18. Oktober 2015

GRÜNE JUGEND Niedersachsen verurteilt GRÜNE Zustimmung zu Asylrechtsverschärfungen!



Am 15. und 16. Oktober beschlossen Bundestag und Bundesrat die schwersten Asylrechtsverschärfungen der letzten 20 Jahre. Damit wurden die Rechte Schutzsuchender in Deutschland zum dritten Mal innerhalb von dreizehn Monaten massiv beschnitten. Das Recht auf Asyl vor Verfolgung ist ein im Grundgesetz festgeschriebenes Grundrecht. Zudem hat Deutschland die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert. Dennoch verfolgt die deutsche Politik eine Strategie der Abschreckung, Isolation und Abschottung. Bündnis 90/Die GRÜNEN, ihrem Selbstverständnis nach den Menschenrechten und dem Asylrecht verbunden, haben dem nicht nur zu wenig Widerstand entgegengesetzt, sondern in Teilen sogar zugestimmt. Ebenso haben es Grüne versäumt, einen humanen Gegenentwurf zum schwarz-roten Asylpaket in die öffentliche Diskussion einzubringen. Wie schon im September 2014 sorgten sie auch bei der Abstimmung im Oktober 2015 im Bundesrat für die notwendige Mehrheit, obwohl sie mit einer einheitlichen Positionierung aller grün (mit-)regierten Bundesländern im Bundesrat die schlimmste Verschärfung des Asylrechts in den letzten 20 Jahren hätten verhindern können. Dieses Versäumnis ist nicht entschuldbar.

Gleichzeitig gab es im Jahr 2015 bereits über 500 Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete. Die gesellschaftliche Stimmung ist vergiftet – die Hetze gegen Geflüchtete wird von Politik und Medien geschürt. Die jüngsten politischen Entscheidungen signalisieren dem Mob, dass Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland weiterhin gesellschaftsfähig sind.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen lehnt die Asylrechtsverschärfungen gänzlich und entschieden ab und kritisiert die Zustimmung durch Teile von Bündnis 90/Die GRÜNEN aufs Schärfste. Vor dem Hintergrund der rassistischen gesellschaftlichen Stimmung und der von CSU bis SPD getragenen Weltuntergangsrhetorik in Bezug auf Geflüchtete wäre es Aufgabe der GRÜNEN, klar und eindeutig für Solidarität und Offenheit einzutreten. Obwohl es beim Thema Asylpolitik um die Grundwerte der Partei geht, lässt sich keine klare Position der GRÜNEN ausmachen. Stattdessen entscheiden Abgeordnete und Landesregierungen nach Gutdünken und strategischen Überlegungen. Besonders kritisiert die GJN, dass sich prominente Vertreter*innen der GRÜNEN öffentlich entgegengesetzt zu Grundwerten und Parteitagsbeschlüssen äußern.

Die schwerwiegendsten Kritikpunkte, weshalb die GJN das Gesetzespaket ablehnt, sind die folgenden:

  • Das Gesetzespaket verschärft die Situation für Geflüchtete, stigmatisiert sie zusätzlich und sorgt für eine Einteilung in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse. Insbesondere Geflüchtete vom Balkan, vor allem Roma, werden durch die Gesetze pauschal als „schlechte Flüchtlinge“ eingestuft und massiv diskriminiert.
  • Die längere Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen ist das Gegenteil von Willkommenskultur. Sie führt zu Konflikten und letztendlich zu sozialer Desintegration, d. h. der vermehrte Streit und Konflikte in den Unterkünften führen zu einer stärkeren Ablehnung von Geflüchteten in der Gesellschaft, was wiederum zu mehr Konflikten durch die erlebte Diskriminierung führt. Die Verlängerung der Aufenthaltszeit im Lager setzt somit einen sich selbstverstärkenden negativen Prozess in Gange.
  • Die Rückkehr zur Vergabe von Sachleistungen ist eine diskriminierende Entmündigung und bedeutet einen massiven organisatorischen Mehraufwand. Die Annahme, dass weniger Menschen in Deutschland Schutz suchen würden, wenn ihre Lebensumstände hier verschlechtert werden, ist ein Irrglaube.
  • Die Verlängerung des Arbeitsverbotes steht dem Bedürfnis vieler Geflüchteter, durch eine sinnvolle Arbeit für sich und ihre Familie selbst zu sorgen, entgegen und verdonnert sie zum Nichtstun. Stattdessen werden auch hier soziale Konflikte geschürt und Isolation praktiziert.
  • Die nun verabschiedeten Vereinbarungen zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete sind eine Mogelpackung, da mit der Bundesregierung bereits eine bundesweit einheitliche Gesundheitskarte vereinbart war. Der Leistungsumfang richtet sich nur nach Asylbewerberleistungsgesetz und entspricht nicht dem Standard gesetzlicher Krankenversicherung.
  • Trotz einer stärkeren Übernahme von Kosten durch den Bund wird dieser seiner Verantwortung zu einer strukturellen und langfristigen Finanzierung nicht gerecht.
  • Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer orientiert sich am Wunschtraum mancher Politiker*innen, weniger Schutzsuchende in Deutschland aufnehmen zu müssen und nicht an der tatsächlichen Situation in den betroffenen Ländern. Insbesondere die Roma werden im Kosovo stark diskriminiert und die Tatsache, dass dort nach wie vor mehrere Hundert Bundeswehrsoldaten stationiert sind, widerspricht einer Einstufung als „sicher“ eindeutig.
  • Durch das Verbot, Abschiebungen anzukündigen, haben Geflüchtete faktisch keine Möglichkeit mehr, Rechtsmittel gegen ihre Abschiebung einzulegen, was einer Verletzung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien entspricht. Vor dem Hintergrund, dass in Niedersachsen in der Vergangenheit ca. ein Drittel aller Klagen gegen Abschiebungen erfolgreich war, ist also davon auszugehen, dass demnächst ein beträchtlicher Anteil von Abschiebungen rechtswidrig durchgeführt werden wird.
  • Die vermeintlichen Erfolge durch den Kompromiss im Herbst 2014, dem nur Baden-Württemberg zugestimmt hat, sind mit dem jetzigen Verschärfungen nahezu vollständig kassiert oder ins Gegenteil verkehrt worden.

Die Maßnahmen des Gesetzespakets sind geprägt von einem rassistischen Menschenbild. Statt die Herausforderungen durch die hohe Zahl von Schutzsuchenden entschlossen zu lösen und die positiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektiven zu benennen, wird rechter Hetze der Weg bereitet oder behördlich verordnet.

Die Unterstützung dieser Asylrechtsverschärfungen durch Teile der GRÜNEN ist beschämend!

Das Engagement der GRÜNEN Fraktionen in Niedersachsen und anderen Bundesländern, sich bei der Bundesratsabstimmung gegen den erheblichen Widerstand der Koalitionspartner und Teilen der Öffentlichkeit zu enthalten, würdigt die GJN hingegen ausdrücklich.



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