Kein Ausverkauf der Integrierten Versorgung an pharmazeutische Unternehmen!

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert die Rücknahme der Öffnung der Integrierten Versorgung im § 140 b Sozialgesetzbuch V für Unternehmen der Pharmaindustrie.
Begründung:
Durch das unter der schwarz-gelben Koalition beschlossene Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) ist es zu einer Öffnung der Integrierten Versorgung (IV) im § 140 b Abs. 1 Pkt. 8 Sozialgesetzbuch V (SGB V) gekommen (Gesetz s. Anhang). Krankenkassen können so mit pharmazeutischen Unternehmen Versorgungsverträge abschließen. Ausdrücklich wird geregelt, dass für pharmazeutische Unternehmer § 95 Absatz 1 Satz 6 zweiter Teilsatz SGB V (siehe Anhang) nicht gilt, d.h. dass sie von den ansonsten für die vertragsärztliche Versorgung notwendigen Grundlagen wie Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag ausgenommen werden.
Losgelöst von Grundlagen ärztlicher Versorgung wird damit der pharmazeutischen Industrie ermöglicht, über die Versorgung kranker Menschen direkt Einfluss auf die Nachfrage nach ihren eigenen Produkten zu nehmen, Daten über Versicherte zu sammeln und den sensiblen Bereich der therapeutischen Beziehung gewinnorientierten Prinzipien zu unterwerfen. Dies birgt unter anderem die Gefahr, dass ein Anreiz entsteht, vermehrt Erkrankungen zu diagnostizieren und zu therapieren, um eigene Umsätze steigern zu können.
Ein erstes praktisches Beispiel ist die Übernahme des Versorgungsmanagements von ca. 12.000 Menschen mit Schizophrenie im Rahmen des IV-Vertrages der AOK für Niedersachsen mit der Managementfirma I3G, bei der es sich um eine 100 %ige Tochter der Janssen-Cilag GmbH handelt. Diese Pharmafirma stellt u.a. das Antipsychotikum Risperdal® (Wirkstoff Risperidon) her, ein Medikament zur Behandlung von Schizophrenien und eines der umsatzstärksten Medikamente mit dieser Indikation in Deutschland überhaupt.
Es ist damit der Beginn eines Wettlaufes festzustellen um die unmittelbare Ausnutzung nicht zuletzt auch seelischer Krisen und Notlagen in der Bevölkerung für gewinnorientierte Interessen von Pharmafirmen. Diese haben die IV als neues Geschäftsfeld entdeckt, um trotz der verschärften Zulassungsregelungen für Arzneimittel durch das AMNOG weiterhin profitorientiert wirtschaften zu können.
Die Hilfe für kranke Menschen in unserer Gesellschaft, zumal für schwer seelisch Kranke, die in besonderer Weise auf mitmenschliches Verständnis und die Berücksichtigung ihrer besonderen Belange angewiesen sind, darf den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie jedoch nicht untergeordnet werden!
Wir schließen uns den Forderungen von Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) und vielen weiteren Akteuren aus dem Feld der Versorgung von kranken Menschen an, keine Versorgungsverträge zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen zuzulassen und die Novellierung des § 140 b SGB V rückgängig zu machen.
Nach Beschluss möge die GJN diesen Antrag auf dem nächsten Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND stellen.
Anhang:
SGB V: § 140b Verträge zu integrierten Versorgungsformen (Auszug)
(1) Die Krankenkassen können die Verträge nach § 140a Abs. 1 nur mit

  1. einzelnen, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten und einzelnen sonstigen, nach diesem Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften,
  2. Trägern zugelassener Krankenhäuser, soweit sie zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind, Trägern von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 besteht, Trägern von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften,
  3. Trägern von Einrichtungen nach § 95 Abs. 1 Satz 2 oder deren Gemeinschaften,
  4. Trägern von Einrichtungen, die eine integrierte Versorgung nach § 140a durch zur Versorgung der Versicherten nach dem Vierten Kapitel berechtigte Leistungserbringer anbieten,
  5. Pflegekassen und zugelassenen Pflegeeinrichtungen auf der Grundlage des § 92b des Elften Buches,
  6. Gemeinschaften der vorgenannten Leistungserbringer und deren Gemeinschaften,
  7. Praxiskliniken nach § 115 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1,
  8. pharmazeutischen Unternehmern,
  9. Herstellern von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte abschließen. Für pharmazeutische Unternehmer und Hersteller von Medizinprodukten nach den Nummern 8 und 9 gilt § 95 Absatz 1 Satz 6 zweiter Teilsatz nicht.

SGB V: § 95 Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (Auszug)
(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Eine Einrichtung nach Satz 2 ist dann fachübergreifend, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind; sie ist nicht fachübergreifend, wenn die Ärzte der hausärztlichen Arztgruppe nach § 101 Abs. 5 angehören und wenn die Ärzte oder Psychotherapeuten der psychotherapeutischen Arztgruppe nach § 101 Abs. 4 angehören. Sind in einer Einrichtung nach Satz 2 ein fachärztlicher und ein hausärztlicher Internist tätig, so ist die Einrichtung fachübergreifend. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die medizinischen Versorgungszentren können sich aller zulässigen Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die auf Grund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).