Am 17.11.2009 jährt sich zum 20. Mal der Todestag von Conny Wessmann. 1989 kam die engagierte Antifaschistin ums Leben, als sie sich zusammen mit anderen in der Göttinger Innenstadt Neonazis und deren brutalen Umtrieben entgegenstellen wollte. Sie starb allerdings nicht durch die Hand der Neofaschist_innen, sondern wurde von Polizist_innen auf eine viel befahrene Straße getrieben, auf der sie von einem Auto erfasst wurde und in der Folge ihr Leben verlor. Seit dem herrscht ein Streit um die Deutungshoheit dieser Geschichte: Polizei und staatliche Institutionen würden nur allzu gerne Gras darüber wachsen lassen und sprechen wenn überhaupt von einem Unfall. In linken Kreisen wird dagegen ein anderes Bild gezeichnet, das des politischen Mordes. Besondere Brisanz erhält letztere Deutung durch einen Funkspruch der Polizist_innen, der kurz vor Connys Tod gesendet wurde und in dem sie die Frage stellen, ob sie die Antifaschist_innen nun „plattmachen“ sollten.
Es ist wohl im Nachhinein nicht mehr möglich, objektiv festzustellen, ob Conny Wessmann durch einen intendierten Mord oder durch einen Unfall zu Tode kam. Alle retrospektiven Deutungen bleiben bloßer Kampf um die Meinungsmacht, an dem sich die GRÜNE JUGEND Niedersachen nicht beteiligen wird. Wir verurteilen jedoch jede Praktik, selbst nicht intendierter Art, die bei einem staatlichen Organ mit Gewaltmonopol, namentlich der Polizei, den Tod eines unschuldigen Menschen zur Folge hat! Es kann kein legitimes und angebrachtes Vorgehen sein, Menschen zusammen zu treiben um sie und ihre politische Aktivität unter Kontrolle zu halten und dabei de facto auch über Leichen zu gehen. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen lehnt solch ein brutales polizeiliches Vorgehen ab! Egal ob Mord oder nicht, polizeiliche Maßnahmen dürfen keine Menschenopfer fordern. Der Tod Conny Wessmanns ist in der antifaschistischen Bewegung zu einem bedeutenden Ereignis geworden und vereint die Szene in ihrem Widerstand gegen illegitime staatliche Repression. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen begrüßt die Arbeit antifaschistischer Gruppen und hebt ihre Bedeutung im Kampf gegen alle faschistischen Tendenzen hervor. Zum Jahrestag wird nun im außerparlamentarischen linken Lager zu Veranstaltungen zur Erinnerung an Connys Tod aufgerufen. An diesem Wochenende stellen Antifaschist_innen in Hamburg ein Wandgemälde an der Roten Flora wieder her, das an die Ereignisse des 17.11.1989 erinnert. Am 17.11. selbst wird es in Göttingen eine Ausstellung zur antifaschistischen Geschichte und eine gemeinsame Gedenkveranstaltung an der Todesstelle geben. Für den 14.11. wird breit für eine Demonstration unter dem Motto „Kein Vergeben, Kein Vergessen“ mobilisiert, ohne dass sich ein_e Veranstalter_in zu erkennen gibt.
Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen begrüßt diese Veranstaltungen als wichtige Initiative, um die Erinnerung an eine engagierte Antifaschistin am Leben zu erhalten und die immer wieder vorkommende Brutalität des polizeilichen Handelns insbesondere auf Demonstrationen öffentlich anzumahnen. Wir fordern von Polizei und Verwaltung, die Demonstration am 14.11. zuzulassen und zu ermöglichen und keine Anlässe zu suchen, um den legitimen Protest zu unterbinden oder gar von vorne herein zu kriminalisieren.
Wir solidarisieren uns mit allen friedlichen Teilnehmer_innen der Demonstration. Das heißt für uns allerdings auch, diese im Vorfeld dazu aufzurufen, keine Eskalation zu suchen. Wir unterstützen jede Form des Protestes, die mit Mitteln des zivilen Ungehorsams ein Anliegen versucht durchzusetzen und so auch Widerstand gegen staatliche Gewalt leistet – aber gewaltfrei! Denn die Brutalität des Polizeiknüppels wird nicht sichtbar durch die Gewalt der Demonstrierenden – sie lenkt nur von ihr ab.
Andersrum fordern wir energisch die Polizei auf, alle Menschen die sich am 14.11. in Göttingen versammeln frei demonstrieren zu lassen. Dazu gehört, sämtliche Provokationen wie Spaliere, Videoaufnahmen oder Durchsuchungen im Vorfeld zu unterlassen. Inszenieren Sie keinen Konflikt der zwangsläufig am Ende zu gewalttätigen Ausschreitungen führt. Auch die Anwendung des beschönigend so genannten „direkten Zwang“ stellt für uns eine unmenschliche Brutalität da. Wir fordern die Polizei auf, am 14.11. und sonst auch darauf zu verzichten. Die Proteste die lange im Vorfeld für den 14.11. angekündigt wurden sind wichtig und legitim. Sie sollten nicht als Showbühne für einen inszenierten Konflikt missbraucht werden. Beide Seiten tun hier gut daran, zur Deeskalation beizutragen und eine angemessene Protestaktion zu ermöglichen, statt sich am Ende gegenseitig hoch zu schaukeln und die Gewaltspirale weiter zu drehen, die Conny vor 20 Jahren das Leben gekostet hat.
Wir fordern daher auch alle Menschen auf, die friedlich an der Demonstration teilnehmen wollen, sich nicht von vorausgesagten Auseinandersetzungen abhalten zu lassen. Besteht auf euer Demonstrationsrecht, artikuliert laut, bunt und kreativ euren Protest gegen eine mörderische Praktik staatlicher Brutalität:
Für die Freiheit, für das Leben!