7. April 2020

Forderungen für eine solidarische Hochschul-Politik in Corona-Zeiten 



Di, 7. April 2020

Die Corona-Krise ist eine für alle außergewöhnliche und belastende Situation. Auch Studierende sind davon betroffen: Einige Studierende sind selbst an Corona erkrankt, gehören Risikogruppen an und müssen sich selbst schützen oder um Angehörige kümmern. Aber auch von häuslicher Gewalt und psychischen Problemen sind Studierende in dieser Situation betroffen. Deshalb muss klar sein: ihre Finanzierung muss gesichert sein und zwar unabhängig davon, ob sie dieses Semester an der Lehre teilnehmen oder nicht. Aber auch die Lehr- und Arbeitsbedingungen an der Universität müssen jetzt solidarisch gestaltet werden, damit Hochschulen, Studierende und Wissenschaftler*innen nicht auf der Strecke bleiben.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen erhebt folgende Forderungen:

 

1) Sommersemster 2020 nicht auf die Regelstudienzeit anrechnen
Wie die Landesregierung am 3. April mitteilte, hat das Sommersemester an niedersächsischen Hochschulen in digitaler Form begonnen. Nun hat das Land Bayern angekündigt, das Sommersemester 2020 nicht auf die u.A. für das BAG relevante Regelstudienzeit anzurechnen. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen begrüßt diese Entscheidung des Landes Bayern und fordert das Land Niedersachsen auf, ähnliche Regelungen zu treffen, sofern dies nicht zeitnah bundeseinheitlich geregelt wird. BAföG und Stipendien müssen zwingend weitergezahlt werden und die Förderungshöchstdauer muss entsprechend verlängert werden. Auch sonstige Sozialleistungen, deren Auszahlung an die Regelstudienzeit gekoppelt ist, sollen entsprechend länger gezahlt werden. Außerdem fordern wir, dass Langzeitstudiengebühren dieses Semester ausgesetzt werden.  

 

2) Wohngeld für Studierende:
Wir fordern, dass Studierende für die Dauer der Krise Wohngeld beantragen können – dies ist bisher nur in Ausnahmefällen möglich.

 

3)Absicherung ausländischer Studierender
Für ausländische Studierende, deren Aufenthaltstitel daran hängt, dass sie nachweisen können, ihr Studium selbst finanzieren zu können, muss gelten: Der Finanzierungsnachweis muss ausgesetzt werden und der Aufenthaltstitel verlängert werden. Ausländischen Studierenden muss der Zugang zu sozialer Sicherung (BAföG/Notfallhilfen) eröffnet werden!

 

4) Kurzarbeitergeld auch für geringfügig Beschäftigte
68% der Studierenden gehen laut einer Erhebung des Studentenwerks einem Nebenjob nach, die Meisten sind geringfügig Beschäftigte. Viele Studierende haben aufgrund der Krise bereits ihren Job verloren oder es steht eine Kündigung bevor. Wir fordern ein Kurzerabeitergeld auch für geringfügig Beschäftigte, für die bisher kein Kurzarbeitergeld angemeldet werden kann. Damit werden die Jobs geringfügig Beschäftigter gesichert und Studierende, die finanziell vielfach von ihrem Nebenjob abhängig sind, unterstützt.

 

5) Zulassung fair gestalten
Bewerbungsfristen müssen entsprechend verlängert werden. Bewerber*innen für einen Masterstudiengang, die ihren Bachelor augrund der aktuellen Situation nicht fertig stellen könne, sind ab einer Creditzahl von 140 ECTS Punkten unter Auflage der Nachreichung des Bachelorabschlusses zum Masterstudiengang zuzulassen.

 

6) Staatsexamen und weitere staatliche Prüfungen:
Diese müssen rechtzeitig angekündigt werden und für Studierende in der momentanen Situation freiwilig sein. Die Prüfungen müssen auf die aktuelle Vorbereitungssituation zugeschnitten sein.

 

7) Solidarischer Umgang mit Hochschul-Beschäftigten
Die Zeit des eingeschränkten Hochschulbetriebs darf nicht auf die Befristungsdauer von wissenschaftlichen und studentischen Beschäftigten nach WissZeitVG angerechnet werden. Dies erfordert eine entsprechende Gesetzesänderung. Die Verträge aller Beschäftigten (inklusive der studentisch Beschäftigten) müssen um 6 Monate verlängert werden. Lehraufträge auf Honorarbasis müssen in jedem Fall bezahlt werden, auch wenn die Lehre nicht oder nur eingeschränkt stattfinden sollte. Die Betreuung von Kindern für beschäftigte Eltern darf nicht über unbezahlten oder regulären Urlaub geregelt werden. Es muss anerkannt werden, dass von Mitarbeitenden, die während ihrer Arbeitszeit im Homeoffice gleichzeitig ihre Kinder betreuen, nicht das gleiche Arbeitspensum erwartet werden kann.

 

8) Finanzierung der Hochschulen sichern 
Die Hochschulen sind strukturell unterfinanziert und werden es vorraussichtlich nicht schaffen, die Maßnahmen aus ihrem laufenden Budget zu finanzieren. Hier müssen die Bundesländer eingreifen und die Finanzierung sichern.

 

9) Semestergestaltung:
In Studienordnungen, die zwingend aufeinander aufbauende Veranstaltung enthalten, muss dieser Zwang für die nächsten drei Semester entfallen. Zwangs-Exmatrikulationen müssen ausgesetzt werden. Für verpflichtende Praxissemester sind flexible Regelungen zu finden. Aus dem Wintersemester nachgeholte Prüfungen müssen je nach Vorbereitungspensum frühzeitig angekündigt werden und dürfen keinesfalls verpflichtend durchgeführt werden. Für verpflichtende Studienabschnitte im Ausland sind Nachholmöglichkeiten oder Ersatzleistungen zu gewährleisten. Alle Prüfungsfristen und automatische Nichtbestimmungsregelungen sind um mindestens ein Semester auszusetzen und nicht bestandene Prüfungsversuche im Sommersemester dürfen nicht als Fehlversuche im weiteren Verlauf des Studiums gewertet werden.

 

10) Digitalisierung – aber richtig!
Es müssen schnellstmöglich weitere Dauerstellen für Digital-Fachkräfte an den Hochschulen geschaffen werden, um die Lehrenden bei der Duchführung der OnlineLehre zu unterstützen.Es braucht einheitliche Qualitätsstandards für digitale Lehre, auch deswegen soll das Geld in Fachpersonal statt in kommerzielle Software fließen. Open-Source-Werkzeuge sollen der Standard an Hochschulen werden. Zudem soll in der Lehre verstärkt auf Open-Access-Materialien zurückgegriffen werden.

 

11) Hochschuldemokratie auch in Krisenzeiten!
Viele der Entscheidungen sind aufgrund der dringlichen momentanen Situation eilig getroffen werden. Um die Hochschuldemokratie nicht auszuschalten, müssen die Gremeien mit in die Entscheidungen einbezogen werden. In den Krisenstäben aller Universitäten muss mindestens ein*e Teilnehmer*in aus jeder Statusgruppe beteiligt werden.

 

12) Engagement gegen die Coronakrise als Studienleistung anerkennen
Um Anreize zu setzen und Studierende zu entlasten, die sich (beispielsweise beim Roten Kreuz) gegen Corona engagieren, muss dieser Einsatz als Studienleistung anerkannt werden. Ein Nachweis über die Stunden, die Studierende mit der jeweiligen Tätigkeit verbracht haben, muss schnell und unbürokratisch in Credits für passende Module umgerechnet werden können. Dazu gehören beispielsweise Module, in denen Sozialkompetenzen oder Ahnliches vermittelt werden.

Dieser Forderungen sind in Anlehnung an die Initiative solidarsemester.de entstanden, an der unter Anderem der fzs (freier Zusammenschluss von Student*innenschaften) mitgewirkt hat. 


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