11. Mai 2019

Staat und Kirche – trennt euch endlich!



Zusammenfassung: +++ Die Grüne Jugend fordert die ersatzlose Streichung des §5 und §6 des Niedersächsischen Feiertagsgesetz, sowie die Modifizierung der gesetzliche geregelten Feiertage +++

Beschluss:

Seit Jahren setzen wir uns als Grüne Jugend für eine säkularisierte Gesellschaft ein. Die laute Forderung nach der strikten Trennung von Staat und Kirche wird besonders an Karfreitag immer wieder gestellt. Doch warum ist uns dieser Punkt so wichtig?

Auch in diesem Jahr gab es eine von der Grünen Jugend Hannover veranstaltete Tanzdemonstration gegen das geltende Tanzverbot. Auch in diesem Jahr hatten wir massiv Probleme, diese durchzuführen und unser Anliegen ungestört zum Ausdruck zu bringen. Doch zur Abwechslung sind es nicht die Rechten, die unsere Demonstrationsfreiheit einzuschränken versuchen, stattdessen ist es dem niedersächsischen Feiertagsgesetz (NFeiertagsG) geschuldet, dass wir auf Grundrechte zu verzichten haben.

Das sogenannte „Tanzverbot“ bezieht sich nämlich nicht nur auf das Tanzen, sondern ist viel mehr eine Einschränkung des öffentlichen Lebens im Allgemeinen.
So sind neben Tanzveranstaltungen auch „öffentliche Sportveranstaltungen“ grundsätzlich untersagt, „Veranstaltungen in Räumen mit Schankbetrieb“ stark eingeschränkt (§§ 6a und 6b). Grundsätzlich haben alle stattfindenden Veranstaltungen auf „den ernsten Charakter des Tages“ Rücksicht zu nehmen. (§
6c)) Das Tanzverbot geht also weit über das Verbot des bloßen Tanzens hinaus. Stattdessen nimmt es Einfluss auf das gesamtgesellschaftliche Leben am Karfreitag. Zudem wird in § 5a) die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) pauschal stark eingeschränkt.

Das Problem liegt weder, wie fälschlicherweise häufig angenommen, darin, dass Menschen nicht auf einen Tag ohne Tanzen verzichten wollen oder können, noch darin, den symbolischen Wert, den der Tag für gläubige Menschen inne hat, diffamieren oder abwerten zu wollen. Die Kritik am Tanzverbot richtet sich dagegen vielmehr an den Gesetzgeber, denn wir tragen die Überzeugung in uns, dass Staat und Kirche auf allen Ebenen getrennt voneinander koexistieren sollten. Beim gesetzlichen Schutz des Karfreitags und anderen ausschließlich christlichen Feiertagen handelt es sich jedoch um ein religiös motiviertes
politisches Verbot, das unseren Vorstellungen eines säkularen Staates nicht gerecht wird. Gesetzgebung ist eine Kompetenz, die bei der Politik liegt und nicht religiös beeinflusst werden sollte. Insbesondere die pauschale Einschränkung des Grundgesetzes durch die bloße Symbolik eines Tages ist indiskutabel und nicht hinnehmbar.

Ungefähr 58% der deutschen Bevölkerung fühlen sich nach aktueller Umfrage von Spiegel Online dem christlichen Glauben zugehörig, die Zahl der aktiv Gläubigen dürfte deutlich geringer ausfallen. Doch selbst wenn diese knappe Mehrheit der Bevölkerung den Karfreitag zur Trauer nutzen wollen würden, haben weit über ein Drittel der Gesellschaft damit nichts zu tun. Im Falle des Tanzverbotes werden also weit über 30 Millionen Andersgläubige und Konfessionslose in Deutschland
bevormundet und müssen sich damit abfinden, das sie an diesem Tag – aus ihrer Sicht absurden Gründen – auf gewisse Grundrechte verzichten müssen. Das ist nicht weltlich, das ist nicht laizistisch, das ist nicht säkular, das ist schlichtweg Bevormundung.

Natürlich ist Deutschland ein von christlichen Werten geprägtes Land, doch sind diese Werte heute nicht mehr mit dem Glauben an die Symbolik eines historischen Ereignisses verbunden und die gesetzliche Verordnung der Trauer somit ein tiefgreifender Einschnitt in eine plurale Gesellschaft.

Niemand beabsichtigt die Störung der Menschen in ihrer Religionsausübung, weshalb Demonstrationen gegen Tanzverbote ausschließlich außerhalb der Zeit der Gottesdienste stattfinden. Keinesfalls wird die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) in Frage gestellt. Im Gegenteil werden in Deutschland immer noch muslimische Schüler*innen in vielen Schulen als unentschuldigt fehlend im Klassenbuch eingetragen, wenn sie zum Opferfest, dem wichtigsten Feiertag des Islams, der Schule fern bleiben, wohingegen die gesamte Gesellschaft am Karfreitag Abstriche in ihren Grundrechten zu machen hat. Damit ist der aktuelle Zustand weder plural, noch religionsfreiheitlich.

Aus all diesen genannten Gründen fordern wir die Abschaffung von § 5 und § 6 des Niedersächsischen Feiertagsgesetzes. Wir sind nicht bereit, auf Grundrechte verzichten zu müssen und halten dies auch nicht für notwendig, damit Menschen ihrem Glauben nachgehen können.

Gesetzliche Feiertage sind eine wichtige Errungenschaft. Gemeinsame freie Tage für einen Großteil der Bevölkerung haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, da sie gemeinsame freie Zeit in Familie und sozialem Umfeld, für Engangement und vieles weiteres schaffen. Diese Funktion kann nicht von Urlaub oder anderen individualisierten Regelungen ersetzt werden: Viele, auch religiös motivierte, Feiertage haben eine hohe kulturelle Bedeutung, die auch darauf basiert, dass diese Tage von Familien oder Freundeskreisen nicht erst als Urlaubstage o.ä. beantragt werden müssen, und die auch von Nicht-Christ*innen wahrgenommen wird. Der Schutz der gesetzlichen Feiertage ist deshalb ein wichtiger Bestandteil von Arbeitnehmer*innenrechten. Um diese Bedeutung von Feiertagen weniger auf religiöse Anlässe zu beschränken, setzen wir uns für die Einführung neuer politischer und säkularer gesetzlicher Feiertage – wie zum Beispiel den internationalen Frauentag oder Gedenktage – ein. Die gesetzlichen Feiertage können jedoch nicht die persönlichen, religiösen oder kulturellen Bedürfnisse jeder und jedes einzelnen abdecken. Wir wollen deshalb das Recht von Arbeitnehmer*innen auf so begründete arbeitsfreie Tage stärken.

  • § 5 und § 6 des Niedersächsischen Feiertagsgesetzes streichen


← zurück