Frauen gleichberechtigt an Friedensverhandlungen beteiligen!

Weltweit engagieren sich Frauen gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen und für die Aussöhnung der Konfliktparteien. Friedensaktivistinnen tragen wesentlich zur Krisenprävention und zum Wiederaufbau in Nachkriegsgesellschaften bei. Trotzdem wird die politische Bedeutung ihrer Friedens- oder Versöhnungsarbeit kaum anerkannt. Ihre Ansätze und Sichtweisen finden auf nationaler oder internationaler Politikebene wenig Gehör. Von zentralen Entscheidungen, wie Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen sind Frauen weitgehend ausgeschlossen. In der Folge sind Frauen in den Institutionen der Post-Konfliktstaaten wenig vertreten und haben kaum Einfluss auf die Regierungen, Parlamente, Sicherheitsapparate und Justiz. Kosovo, Afghanistan und Irak sind dafür traurige Beispiele.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert Frauen gleichberechtigt und in vollem Umfang aktiv an der Verhütung und Beilegung von Konflikten, an Friedensverhandlungen, Friedenskonsolidierung, Friedenserhaltung und am Wiederaufbau nach Konflikten zu beteiligen.
Begründung:
Kriege und bewaffnete Konflikte haben eine geschlechtsspezifische Dimension und sind eng mit der Geschlechterordnung verknüpft.
Kriege haben zweifelsohne auch ein „weibliches Gesicht“. Das zeigten spätestens die schonungslosen Medienberichte über die Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg im Jahre 1992. Sie führten vor allem zu einem neuen Bewusstsein darüber, dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen im Krieg nicht nur eine viel zu lang verschwiegene Begleiterscheinung ist, sondern auch zunehmend vorsätzlich als (in)offizielle Kriegstaktik im Rahmen eines ausgedehnten Angriffs auf die Zivilbevölkerung eingesetzt wird. Die dokumentierten Vergewaltigungen, gewaltsamen Verschleppungen und Versklavungen von Frauen in Ruanda (1994), in Darfur (2003) und ganz aktuell im Kongo sind weitere dramatische Beispiele einer neuen Eskalationsstufe sexualisierter Gewalt im Krieg. Gewalt gegen Frauen in Kriegszeiten hängt dabei direkt mit einer umfassenden und alltäglichen Diskriminierung in so genannten Friedenszeiten zusammen und Massenvergewaltigungen sind als Kriegsstrategie nur denkbar, wenn Frauen als „schwach und wehrlos“ und gleichzeitig als „Reproduzentin einer Kultur“ und „als Besitz des Mannes“ konstruiert werden. Die Rollen der Frauen im kriegerischen Geschehen sind aber auch weitaus vielseitiger und eine einseitige Fixierung auf die Opferrolle der Frauen wird den komplexen Tatsachen nicht gerecht. Genauso, wie Männer nicht überall und gleichermaßen an gewalttätigen Prozessen beteiligt sind, sind Frauen nicht nur ohnmächtige Opfer gewaltsamer Konflikte, sondern sie sind an der gewaltsamen Konfliktkultur ebenso beteiligt wie Männer und tragen oft auch eine Mitverantwortung für die Eskalation von Konflikten, indem sie direkte Gewalt gegen den Feind als Soldatin ausüben oder als Angehörige einer sozialen Gruppe indirekt legitimieren. So hat die veränderte Kriegsführung in den „Neuen Kriegen“ zum Beispiel gerade auch zu einer wachsenden Integration von Frauen sowohl in reguläre Armeen als auch in irreguläre Truppen und Rebellenkommandos geführt. Frauen werden immer mehr in das unmittelbare Kriegsgeschehen einbezogen. Ohne die vielfältigen Formen ihrer Beteiligung, zum Beispiel durch die vom Militär für seine Funktionsfähigkeit benötigte Zuarbeit – wie die Herstellung von Waffen und Munition und die Versorgung und Pflege der KämpferInnen – wären kriegerische Auseinandersetzungen kaum
durchzuführen. Gleichermaßen sind Frauen in Kriegs- und Konfliktsituationen auch organisatorisch und politisch aktiv und setzen sich für Frieden ein. Zudem gewinnen sie als alleinige Versorgerinnen der Familie während des Konflikts an Eigenständigkeit und bewältigen höhere Arbeitsbelastungen im Kampf um das Überleben, wenn der Ehemann und Familienvater als Soldat an der Front kämpft. Die verschiedenen Rollen und größeren Verantwortungen die Frauen während des Krieges übernehmen, gehen meist mit Veränderungen der Geschlechterverhältnisse einher, die aber in vielen patriarchal geprägten Postkonfliktgesellschaften wieder rückgängig gemacht werden. So findet die Arbeit der Frauen nach dem Krieg kaum Beachtung und führt selten einer Veränderung ihres sozialen Status. Meist passiert das Gegenteil: Ihnen werden Unmoral und Verstöße gegen gesellschaftliche Normen vorgeworfen, was nicht selten dazu führt, dass sie verstoßen und ausgegrenzt werden.
Wenn die mit dem Konflikt einhergehende Umgestaltung der Arbeitsteilung, die höheren Verantwortlichkeiten und die von Frauen angestoßenen Friedensinitiativen im Wiederaufbauprozess berücksichtigt und unterstützt werden, können Frauen und eine Gesellschaft insgesamt aus einem Konflikt stärker gleichberechtigt hervorgehen und dadurch kann schließlich auch die Hauptursache sexueller Gewalt im Krieg bearbeitet werden. Vor diesem Hintergrund sind eine umfassende Konfliktbearbeitung, Frieden und nachhaltige Entwicklung nur möglich, wenn die komplexen Erfahrungen und die unterschiedlichen Auswirkungen von Kriegen auf Männer und Frauen wahrgenommen werden und in den entsprechenden friedens- und sicherheitspolitischen Konzepten berücksichtigt werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Vernachlässigung einer Geschlechterdimension oder gar der Ausschluss von Frauen aus den offiziellen Friedensprozessen schädliche Effekte auf die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen hat, weil entscheidende Perspektiven von 50 % der Bevölkerung ignoriert werden. Es besteht die Gefahr, dass auf diese Weise Schlüsselelemente, die für den Aufbau eines dauerhaften Friedens notwendig sind, übersehen werden.

UN-Resolution 1325 „Women, Peace and Security“

In der am 31. Oktober 2000 einstimmig beschlossenen UN-Sicherheitsratsresolution „Women, Peace and Security“ erklärt das höchste internationale Gremium, „[…] dass ein Verständnis der Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Frauen und Mädchen, wirksame institutionelle Vorkehrungen zur Gewährleistung ihres Schutzes und ihre volle Mitwirkung am Friedensprozess in erheblichem Maße zur Wahrung und Förderung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen können.“ Der hier anerkannte Umstand, dass die Kategorien Frauen, Frieden und Sicherheit zusammen gehören, mündete im Rahmen der Resolution 1325 in völkerrechtlich bindende Vorgaben für eine genderorientierte Friedens- und Sicherheitspolitik. Diese sind vor allem das Ergebnis des Engagements internationaler Frauenorganisationen, welche sich in einem jahrzehntelangen Prozess der Sichtbarmachung dafür eingesetzt haben, dass die wenig beachteten Rollen der Frauen in Kriegs- und KrisenRegionen, aber auch in der Konfliktbearbeitung und beim Wiederaufbau nach dem Krieg in das öffentliche Bewusstsein und damit in das Blickfeld der Vereinten Nationen gelangen. Die zentralen Inhalte der UN-Sicherheitsratsresolution 1325 werden vielfach unter „drei Ps“ zusammengefasst: Prävention von bewaffneten Konflikten, Protektion vor sexualisierter Gewalt im Kriegskontext und schließlich auch die Partizipation von Frauen in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Erstmals erkennt der UN-Sicherheitsrat hier den Stellenwert zivilgesellschaftlicher Frauengruppen für Friedensprozesse an und fordert, dass Frauen auf allen Ebenen der Friedensprozesse gleichberechtigt beteiligt werden. Die Resolution 1325 wird besonders von zivilgesellschaftlichen Netzwerken und Frauen aller Welt als historischer Durchbruch eingestuft, weil sie alle Themen rund um den Zusammenhang von
Frauen, Frieden und Sicherheit anerkennt. Sie stellt zudem ein bedeutendes Instrument dar, mit dessen Hilfe Frauen ihre Ansprüche und Forderungen nach einem Platz am Verhandlungstisch formulieren können, wenn Fragen von Krieg und Frieden auf der Tagungsordnung stehen. 1325 siedelt die Gleichstellung von Männern und Frauen auf der höchsten Ebene an und eröffnet wirkliche Chancen, den Schutz von Frauen im Krieg sowie ihre Einbeziehung in Friedensprozesse und Sicherheitsfragen weltweit voranzutreiben.

Viel Papier und wenig Ergebnisse

Obwohl längst international anerkannt ist, dass Frauen bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung eine wichtige Rolle zukommt, gilt noch immer: It’s a man’s world. Nach einer Studie des United Nations Development Fund for Women (UNIFEM) aus dem Jahr 2009 waren in 22 Friedensprozessen seit 1992 – darunter auch die für Afghanistan, Bosnien und Kongo – nur 2,5 % der Unterzeichnenden, nur 3,5 % der Vermittelnden, nur 5,5 % der Beobachtenden und nur 7,6 % der Verhandelnden Frauen. In ihrer über 60-jährigen Existenz haben die Vereinten Nationen nie eine Generalsekretärin gehabt und nur eine Frau (in Liberia) leitete 2008 eine Friedensmission. Nur etwa 4 % der UN-Militärs, 8 % der UN-PolizistInnen und 30 % des Zivilpersonals waren 2009 weiblich. Diese Zahlen zeigen, dass trotz der Anerkennung auf höchster internationaler Ebene die internationale Friedens- und Sicherheitspolitik flächendeckend geschlechterignorant ist. Die Umsetzung der weitreichenden Forderungen die sich aus der UN-Resolution 1325 ergibt – dass Frauen gleichberechtigt und in vollem Umfang aktiv an der Verhütung und Beilegung von Konflikten, an Friedensverhandlungen, Friedenskonsolidierung, Friedenserhaltung und am Wiederaufbau nach Konflikten teilhaben – steht noch aus. Das liegt vor allem daran, dass seit der Verabschiedung der Resolution im Jahr 2000 erst 23 Pläne zur Nationalen Umsetzung gefasst wurden. 162 von 192 UN-Staaten – darunter Deutschland – schauen tatenlos zu. Obwohl die Resolution völkerrechtlich bindend ist.
Lang genug gewartet: Frauen an die Verhandlungstische für einen nachhaltigen Frieden! Keine Friedensverhandlung sollte gebilligt werden, solange Frauen sie nicht mit unterzeichnen oder zumindest ihre Interessen in der Vereinbarung gewahrt werden.