3. Dezember 2017

Musik- und Theaterkultur stärken – Frei und Laut in die Zukunft



Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen befürwortet, dass die Kunstförderung für Freie Künstler*innen überprüft und ausgebaut wird. Langfristig soll es eine umfassende Inspektion der Förderinstrumente auf Kompatibilität mit der Freien Szene geben. Dafür fordern wir in erster Linie eine Aufstockung des Kulturetats im Land Niedersachsen im Rahmen einer progressiven Kulturpolitik und die Einführung einer existenzsichernden Honoraruntergrenze für Freie Künstler*innen.

Mehr Taler für Theater und Kunst – staatliche Förderung stärken

Kenner*innen der freien Theaterszene wissen: Niedersachsen ist einer der Top-Standorte in Deutschland für freie Kulturschaffende.
Sie wissen aber auch: Für die Künstler*innen ist es oft nicht einfach, über die Runden zu kommen.
Dies liegt hauptsächlich im Fördersystem für Freie Kunst. Denn die ökonomischen Bedingungen für kulturelle Projekte müssen selbstgeschaffen und durch beantragte Fördermittel bezogen werden. Im Vergleich zu den Mitteln, die in die subventionierte Kultur fließen, sind die Mittel für die Freie Kultur sehr gering. Dies sorgt für eine konstante Unterfinanzierung der Freien Projekte. Außerdem folgt daraus, dass die Geldgeber*innen ihre Förderrahmen einschränken müssen, um nicht von Anträgen überschwemmt zu werden. Das wiederum hat zur Folge, dass kulturelle Ideen von Kunstschaffenden modifiziert und an fremde Bedingungen angepasst werden müssen. Statt Spiel- und Freiraum gibt es Antragszwänge, die bei allem Innovationsgerede zu Wiederholungen und Bestätigungen führen und dazu, inhaltlich und thematisch auf das zu setzen, was scheinbar gerade angesagt ist.

Dies ist auch von privaten Stiftungen abhängig, die sich oft das Recht einräumen, auserlesene Projekte im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu fördern. Diese finanziellen Mittel genügen allerdings nahezu niemals aus, um das beantragte Projekt nach Vorstellung der Künstler*innen tatsächlich durchzuführen.

Gegen Tragödien hinter den Kulissen– prekäre Arbeitsbedingungen vermeiden

So sind besonders Kommunen und das Land Niedersachsen für die Grund- und Basisförderung der Kulturprojekte verantwortlich. Die tatsächliche Höhe der Fördersumme entspricht aufgrund der zu kleinen Fördertöpfe der öffentlichen Hand nur selten der Antragshöhe und bedingt somit den personellen und materiellen Aufwand, den eine Gruppe für das Produkt aufwenden kann – und ob überhaupt. Dadurch senken viele Kulturschaffende ihren Lohn herab, meistens aber nicht ihre Arbeitszeit.

Aus diesem Grund hat die Delegiertenversammlung des Bundesverbands freie darstellende Künste im Jahr 2015 die Empfehlung einer Honoraruntergrenze für freie Künstler*innen ausgesprochen. Diese möchten wir aufgreifen und in den Rahmen einer progressiven Kulturpolitik des Landes Niedersachsen einbetten. Noch immer finden Ansätze wie diese wenig Gehör, dabei kann der Stellenwert von einer sozialen und inklusiven Kulturpolitik kaum überschätzt werden. Viele Kommunen sind bemüht, im Rahmen ihrer finanziell begrenzten Möglichkeiten eine umfangreiche Kulturförderung zu bieten. Hierbei beschränken sie sich jedoch zu oft auf ”Leuchttürme” der Kulturlandschaft wie große Theaterhäuser, wodurch die Freie Szene, die laut Bundesverband freie darstellende Künste 50% des kulturellen Angebots ausmacht, zu kurz kommt.

Freie Szene unterstützen, Innovation und Vielfalt fördern

Aus unserer Sicht ist vor allem die Landespolitik gefordert: Investitionen in die Freie Szene müssen endlich auch als das anerkannt werden, was sie sind – eine Investition in einen unabdingbaren Teil der städtischen, aber auch der bundesweiten Kultur. Die Freie Szene schafft Innovation in den verschiedenen Kunstsparten und bietet Kulturschaffenden die Freiheit neue ästhetische Formate zu testen. Über kurz oder lang ist die Freie Szene also der Grund für die Veränderung des Kunstbegriffs – auch in der subventionierten Kultur und in der Bürgerschaft. Sie ist die treibende Kraft und eine avantgardistische Opposition. Weiterhin macht gerade das Freie Theater das kulturelle Profil von Niedersachsen aus und hat als besonders aktive Szene einen bundesweiten und auch internationalen Ruf. Die Freie Szene fördert mit künstlerischen Mitteln den Gemeinsinn in Niedersachsen, sie sorgt ganz klar für eine lebendige Kultur für alle Bevölkerungsschichten, die Bürger*innen zusammenbringt und Austausch und Begegnung anregt. Des Weiteren leistet die Freie Szene auch in Hinblick auf die Integration von Geflüchteten mit vielseitigen Projekten einen wichtigen, nicht zu unterschätzenden Beitrag.

Kultur ist Kultur ist Demokratie – institutionelle Förderung ausbauen

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert von der Landesregierung, die Kunstförderung für Freie Künstler*innen finanziell und strukturell auszubauen sowie vorhandene Förderinstrumente unter Einbeziehung der Künstler*innen zu überprüfen. Gerade die oft streng hierarchischen Strukturen benötigen einer Überprüfung in Hinblick auf eine mögliche Demokratisierung der Entscheidungsprozesse und einer gerechteren Aufteilung der Personalkosten.

Es benötigt einer Aufstockung des Kulturetats im Land Niedersachsen im Rahmen einer progressiven Kulturpolitik und die Einführung einer existenzsichernden Honoraruntergrenze für Freie Künstler*innen.

Bei der Forderung nach gesetzlichen Regeln darf es jedoch nicht darum gehen, die freie Entfaltung der Künstler*innen einzuschränken oder ihr Schaffen gar politisch zu instrumentalisieren (wie es beispielsweise die AFD möchte), sondern soll den Kulturschaffenden die Freiheit, nach der sie streben, gewährleisten. Es muss für alle Kulturschaffende die Chance geben, in diesen, mit öffentlichem Geld geschaffenen Strukturen, auch existenzsichernd finanziert ein komplettes Berufsleben zu verbringen.

Clubkultur fördern – Musikszenen stützen

Einen ebenso großen Anteil am kulturellen Leben – insbesondere junger Menschen – haben die Musikclubs. In Zeiten, in denen gesellschaftliche Dynamiken mehr denn je offene, tolerante und solidarische Gesellschaften erfordern kommt der Musik mit ihrer menschenverbindenden Integrationskraft eine bedeutende Rolle zu. Musik als Kulturgut durchdringt alle Lebensbereiche und fördert Zusammenhalt und Zugehörigkeiten, auch unabhängig von Alters-und Generationsgrenzen. Musikclubs und deren beherbergten Live-Musikszenen wirken an der Vermittlung aktueller musikalischer Strömungen aktiv mit und sind für den Erhalt des Kulturlebens
unverzichtbare Orte. Diese lebendigen Musikspots haben kulturell große Bedeutung für eine Stadt bzw. Region und wirken positiv auf das Zusammenleben der Menschen.

Seit einigen Jahren wird die Bedeutung von Musikclubs im Rahmen der Betrachtungen über die Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft für die Stadtentwicklung verstärkt debattiert. Dabei rückt die Rolle populärer Musik, Kunst und Clubkultur in den Fokus der Überlegungen. Musikclubs sind – insbesondere in Großstädten und Metropolen – zentrale Institutionen, welche zuerst soziale und kulturelle Implikationen beinhalten und auch wirtschaftliche Potenziale (Musikwirtschaft, Standortmarketing, Tourismus, Beschäftigung, Einzelhandel, Steuern) erzeugen. Sie fungieren als räumliche Punkte oder gar Inkubatoren (sub)kultureller Szenen und deren ökonomischer Aktivitäten. Sie sind Pioniere der Stadtentwicklung und schaffen eine vielfältige Lebenskultur, soziale Bindungskraft, neue Trends und eigene Stadträume. Die entstandene Infrastruktur –Musikbühnen, Studios, Clubs, Lounges, Stadtteilkulturzentren, Galerien, Ateliers, selbstorganisierte Stadtraumprojekte und ihre Netzwerke für Medien und Kultur –ist das urbane Labor für ein progressives Zusammenleben in den Städten.

Parallel erzeugt die großstädtische Dichte in Metropolen räumliche, funktionale und zeitliche Nutzungskonflikte, die angesichts einer Verdichtung der Innenstädte als Wohnstandort zunehmend an Brisanz gewinnen. In vielen Fällen überlagern sich mehr oder weniger restriktive Planungs- und Genehmigungspolitik,Duldung von Hybridbetrieben im rechtlichen Graubereich und Problemlagen mit Lärmemissionen insbesondere im innerstädtischen Bereich.

Dabei sollen sich nächtliche Konfliktlagen, die von diametral gegenüberstehenden Interessen geprägt sind (Schlaf/Vergnügen) in der
zeitgenössischen Stadt nicht gegenseitig ausschließen. Es gilt ein attraktives urbanes Nachtleben (Kultur, Freizeit und sozialer Zusammenhalt) und andere Daseinsfunktionen (Wohnen, Arbeiten, Erholen) zusammen zu denken.

Freiräume für Musik und Partys schaffen – kommunal und landesweit

Räume für die musikalische Praxis (u.a. Musikspielstätten, Open Air Flächen und Bandübungsräume) müssen stärker in Planungsprozesse zur Stadtentwicklung integriert werden. Statt ausschließlich Höchstbietverfahren anzuwenden, sollten die Liegenschaftsverwaltungen vermehrt Konzeptverfahren nutzen können, die die Integration musikalischer Orte von Beginn an berücksichtigen. Diese Anwendung muss Parlamentariern gesetzlich ermöglicht werden.

Kommunikations-und Entscheidungswege müssen in den Behörden ressortübergreifend (u.a. Stadtentwicklung,Umwelt, Bildung, Wirtschaft und Kultur) aufgesetzt und genutzt werden, um – zum Beispiel durch kommunale Beauftragte für Musik-und Popkultur oder eine Task-Force „Kultur(frei)räume“ Interessensausgleiche zu befördern. Kommunen benötigen zur Stadtanalyse ein stetiges Monitoring- Verfahren, das die räumlichen Verfügbarkeiten und Entwicklungen von Musikclubs, Bandübungsräume und Open Air Arealen dokumentiert. Dafür scheint uns die Einrichtung von „Freiräume-Katastern“ geeignet.

Freiluftpartygesetz in Niedersachsen

Für ein vermehrtes Freiraumangebot von Free Open Airs sind taugliche Versuchsflächen auszuweisen, die eine spontane Nutzung ermöglichen. Langwierige, administrative, teure Verfahren und Auflagen zur Anmeldung dieser Veranstaltungen müssen reduziert werden. Teilweise erfordert dies auch die Abkehr von allgemeinen Flächenverordnungen (z.B. Grünanlagenverordnung). Hier fordern wir die Prüfung eines Freiluftpartygesetzes nach dem Vorbild Bremens.

Freizeitlärm ist cool, denn Party wollen wir alle mal

Mehr Toleranz für „Freizeitlärm“: Emissionen, die durch Kultureinrichtungen entstehen, unterscheiden sich nicht von Kinderlärm an Spielplätzen oder Kitas und Sportvereinen. Das Recht von Einzelpersonen nach Ruhe soll nicht mehr höher bewertet werden, als der Wunsch vieler Menschen nach Entfaltung bei Musikveranstaltungen. Benötigt wird eine Einschränkung des Klagerechts Einzelner gegen Musikveranstaltungen. Zudem sind beispielsweise „Ausgehquartiere“ auszuweisen, in denen die Nachtruhe nicht zwingend um 22 Uhr, sondern zum Beispiel erst ab Mitternacht gilt.

Musikclubs strukturell besser stellen

Die bisherige Einstufung in Bebauungsplänen als Vergnügungsstätten greift für Musikclubs zu kurz: Musikspielstätten sind Kulturbetriebe und unterscheiden sich deutlich von Spielhallen, Sex-Kinos, Wettbüros und auch (Großraum-)Diskotheken betrieben. Vielmehr sind Musikspielstätten als kulturelle Einrichtungen, wie Opern, Theater, Kinos und Museen, bei Bauvorhaben als zulässig zu behandeln und/oder durch eine differenzierte Begrifflichkeit von Vergnügungsstätten begünstigend zu berücksichtigen. Im Rahmen einer Neuordnung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) muss eine neue Gebietskategorie (z. B. „urbane Gebiete“) erhöhte Immissionswerte/db-Grenzen und die Verlagerung der Messpunkte in das Wohnungsinnere beinhalten.



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