10. Februar 2006

Schmeckt´s?



Die Scheibe Salami morgens zum Frühstück aufs Brötchen, der Lammdöner mittags für zwischendurch und abends gibt es dann Spagetti Bolognese. Viele Menschen essen täglich Fleisch und nur die wenigsten sind sich bewusst welche weitreichenden Folgen ihre Ernährungsweise hat. IGEL-Koordinator Sven-Christian Kindler zeichnet den globalen Produktionsweg der Fleischerzeugung nach und stellt die dramatischen Auswirkungen des Fleischkonsum auf die Umwelt, Tierhaltung, den weltweiten Hunger und die Gesundheit dar.

Die Sonne brennt Pablo ins Gesicht. Er ist erschöpft, doch er muss weiterarbeiten. Langsam nimmt er seine Motorsäge wieder in die Hand und setzt an. Es ist ein riesiger, alter Urwaldriese, der schon in wenigen Minuten nicht mehr stehen wird. Pablos Arbeitsplatz ist der argentinische Regenwald. Seine Auftraggeber wollen auf diesem Areal Soja anpflanzen. Soja ist das Hauptfuttermittel in der globalen Fleischproduktion und mehr als die Hälfte der weltweiten Ernte ist gentechnisch verändert und wird mit giftigen Pflanzenschutzmitteln behandelt. Durch den Pollenflug der gentechnisch veränderten Organismen, den Pestizideinsatz und das Abholzen der natürlichen Waldbestände wird die Flora und Fauna in den Entwicklungsländern nachhaltig geschädigt.

Kein Schwein gehabt

Bauer Erwin Petersen öffnet mit einem riesigen langen Messer den großen braunen Sack, auf dem in schnörkelloser Schrift „Feinster Sojaschrott aus Argentinien“ gedruckt ist.
Der Großteil der Futtermittel aus den Entwicklungsländern wird in den Industrieländern für die Fleischproduktion verbraucht. Bauer Petersen schüttet den Schrott, den er mit verschiedenen Antibiotika als Masthilfe angereichert hat, in die automatisch betriebene Fütterungsmaschine. Auf seinem Hof im Nordwesten Niedersachsens hat er fast seine gesamte Produktion automatisiert. Durch den internationalen Kostendruck und den scheinbar ungestillten Hunger nach billigem Fleisch musste er massiv rationalisieren. 3 Mitarbeiter hat er nur noch, und das für 1300 Schweine, die in einem kleinen Stall untergebracht sind. Die Schweine kriegen den Kostendruck im Besonderen zu spüren. Nur drei Wochen nach ihrer Geburt werden die Ferkel ihrer Mutter entrissen und mit anderen Ferkeln in eine winzige Box eingesperrt. Stress und Angst wegen der Enge und die seelischen Qualen wegen des Verlustes der Mutter schwächen in erheblichen Maße ihr Immunsystem und erzwingen den frühen präventiven Einsatz von Antibiotika.
Im weiteren Verlauf ihres qualvollen Lebens werden die Ferkel ohne Betäubung kastriert und ihnen wird mit einer Zange der Hinterschwanz abgeschnitten. Der Boden der kleinen Box auf dem die Ferkel zusammengepfercht sind, ist aus hartem Metallgitter. Schreckliche Schmerzen für die Paarhufer, die weichen Waldboden benötigen. Verkrüppelte Gelenke und blutig entzündete Hufe sind die Folgen.
Um dem riesigen Fleischhunger gerecht zu werden, werden die Schweine innerhalb von vier bis fünf Monaten, von 20 kg auf 110 kg hochgemästet. Sind sie dann so fett, dass ihre Knochen und Gelenke ihr Gewicht nur noch unter massiven Schmerzen gerade so tragen können, werden sie zum Schlachthof transportiert. Dieser Transport kann Stunden, aber auch Tage oder Wochen dauern. Je nachdem wie es am kostengünstigsten ist. Dabei sterben allein zehn Prozent aller Schweine auf Grund von Stress, Panik und Todesangst.
Im Schlachthof werden die völlig erschöpften Schweine mit Elektroschocks aus den LKWs geprügelt. Nach dem Tierschutzgesetz müssen die Schweine bei der Tötung durch Ausbluten betäubt werden. Jedoch passiert es bei der zeitlich streng rationalisierten Arbeitsweise in den Schlachthöfen immer wieder, dass die Betäubung durch die Elektrozange nicht lange genug anhält oder schlichtweg vergessen wird. Diesen Tieren werden dann bei vollem Bewusstsein die Füße abgesägt, um danach im kochend heißen Brühbad ertränkt zu werden.

Tierquälerei für alle!

So wie den Schweinen geht es vielen Tieren, die für die menschliche Nutzung in der Massentierhaltung gequält und dann geschlachtet werden. Männliche Küken werden, da sie keine Eier legen, sofort nach der Geburt zerschreddert, vergast oder ertränkt. Den weiblichen Küken wird im Alter von 10 Tagen der Schnabel, durch den empfindliche Nerven laufen, mit einem heißen Messer gestutzt – damit sie sich später nicht gegenseitig blutig hacken können!
Milchkühen wird ihr Kalb sofort nach der Geburt weggenommen. Unbeschreibliche seelische Qualen für Mutter und Säugling, die nun in engen Boxen ohne Auslauf gehalten werden. Die Mütterkühe müssen vier bis fünf Jahre durchgehend Milch geben, um dann völlig erschöpft geschlachtet zu werden. Die Kälber vegetieren drei Monate in dunklen Einzelboxen, die nur 90 cm breit sind, um dann als „edles“ Kalbsfleisch verwertet zu werden.

Fleisch essen macht hungrig

Die Folgen der immer weiter wachsenden Fleischproduktion sind für das Ökosystem der Erde und die globale Ernährungssituation ein Desaster. Der Viehhaltung, aber auch dem Futtermittelanbau, wird der Großteil der Regenwaldabholzung zugerechnet. Tiere brauchen eben einen gewissen Platz – auch in der Massentierhaltung. Weltweit werden circa 80 % der landwirtschaftlichen Fläche zur Tierhaltung benutzt. Gerade Waldgebiete, die durch ihre C02 absorbierende Wirkung einen wichtigen Anteil zum Klimaschutz beitragen, müssen dafür weichen.
Weiterhin müssen Tiere auch viel fressen. So werden alleine circa 37 % der weltweiten Getreideernte und 70 % der Sojaproduktion als Futtermittel verwendet. Der ökonomische Nutzen, der bei der Fleischproduktion entsteht ist dagegen lächerlich gering. Für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch werden „zur Veredelung“ je nach Tierart 7-12 Kilogramm Futtermittel benötigt. Viel effizienter und ressourcensparender wäre es, die produzierten Lebensmittel nicht an Tiere zu verfüttern, sondern selbst direkt als Nahrung zu verzehren. So können auf einem Hektar landwirtschaftlicher Fläche – berücksichtigt mensch den enormen Futterbedarf und den großen Platzbedarf des Vieh – nur 185 kg Rindfleisch, jedoch auf der gleichen Fläche ebenfalls 22.500 kg Kartoffeln produziert werden.
Doch trotz der bekannten Fakten nimmt der globale Fleischkonsum, durch die massive Verbreitung der fettigen Fast-Food-Ernährung, durch westliche Konzerne weiterhin zu. Angesichts dieser unsinnigen Nahrungsmittelverschwendung, brauchen wir uns über den weltweiten Hunger nicht zu wundern. Mittlerweile gelten mehr als eine Milliarde Menschen durch eine einseitige, überwiegend fleischhaltige Ernährung als übergewichtig, während weltweit 840 Millionen Menschen – davon 300 Millionen Kinder – unterernährt sind und täglich Zehntausende an den Folgen des Hungers sterben müssen. Begünstigt wird dieser ganze Prozess durch das neoliberale Welthandelssystem. Gerade die Entwicklungsländer sind aufgrund internationaler Handelsverpflichtungen gezwungen ihr produziertes Getreide und ihre Sojaerzeugnisse in die Industriestaaten zu exportieren, um dort die „Nutztiere“ des Nordens zu ernähren, während die eigene Bevölkerung hungert.

Fleisch macht krank

Ulrike sitzt auf der Couch und guckt fern. Nebenbei haut sie sich eine Lasagne rein. Vorhin hat sie schon zwei Burger verputzt. Ulrike isst gerne Fleisch, das sieht mensch ihr an und das kriegt sie auch schon gesundheitlich zu spüren. Mehrere internationale Studien haben nämlich erwiesen, dass der Fleischkonsum das Risiko an Krebs, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Osteoporose, Fettleibigkeit, und zahlreichen anderen Zivilisationskrankheiten zu erkranken, deutlich steigert. VegetarierInnen hingegen leben äußerst gesund. Das hat die weltweit bisher umfangreichste VegetarierInnen-Studie ergeben, die von der London School of Hygiene and Tropical Medicine mit über 11.000 Personen über mehrere Jahre durchgeführt wurde. Danach haben Menschen, die auf Fleisch verzichten, deutlich niedrigere Blutdruck-, Harnsäure- und Blutfettwerte, ein häufigeres Idealgewicht und eine bessere Nierenfunktion. Die Sterberate der Vegetarierlnnen war um 20 % und die Krebstodesrate sogar um 40 % niedriger als bei der fleischessenden Kontrollgruppe.

Vegetarisch die Welt verändern

Stellt sich abschließend die Frage, was ich persönlich tun kann, um die Abholzung des Regenwaldes, den weltweiten Hunger und das millionenfache Leid der Tiere zu stoppen. Die Antwort ist einfach : Verändere deine Ernährung, und du veränderst die Welt. Lebe vegetarisch oder vegan. Es zahlt sich aus. Gerade für deine Gesundheit. Und wenn wieder irgendwo ein Fleischskandal auftritt, kannst du beruhigt sein – denn auf deinen Teller ist kein Gammelfleisch, BSE, oder Nitrofen zu finden. Um es mit den Worten von Paul Mc Carntey zu sagen:” Ich glaube an den friedlichen Protest und keine Tiere zu essen ist gewaltfreier Protest.” Also, lasst uns gemeinsam protestieren.
Sven-Christian Kindler, 20, ist IGEL-Koordinator und isst am liebsten Fruchtfleisch. Der Artikel ist im aktuellen IGEL zur Globalisierung veröffentlicht.

Siehe auch:

Homepage der Tierrechtsorganisation PETA
Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus
Freies Bildmaterial zur Massentierhaltung und Tierquälerei



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