Angriffe, wird in Zukunft also auch nicht stärker bestraft. Will man wirklich mehr Sicherheit für Polizeikräfte, so wird dies dadurch erreicht stärker deeskalativ zu agieren. Ein Gesetz das dazu einlädt fehlerhaftes Handeln von Polizeikräften zu schützen, hilft hier nicht.