21. Oktober 2018

Vergünstigungen für alle!



In einer Gesellschaft sollten die gleichen Grundvoraussetzungen für alle geschaffen werden. Deshalb fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen eine Angleichung des Umfangs der Fördermaßnahmen für Auszubildende und Schüler*innen an die für Studierende.

 

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert eine kostenlose Beförderung von allen Schüler*innen und Auszubildenden mit dem ÖPNV zur Schule bzw. zum Ausbildungsbetrieb. Für viele Schüler*innen und Auszubildende, gerade aus dem ländlichen Raum, ist dieser Weg eine große finanzielle Belastung. Dies führt dazu, das der Geldbeutel der Eltern entscheidet, ob jemand die Berufschule in der Nachbarstadt besuchen kann, um eine Ausbildung zu machen, die in seiner Stadt nicht angeboten wird. Bei Schüler*innen ist die Situation ähnlich, es gibt gerade in der Oberstufe viele Möglichkeiten für Schüler*innen, ihren Lebensweg zu gestalten. Doch beispielsweise Berufliche Gymnasien, Waldorfschulen oder Schulen mit bilingualer oder fachspezifischer Ausrichtung gibt es nicht in jeder Stadt, sodass die Schüler*innen oftmals gezwungen sind, viele Kilometer mit dem Bus oder Zug zu ihrer Schule zu fahren. Dies können sie allerdings nur, wenn ihre Eltern das Geld haben, ihnen die Fahrtkosten zur Schule zu bezahlen.

 

Während Studierende mit ihrem Semesterticket häufig durch ganz Niedersachsen reisen können, sind Schüler*innen und Auszubildende mit ihren Fahrkarten an bestimmte Strecken gebunden, obwohl sie für ihre Tickets oft mehr pro Monat bezahlen als Studierende für ein halbes Jahr. Damit Bildung nicht von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhägt, fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen die Abschaffung dieser Barriere.

 

Viele Vergünstigungen werden als Teil des Alltags von Studierenden nicht immer bewusst als solche wahrgenommen: es gibt Mensen, in denen Studierende aufgrund von Subventionen für 40 Cent eine Tomatensuppe samt Brotbeilage bekommen, wohingegen in kleinen Ausbildungsbetrieben im Außengebiet teilweise keine andere Gelegenheit besteht, als sich selbst etwas mitzubringen.

 

Tatsächlich sind die durchschnittlichen Ausgaben der öffentlichen Hand je Student*in allein für die Hochschulen höher als für andere Bildungsteilnehmer*innen: Laut dem Bildungsfinanzbericht 2017 haben sie in 2014 unter Einbezug ausschließlich der Aufwendungen für Lehre 7.500 Euro, unter Einbezug auch der Forschungsaufwendungen sogar 13.500 Euro je Student*in betragen. Die Ausgaben je Schüler*in im Mittel aller Schulformen haben sich jedoch nur auf 6.700 Euro belaufen, die Ausgaben im Zusammenhang mit Auszubildenden im dualen System für Berufsschulen sogar nur auf 2.900 Euro je Kopf. Dabei sind all die Vergünstigungen wie BAFöG, sehr günstige Semestertickets und verbilligtes Mensaessen noch gar nicht miteingerechnet.

 

Darüber hinaus gilt noch immer: Studierende stammen tendenziell aus finanziell besseren Verhältnissen und verdienen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich weitaus mehr als Personen ohne Studienabschluss. Auch die Dauer bis zum Ende einer akade­mischen Laufbahn ist regelmäßig länger als die einer anderweitigen Berufsausbildung.

 

Ist es unter diesen Umständen gerecht, dass Auszubildende selbst während der Dauer ihrer Berufsausbildung nicht im gleichen Maße gefördert werden wie Studierende? Sollte nicht das Bildungsangebot, dass der/dem Einzelne*n zur Verfügung steht, unabhängig vom eingeschlagenen Berufs- und Bildungsweg sein?

 

An regulären Universitäten und Fachhochschulen finden Studierende ein Angebot vor, dass weit über die Vorbereitung auf eine konkrete spätere Berufstätigkeit hinausgeht. Dort sind die Gelegenheiten, sich in der vielfältigsten Weise zu bilden, durch eine weite Auswahl an Veranstaltungen an jedem Tag – teils durch die Institutionen selbst, teils durch außeruniversitäre Einrichtungen, teils durch engagierte Gruppen aus der Studierendenschaft heraus – zuweilen kaum überschaubar. Denjenigen, die sich in einem typischen dualen Ausbildungsgang befinden, stehen hingegen weitaus weniger Möglichkeiten zur Verfügung.

 

Programme wie Erasmus+ können darauf hinwirken, dass z.B. Auslandsaufenthalte, wie sie für viele Studierende selbstverständlich zum Studium dazugehören, auch für immer mehr junge Menschen eines Ausbildungsjahrganges Teil des Bildungsweges werden. Es bestehen also bereits Möglichkeiten für diejenigen, die einen anderen Weg als einen akademischen einschlagen, die in den letzten Jahren immer mehr in Anspruch genommen worden sind. Doch das sollte noch viel weiter reichen! Es genügt nicht nur, theoretische Angebote zur Verfügung zu stellen, vielmehr sollten sie gerade denjenigen gegenüber, die nicht so vertraut mit solchen sind, aktiv bekannt gemacht und empfohlen werden.

 

Bildung ist mehr als nur die Vermittlung von Wissen. Sie ist Grundlage eines argumentativen und offenen Diskurses und als solche nicht nur individuell, sondern auch gesamtgesellschaftlich von höchstem Wert. Denn zu einer funktionierenden und lebendigen Demokratie bedarf es der Partizipation möglichst vieler Menschen, die sich mit unterschiedlichen Lebenshintergründen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln einbringen und zugleich bereit sind, auch die Erfahrungen und Perspektiven anderer zu berücksichtigen.

 

In den vergangenen Jahren ist immer wieder der Ruf nach Fachkräften auch ohne akademischen Bildungsabschluss, sondern mit fundierten in Betrieben erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten aufgekommen. Dabei ist beklagt worden, dass sich zu viele Abiturient*innen für ein Studium entschließen, ohne eine Ausbildung auch nur in Erwägung zu ziehen.

 

Wenn aber ein Studium schon abgesehen von den beruflichen Aussichten wegen all der Möglichkeiten, die es für die persönliche Entfaltung bietet, wesentlich attraktiver ist, wird sich das nicht ändern – außer auch im Rahmen des dualen Ausbildungssystemes werden mehr solche Möglichkeiten angegliedert.

 

Daher schlägt die GRÜNE JUGEND Niedersachsen vor, auch während eines Ausbildungsganges Angebote zu schaffen, die völlig unabhängig von der jeweiligen Berufsrichtung nebenher besucht werden können, und in den Berufsschulen diese deutlich zu bewerben. Vergleichbare Angebote gibt es bereits mit den Wahlseminaren, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes absolviert werden können. Abweichend von der Konzeption von Seminaren im Rahmen von freiwilligen Jahren sollten diese jedoch einerseits ausschließlich auf freiwilliger Basis und
andererseits mit kürzerer Dauer über Wochenenden stattfinden, sodass sie die Zeiten der beruflichen Ausbildung nicht verringern, sondern nur ergänzend zur Seite stehen. So würde auch für Auszubildende eine naheliegende Möglichkeit geschaffen, die Vorbereitung auf den Beruf mit einer ganzheitlicheren und individuelleren Bildung zu verbinden.

 

Über die parteinahen Stiftungen wie beispielsweise die Heinrich-Böll-Stiftung werden jedes Jahr tausende Studierende und Promovierende mit Stipendien gefördert. Diese bieten nicht nur einen finanziellen Zuschuss, sondern darüber hinaus insbesondere eine Plattform zur Vernetzung mit anderen engagierten Stipendiat*innen sowie die Teilnahmemöglichkeit an vielfältigen Workshops und Seminaren. Überwiegend werden durch derartige Stipendien diejenigen weiter begünstigt, die sich einerseits in hohem Maße zugunsten der Gesellschaft
einbringen, andererseits einhergehend jedoch bereits über einen sehr guten Zugang zu Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe und nicht-fachspezifischer Bildungsangebote verfügen. Warum aber beziehen diese Stipendienprogramme keine Auszubildende ein, wenn diese mit exzellenten Noten sowie gesellschaftlichem Engagement die gleichen Voraussetzungen wie die geförderten Studierenden erfüllen?

 

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert eine Ausweitung von derartigen Programmen, die weniger auf eine monetäre Unterstützung als vielmehr auf eine Förderung der persönlichen Entwicklung abzielen, auch auf Menschen, die sich in der Berufsausbildung befinden – und zwar nicht durch die Implementierung neuer selbständiger Förderprogramme, sondern durch die Integration der Auszubildenden in bestehende. Denn ist die Bereicherung nicht für alle umso größer, umso vielfältiger die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen ist und umso weiter der gesellschaftliche Kreis, in dem eine Vernetzung erfolgt?



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