11. Mai 2019

Stadt für alle!



Zusammenfassung:

  • Die Grüne Jugend Niedersachsen unterstützt die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen
  • Wir halten Enteignungen und Vergesellschaftungen für legitime Mittel zum Interessensausgleich in unserer Gesellschaft
  • Wir fordern den Einsatz verschiedener Maßnahmen um die sozialräumliche Spaltung in Städten aufzuheben

Seit einigen Jahren steigen die Mieten in vielen deutschen Großstädten
explosionsartig. Ursache dafür sind neben einer steigenden Bevölkerungszahl in den Städten vor allem Großinvestoren wie die Deutsche Wohnen oder Vonovia mit bis zu 500.000 Wohneinheiten, welche den Immobilienmarkt für ihre Finanzspekulationen nutzen. Um mehr Gewinne für die Aktionär*innen zu erwirtschaften, wird versucht, gesetzliche Maßnahmen, wie das Vorkaufsrecht der Stadt Berlin, zu umgehen. Auch werden Luxussanierungen vorangetrieben, wobei die
Kosten zu großen Teilen den Mieter*innen aufgelastet werden. Je mehr Immobilien in den Händen einzelner Wohnungskonzerne sind, desto größer ist ihr Einfluss auf die Mietpreisentwicklung. Im Fokus steht nicht, möglichst vielen Menschen qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, sondern wachsende Gewinne zu erzielen. Aufgrund der Kostenexplosion können sich
viele Menschen die Mieten nicht mehr leisten und müssen aus der Stadt wegziehen, was zu einer starken sozialen Trennung und Milieubildung führt.

Als Reaktion auf diese Situation gibt es in Berlin eine viel beachtete
Initiative, welche die Forderung aufstellt, Großkonzerne, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen, zu vergesellschaften. Wir unterstützen die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Wir als Grüne Jugend gehen gehen dabei darüber hinaus und fordern langfristig, dass jeder Mensch nur so viel Wohneigentum besitzen darf, wie er oder sie auch wirklich nutzt. Alter und neuer Wohnraum sollte nur noch zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt werden. Daher fordern wir im gleichen Atemzug, den staatlichen Wohnungsbau massiv
auszubauen.

Wir sehen sowohl Vergesellschaftungen gemäß Artikel 15 GG als auch Enteignungen nach Artikel 14 GG als legitimes Mittel an, um das Menschenrecht auf Wohnen garantieren zu können. Eine Streichung des Artikels 15, wie von der FDP gefordert, lehnen wir entschieden ab. Gerade jene, die in aller Regelmäßigkeit ganze Dörfer der Kohleverstromung geopfert und die Einwohner*innen enteignet
haben, sollten ihr Verständnis von Gemeinwohlorientierung kritisch hinterfragen.

Als Grüne Jugend Niedersachsen sehen wir das Grundrecht auf angemessenen Wohnraum in allen Bezirken einer Stadt als ein sehr hohes Gut an. Insbesondere auch in Bezug auf die Höhe der bei Enteignungen zu zahlenden Entschädigung ist dieses stärker als kapitalistische, gewinnorientierte Interessen zu berücksichtigen. Daher sollten Investor*innen durch Enteignungen keinen Gewinn machen. Dies muss gesetzlich geregelt werden, um die Entscheidung über die Höhe des Betrags nicht dem Bundesverfassungsgericht zu überlassen.

Die Forderung bekämpft das Problem grundsätzlich und langfristig und kann so das Recht auf angemessenen Wohnraum sichern. Bei dem hohen Bedarf an Wohnraum in Großstädten müssen verschiedene Lösungsansätze vorangetrieben werden und nicht nur auf soziale Neubauten oder Enteignungen gepocht werden. Außerdem müssen
Mieten für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbar sein, um eine Durchmischung der Gesellschaft zu fördern. Eine Ghettoisierung wie z.B. in Frankreich oder den USA darf es nicht geben, da dies zu sozialen Spannungen, Ausgrenzung von Minderheiten, mangelnder Chancen- und Bildungsgleichheit und einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führt. Nur eine Vermischung der sozialen Gruppen in Bezirken kann langfristig zu einem Abbau sozialer Ungleichheit führen, da hier junge Menschen frühzeitig in Kontakt mit anderen Lebenswelten kommen. Derzeit beobachten wir jedoch eine immer stärkere Trennung sozialer Gruppen innerhalb deutscher Städte.

Solange ein Bereich für den freien Markt geöffnet ist, folgt dieser auch den kapitalistischen Logiken. Zu diesen gehören Wachstumszwang und angestrebte Gewinnmaximierung, die unweigerlich zulasten der Armen geht. Unter anderem aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, dass bestimmte gesellschaftliche Bereiche, wie das Gesundheitssystem, allgemeine Infrastruktur, das Bildungssystem und eben zumindest Teile des Immobilienmarktes, nicht für den freien Markt verfügbar sein sollten. Dafür fordern wir eine Stärkung von bestehenden sowie
eine Etablierung von neuen Wohnungs(-bau-)gesellschaften in kommunaler Trägerschaft und die Einrichtung landeseigener Wohnungsgesellschaften. Hierdurch wird ein gemeinwohlorientiertes Einwirken der Politik auf die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum als Teil der Daseinsvorsorge maßgeblich erleichtert.

Der Verweis auf Immobilien als Altersvorsorge kann keine Rechtfertigung dafür sein, mithilfe von gewinnorientierten Wohnungsunternehmen die Preise auf Kosten der Mieter*innen in die Höhe zu treiben. Diese Form der Altersvorsorge ist oft nicht Teil der Lösung, vor allem nicht für jene, die am stärksten von Altersarmut bedroht sind. Forderungen nach Zuschüssen oder Steuerbegünstigungen
für Immobilienbesitz unter dem Aspekt der Altersarmut folgen keiner sozial gerechten Logik, sondern der Idee des Kuchen-Essens, wenn kein Brot vorhanden ist.

Durch derartige Maßnahmen kann bestenfalls kurzfristig eine Stärkung des Wohnungsbaus erreicht werden. Mittelfristig werden aber lediglich die aus der Förderung resultierenden Gewinne privatisiert, der Anstieg der Mietpreise jedoch nicht verhindert. So stellen beispielsweise erhöhte steuerliche Abschreibungssätze einen hohen Anreiz zum Erwerb neu entstehenden Wohnraums zu Vermietungszwecken dar. Sie stehen allerdings einer Veräußerung nach Ablauf des begünstigten Zeitraumes unter Mitnahme einer zwischenzeitlich eingetretenen Wertsteigerung nicht entgegen. Eine solche verbleibt bei einer Vermietung durch
natürliche Personen nach Ablauf von zehn Jahren seit Erwerb des Objektes sogar steuerfrei. Die langfristige Sicherung eines bezahlbaren Mietniveaus kann durch eine steuerliche Begünstigung zugunsten der Immobilienbesitzer nicht erreicht werden. Denn ein derartiges Instrument knüpft weder an den Mietpreis an, noch verhindert es den raschen Umlauf von Immobilien, der eine weitere Immobilien- und einhergehend Mietpreissteigerung befördert.

Damit allen Menschen ein angemessener Wohnraum innerhalb von Städten zur Verfügung steht, müssen mehr Wohnungen gebaut werden. Um einer sozialräumlichen Trennung entgegen zu wirken sind jedoch weitere Maßnahmen erforderlich. Mögliche Maßnahmen wie Sozialquoten bei der Vergabe von Neubauprojekten oder einen
Mietpreisdeckel begrüßen wir.



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