30. August 2008

Die 11. Klasse – viel mehr als nur zum Chillen



Mit der auf der Kultusministerkonferenz beschlossenen G8-Reform wird unter anderem auch die Schulzeit am Gymnasium von 13 auf 12 Jahre verkürzt. Der auf 13 Jahren basierende Unterricht muss „ausgerümpelt“ bzw. gekürzt werden, weil alle davon auszugehen scheinen, dass die 11. Klasse nur ein „Ausruhjahr“ ist. Doch war und ist dem so, wie oft von der Landesregierung propagiert? Oder war Sie nur für manche zum relaxen und hat sie gar für viele die Chance eröffnet neue Erfahrungen mit Bildung außerhalb der Schule zu machen und eine 13 Jahre währende Repression erträglicher zu gestalten? Und selbst wenn die 11. Klasse de facto oft nur einen Übergang zur Oberstufe darstellt ist das nicht sofort mit der Abschaffung selbiger gleichzusetzen. Wir haben eine unzureichende Struktur in der 11. Klasse, die leider nicht jedes Individuum in seinem Lernprozess voranbringt. Also muss vielmehr die Situation evaluiert, Vorteile beibehalten, Nachteile verändert werden.

Das Idealbild ist der GRÜNEN JUGEND seit langem klar: Die Gesamtschule! Doch muss auch im vorhandenen System probiert werden dieses so sinnvoll und repressionsfrei wie möglich zu gestalten, bis wir unsere Utopie tatsächlich verwirklichen können. Denn ein Jahr weniger repressionistische Schulzeit heißt nicht insgesamt weniger Repression! Im Gegenteil für viele von uns Schülerinnen und Schülern wird die letzte Brücke zu Kreativität und Selbstentfaltung zerschlagen.

Gerade die 11. Klasse gibt schwächeren SchülerInnen die Möglichkeit, Lücken, die in den vorherigen 10 Jahren entstanden sind, wieder zu füllen, ja geradezu aus ihnen eine Stärke zu machen. Ohne 11. Klasse wird hingegen diese Möglichkeit und die, eines umfangreichen Übens des im Unterricht erlernten Stoffes, genommen. Diese Wiederholung des Unterrichtsstoffs muss somit für schwächere SchülerInnen auf den Nachmittag verschoben werden, was eine zusätzliche kaum zu schaffende Belastung für viele darstellt.

Auch wer meint, Haupt- und RealschülerInnen (selektiert nach der 4. Klasse!) sollten die Chance haben, den Weg auf ein Gymnasium wieder einzuschlagen, kann der Verkürzung auf 12 Schuljahre nicht zustimmen. Solchen SchülerInnen wird gänzlich die Chance genommen ihr Abitur zu erreichen. Wie ihr Leben aussieht bzw. welchen Lauf das Kind einzuschlagen gezwungen ist, wird somit im Alter von 10 Jahren entschieden. Mit 10 Jahren sich für die nächsten 30, 40 oder noch mehr Jahre (Arbeits-)Leben festlegen?

Aber auch stärkeren SchülerInnen werden zu erlernende Kompetenzen vorenthalten. So haben gerade hochbegabte Schülerinnen und Schüler oft Probleme mit sozialer Anbindung und Integration. Mit einem erhöhten Leistungspensum wird diese Kluft nur ausgeweitet und eine Art Arbeitselite herangezogen, was in keinem Fall der Gesellschaft zugute kommen wird.

Dies sind nur ein paar Gründe, die deutlich machen: Die 11. Klasse muss beibehalten werden! Auf eine Umstrukturierung darf dabei nicht verzichtet werden. Deshalb sollen hier nur einige Denkanstöße zu einer Verbesserung gegeben werden:

  1. In der 11. Klasse sollte mehr Zeit und Raum für eine Vorbereitung auf den Beruf gegeben werden. So sollte es nicht mehr wie bisher ein zweiwöchiges Betriebspraktikum geben, sondern es sollten unterschiedliche Betriebe mit verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten beleuchtet werden. Dabei sollte der/dem SchülerIn möglichst viel Freiheit bei der Auswahl gelassen werden, wenn nötig aber auch eine breite Unterstützung bereitstehen.
  2. Ebenso ist es wichtig, den Sinn oder Unsinn eines Studiums für das eigene Leben abzuwägen. Aus diesem Grund müssen ein oder mehrere Schnupperstudia gefördert werden, in denen SchülerInnen die Möglichkeit haben aktiv den Alltag eines/r StudentIn zu erleben und sich einen Überblick über die Studienrichtungen zu verschaffen. Dadurch wird es weniger Studienabbrüche und Studienwechsel geben, die für die/den einzelneN StudentIn wie auch für die gesamte Gesellschaft belastend sind.
  3. Der Unterricht sollte im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren anders strukturiert werden. So darf die Planung des Unterrichts nicht auf den bisherigen Fächern und Plänen basieren, es sollte Raum für selbstbestimmtes Arbeiten geben in verschiedenen Formen. So könnten z.B. Projekte zur Verbesserung des Schulalltags ein besseres schulinternes Klima schaffen, sodass Schule nicht immer und zwangsläufig mit schlechten Dingen assoziiert wird. Auch wird dem/r SchülerIn auch vermittelt, was es heißt Verantwortung zu tragen für ein Projekt und eine Gemeinschaft, das was heutzutage leider vielen Menschen fehlt. Aber auch eine Spezialisierung auf Gebiete beispielsweise der Wissenschaft sollte als Forschungsprojekt ermöglicht werden.
  4. Freiwilliges Engagement und Lernen sollten gefördert werden und in die Benotung (solange diese noch existiert) mit einfließen. Unterricht in der heutigen Form ist oft langweilig und nicht praxisorientiert, wodurch viele SchülerInnen den Eindruck haben, sie würden nur für die LehrerInnen oder die Noten lernen. Und allzu oft wird der Stoff nach der Klausur sofort wieder vergessen. Wir wollen nachhaltiges Lernen, ansonsten verschwenden die SchülerInnen nur ihre Zeit. Nachhaltig gelernt wird, wenn freiwillig gelernt wird, z. B. im VHS Japanischkurs, im Sportverein oder in der Grünen Jugend.

Deshalb fordern wir als GRÜNE JUGEND Niedersachsen: Schluss mit der immer größer werdenden Repression in Schulen und für ein selbstbestimmtes Lernen in angemessenem Raum und Zeit. So muss, wollen wir die Bildung nicht immer mehr zur Ware verkommen lassen, die 11. Klasse und 13 jährige Schulzeit wieder eingeführt werden.



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