30. August 2008

Kultur(en) schaffen statt in der Herkunft eingemauert bleiben



Die Lebensverhältnisse in einer entwickelten Gesellschaft bekommen durch die Kultur, in die sie eingebettet sind, erst einen sinnhaften Zusammenhang: Kultur als Speicher des gesellschaftlichen Wissens und zugleich als Ort der Aushandlung ihrer Zusammenhänge sowie der Weiterentwicklung dieses Wissens. Kultur als sinnstiftender Zugang des Menschen zu ihrer/seiner Umwelt und als Raum der ästhetischen Freizügigkeit verbindet die sich überlappenden Generationen untereinander als Basis ihrer Verständigung und die Gesellschaft mit ihrer Geschichte. Dabei versteht die GRÜNE JUGEND Niedersachsen Kultur nicht als Dogma, das die Menschen an sich bindet. Kultur entwickelt sich mit jeder Einzelnen, die sie ausfüllt. Kultur lebt und wird gelebt!

Deshalb betrachten wir jedes Handeln und jede Praktik, die bedeutungsvoll interpretiert und mit Sinn und/oder Gehalt gefüllt wird, als kulturschaffende. Daraus folgt weiter, dass wir jede Ideologie der Bindung an eine als starr gedachte Kultur, Unterscheidungen zwischen „wertvolleren“ und „banalen“ oder gar „entarteten“ Formen von Kultur sowie die einseitige Förderung einer kulturellen Strömung als ethnozentristisch ablehnen. Stattdessen betrachten wir Kultur als dynamisches Geschehen, deren Zugang für alle offen und an dessen Ausgestaltung jedeR die Möglichkeit der Beteiligung haben sollte.

In einer pluralen Gesellschaft ist nicht mehr von einer einheitlichen Kultur auszugehen, sondern von einer Vielzahl kultureller Strömungen. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht kulturelle Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung und notwendige Voraussetzung, damit der Prozess der kulturellen Entwicklung nicht stehen bleibt. Dennoch darf Kultur nicht ihren verständigenden und verbindenden Charakter verlieren. Kulturpolitik muss deswegen beides leisten: das kreative Neuentstehen kultureller Zusammenhänge jeder kleinen, autonomen oder subkulturellen Strömung fördern und die distanzierte Reflexion über die Entstehung dieser Zusammenhänge als Grundlage für die Verständigung und Durchmischung dieser Kulturströmungen stärken. Vor allem aber muss Kulturpolitik die Bedingungen dafür schaffen, dass jedeR Zugang zum kulturschaffenden Prozess bekommt.

Mit Sorge betrachtet die GRÜNE JUGEND Niedersachsen die immer schnelllebiger werdende Gesellschaft, die unter den herrschenden ökonomischen Verhältnissen gerade in bildungsferneren Schichten weder die Muße noch die finanziellen Mittel hat, sich dem „kulturellen Leben“ zu widmen und ihre Angebote zu nutzen. Hieraus resultiert jedoch nicht nur eine kulturelle Verarmung der Menschen, die diese Angebote nicht nutzen, sondern natürlich auch ihrer Kinder, an die kulturelle Angebote nicht herangetragen werden. Unter solchen Lebensbedingungen verharren viele Menschen in ihrem unreflektierten Alltag und neben dem mehrere Stunden am Tag laufenden Fernseher fehlt es an Auszeit und Entspannung. Die Folge ist ein von Werbung produzierter Mainstream, der verhindert, dass sich eine kulturelle Vielfalt entwickelt und erhält. Die Kraft der Kultur liegt nicht ausschließlich im Konsumieren sondern im Austausch über Kultur und im selbständigen Gestalten dieser. Deshalb fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen, ein für alle Menschen zugängliches, abwechslungsreiches Kulturangebot zu schaffen, dass aus mehr besteht als aus Fernseher, Bier und Shoppen.

Machtverhältnisse in der Kultur beachten

Wissen ist Macht! Was in unserer Gesellschaft als „wahres Wissen“ gilt, also als so genannte „Allgemeinbildung“, bestimmt die „Hochkultur“. Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht in dieser Deutung von „Hochkultur“ die Gefahr der Vernachlässigung potentiell gleichwertiger kultureller Strömungen, die aber der Willkür zur Folge dem Kanon „Hochkultur“ nicht angehören. Eine Aufgabe der Kulturwissenschaften und auch der Kulturpolitik muss deshalb in der Anregung eben dieser Reflexion in unserer Gesellschaft liegen.

Dennoch sieht die GRÜNE JUGEND Niedersachsen so genannte „Hochkultur“ als einen wichtigen und lebendigen Teil unserer kulturellen Auseinandersetzung. Klassische Musik, Oper, Theater und Malerei sehen wir als erhaltenswerte, kulturelle Angebote an, die die Vielfalt unserer Kultur bereichern und auch ein Stück Geschichte in unsere Gesellschaft transportieren. Die Möglichkeit zum Genuss der „Hochkultur“ und die sich daraus ergebende Chance zur Auseinandersetzung mit den Bedeutungsgehalten dieser soll möglichst allen Menschen gegeben werden. Schon im Kindergarten und in der Grundschule sollen erste Bausteine gelegt werden, um das Interesse von Kindern an Musik, Literatur und Kunst zu wecken. Regelmäßige, altersgerecht gestaltete Besuche in Museen und Theatern sollen ebenso selbstverständlich sein wie kreative Selbstfindungsprozesse durch praktische Arbeiten und das Erlernen eines Instrumentes. Musik, Kunst und Darstellendes Spiel sollen einen wichtigen Raum im Schulunterricht einnehmen. Regelmäßige Theaterbesuche sowie eigenständiges Musizieren im Musikunterricht sollen ebenfalls von Klein auf zur Tagesordnung gehören. Doch auch das gemeinsame Besprayen des Schulgebäudes und die Förderung von Schulbands sehen wir als bereichernden, kulturellen Teil einer Schule an. Zudem soll zum eigenständigen Denken, Abstrahieren und Diskutieren motiviert werden. Auch das Ausprobieren eines eigenen Verständnisses von Kultur muss gefördert werden.

Um Zugangsschwellen zu senken, sollen Kulturangebote, gerade für Kinder und Jugendliche, kostenfrei gestaltet sein. Der Eintritt in staatliche Museen und auch der Leihausweis für Büchereien müssen perspektivisch generell kostenfrei sein. Aber auch heute schon sollten zumindest Kinder, SchülerInnen, Azubis, StudentInnen, Arbeitslose, unter dem Existenzminimum lebende Menschen und RentnerInnen kostenlos in das Museum gehen können. Nach dem Vorbild des Berliner Sozialtickets muss ökonomisch Benachteiligten auch im Erwachsenenalter der Zugang zu Kultur kostengünstig ermöglicht werden.

Wider der „Deutschen Lei(d)tkultur“ – Für die multikulturelle Gesellschaft

Wir setzen uns für eine multikulturelle Demokratie ein. Plumpe Forderungen von konservativen PolitkerInnen nach einer „Deutschen Leitkultur“ lehnen wir deshalb entschieden ab. Stumpfsinniger Patriotismus oder Nationalismus, der von einer Höherwertigkeit einer Deutschen Kultur – wie auch immer die definiert sein mag – ausgeht, verstärkt nur fremdenfeindliche und antidemokratische Tendenzen in der Gesellschaft, wie unter anderem durch die Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer empirisch nachgewiesen wurde. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland im 20. Jahrhundert für die Entfachung zweier Weltkriege und im Rahmen der Shoa für die Massenvernichtung von mehr als 6 Millionen Jüdinnen und Juden verantwortlich ist, ist die Betonung einer höherwertigen deutschen Kultur vollkommen inakzeptabel, vor allem vor dem Hintergrund, dass Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus immer noch weit in der deutschen Gesellschaft verbreitet sind.

Das Leben in einer multikulturellen Gesellschaft dagegen ist eine große Bereicherung, es verlangt aber zugleich Rücksichtnahme. Es fordert eine Kultur des Respekts, die über Duldung oder Erlaubnis hinausgeht und Anerkennung und Akzeptanz umfasst. Es betrifft jedeN EinzelneN, denn Anerkennung ist in der multikulturellen Demokratie eine Haltung der Bürgerinnen und Bürger zueinander: Sie sind zugleich Anerkennende und Anerkannte.

Anerkennung heißt für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen nicht Indifferenz oder Gleichgültigkeit. Anerkennung hat für uns einen Rahmen und damit auch Grenzen. Dieser gemeinsame Rahmen besteht für uns aus den universellen Menschenrechten. Wir betrachten deshalb z. B. das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, die Gleichberechtigung von Frau und Mann, das Recht auf Religionsfreiheit oder den Schutz von Minderheiten als grundlegende Norm für das friedliche Zusammenleben von verschiedenen Kulturen. Die Einhaltung dieses Rahmens fordern wir von allen ein – unabhängig davon, ob sie Alt- oder NeubürgerInnen, Frauen oder Männer sind oder welcher Religion sie angehören. Um diese Werte konsequent zu verteidigen, bedarf es aber eines verstärkten Dialogs statt durch tendenziös nationalistische Diskurse um die „Deutsche Leitkultur“ Misstrauen zu schüren und andere Kulturen abzuwerten.

Deshalb folgt unser Verständnis von Kulturpolitik folgenden Prämissen:

  1. Kultur ist kein Dogma, sondern wird gelebt und ist wandelbar
  2. Es gibt weder Hoch-, noch „entartete“ Kultur
  3. Kultur muss für JedeN zugänglich gemacht werden
  4. Es gibt für uns keine Deutsche Leitkultur und auch Kulturen, die die Menschenrechte nicht wahren, sind für uns keine förderungswürdigen Kulturen

Kultur(en) fördern und stärken – Zugang ermöglichen Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen betrachtet allerdings gerade die Förderung von so genannten Subkulturen oder autonomen Kulturen als eine der grundlegenden Aufgaben der Kulturpolitik. Aufgrund ihrer Individualität und dem konsequenten Hinterfragen von Mainstream sind gerade Subkulturen oftmals nicht in der Lage, sich außerhalb dieses Mainstreams selbst zu erhalten. Wir sehen Subkulturen als normales Ergebnis der kulturellen Heterogenität, die einen enormen Beitrag zur kulturellen Verständigung und Durchmischung leisten. Wir halten unter diesem Aspekt gerade auch die kürzlich durchgeführten Kürzungen der Kulturwissenschaften für fatal. Sie sollten unbedingt rückgängig gemacht werden, da die Kulturwissenschaften einen großen Beitrag zur Ausarbeitung und Analyse von Subkulturen neben der „Hochkultur“ leisten. Wir sprechen uns für Schaffung weiterer kultureller Freiräume aus. Die Besetzung leer stehender Häuser ist für uns ein probates Mittel zur Schaffung von solchen Freiräumen. Wir sehen den Ausbau von Mehrgenerationen- und Begegnungsstätten als gute Chance zum Austausch von kulturellen „Eigenheiten“.

Jugendkultur

Jugendliche Subkulturen sowie autonome Jugendkulturen in bestehenden „Erwachsenen Kulturen“ sind ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung zur Eigenständigkeit und der Findung einer selbstbewussten Identität Jugendlicher. Verschiedene Generationen sollten im ständigen Austausch miteinander stehen und Gemeinsamkeiten ausleben können, jedoch ist es für die Identitätsfindung einzelner Jugendlicher, wie auch für die Jugendlichen und Kinder als Gruppe oder eben Generation, eine essentielle Voraussetzung, dass sie sich eigenständig entwickeln und Disparitäten ebenso wie Gemeinsamkeiten ausleben können.

Triebfeder einer kulturellen Dynamik, einer ständigen Neudefinition des Kulturbegriffs und fortlaufender Entwicklung von Kultur(en) und Subkultur(en) sind autonome Jugendkulturen. In der Geschichte waren es oftmals Jugendkulturen (z. B. 68er), die völlig neue Formen der Kultur entwickelt haben und damit auch ganze Gesellschaften beeinflussen konnten. Jugendkulturen können also auch Keimzellen politischer Forderungen oder jugendlicher Politik sein. Deswegen fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen die Möglichkeit zur freien und unabhängigen Ausgestaltung von Kultur durch Jugendliche. Fehler und Misserfolge gehören ebenso dazu wie Erfolg. Hilfe, Unterstützung, Anregung und Rat durch etablierte Kultureinrichtungen, ExpertInnen und Erwachsene sind unbedingt erwünscht, diese Angebote dürfen das eigenständige Engagement Jugendlicher jedoch nicht unterdrücken oder Unterstützung (sei es finanzielle, strukturelle oder inhaltliche) an Bedingungen knüpfen, die die Autonomie der Jugendkultur an die Kandare legen und ihren Wesensgehalt verändern. Bildung soll Menschen u. A. zur kritischen Reflexion anregen, Bestehendes muss nicht unangetastet bleiben. Deshalb sind Kindergarten, Schule, Uni und Ausbildungsplatz für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen Orte, die Menschen zum Aufbau von Subkulturen, welche ihren Bedürfnissen entsprechen, befähigen sollen.

Politische Kultur

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert, dass es eine landesweit einheitliche Regelung für die Förderung politischer, demokratisch gesinnter Jugendverbände und -initiativen gibt, welche nicht zwingend an eine Partei angelehnt sein müssen oder sich an deren Zielen orientieren müssen. Auch solche Verbände/Organisationen, welche kritische Standpunkte vertreten, dürfen, solange sie vom demokratischen Grundgedanken nicht abweichen und die Menschenrechte wahren, nicht aus dieser Förderung herausfallen.

Bisher unterliegt diese Förderung den einzelnen Kommunen vor Ort. Die Förderung ist, sofern vorhanden, nicht einheitlich und somit nicht chancengleich. Nach Auffassung der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen sollte sie mindestens folgende zwei Bereiche umfassen:

  1. Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten für regelmäßige Treffen: Sich regelmäßig beispielsweise in Kneipen oder bei Privatpersonen zu treffen kann für die Verbände/Initiativen keine Alternative sein, da Benachteiligungen (beispielsweise finanzielle) auftreten können. Mit einem festen, für die NutzerInnen kostenfreien Raumangebot ist die Schwelle für ehrenamtliches politisches und gemeinnütziges Engagement wesentlich niedriger. Das Ideal ist ein von den NutzerInnengruppen gemeinsam verwaltetes Jugendzentrum, dessen Finanzierung durch einen ausreichenden Etat der Stadt gesichert ist.
  2. Bereitstellung eines Etats für politische Jugendverbände und -initiativen: Einige der zu fördernden Verbände und Initiativen haben, da sie nicht gewinnorientiert sein dürfen, erhebliche Probleme mit der Finanzierung von Aktionen. Die Bereitstellung eines, unter allen Anspruch erhebenden Gruppen gleichmäßig zu verteilenden, Etats löst das Problem. Die Leistungen, die für einen Verband/Initiative erbracht werden, sollten eine Art Existenzminimum darstellen, die mehrere Aktionen über das Jahr verteilt ermöglicht.

Aber nicht nur die Verbesserung der Strukturen zur Förderung politischer Jugendverbände und -initativen ist eine Frage der politischen Kultur. Gerade der medienwirksame Umgang mit der Demokratie im politischen Handeln hängt entscheidend von der Kultur ab, von der die öffentliche politische Debatte geprägt ist. Machtstreben und Wahlkampftaktik in der Auseinandersetzung mit der politischen „Konkurrenz“ beschädigen – nicht immer direkt offensichtlich, aber nachhaltig – das Ansehen demokratischer Grundprinzipien in der Öffentlichkeit. Nicht zufällig nimmt die Wahlbeteiligung aber auch die aktive Beteiligung in fast allen politischen Verbänden kontinuierlich ab, zuletzt bei den Kommunalwahlen in Sachsen mit einer Wahlbeteiligung von nur 45 % zu sehen. Deswegen fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen alle politisch Aktiven, speziell diejenigen, die im öffentlich-medialen Diskurs präsent sind, insbesondere aber die RegierungsvertreterInnen dazu auf in ihrem politischen Handeln das Streben nach Erfolg in der politischen Auseinandersetzung nicht mit allen Mitteln zu verfolgen. Im Sinne einer demokratieförderlichen politischen Kultur muss dieser Streben hinter demokratischen Grundlagen wie dem Suchen nach dem Konsens und der Mitbestimmung Aller zurückstehen. Politischen VertreterInnen darf es nicht egal sein, wenn nur noch die Hälfte der Bevölkerung ihre politische Stimme abgibt, solange sie bei dieser Wahl noch die Mehrheit dieser Stimmen erhalten.

Eine gute Kulturpolitik braucht die richtige Finanzierung

Für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen ist besonders die kulturelle Vielfalt von großer Bedeutung. Deshalb lehnen wir kostspielige Förderungen von so genannten Prestigeprojekten ab und sehen besonders die Förderung vieler kleiner Projekte als den richtigen Weg zur Schaffung eines kulturellen Angebots an. Deshalb bedauern wir auch die regelmäßige Kürzung der Unterstützung von kleinen, autonomen Theatergruppen oder Kulturzentren. Anstatt bei Kultur zu kürzen, sollte vielmehr der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer weiter erhöht werden und Steuerschlupflöcher für Besserverdienende zu Gunsten von Ausgaben für die Kulturpolitik gestopft werden, um von diesen Einrichtungen wie Kultur- und Bildungszentren zu fördern und zu errichten. Ebenso setzen wir uns für die Widereinführung der Vermögensteuer und die Erhöhungen der Erbschaftsteuereinnahmen ein.

Kulturflatrate

Als unmittelbares Finanzierungskonzept im Bereich Kultur spricht sich die GRÜNE JUGEND Niedersachsen für die Einrichtung einer Kulturflatrate aus. Wir wollen hiermit die Rechte von VerbraucherInnen stärken. Der vielseitige individuelle Gebrauch von digitalen Inhalten, sei es Musik, Filme, Zeitungen, Bücher, Bilder oder Software muss durchgesetzt werden und darf technisch nicht unterbunden werden. Statt der Strafverfolgung von so genannten „RaubkopiererInnen“ brauchen wir ein Recht auf die nicht-kommerzielle Erstellung von Kopien und auf deren nicht-kommerzielle Nutzung, beispielsweise zum Remixen.

Statt Peer-to-Peer (P2P)-Netzwerke zu verbieten und ihre NutzerInnen massenweise zu kriminalisieren, wollen wir die Kulturflatrate: für eine Pauschale, die auf jedwede mediale Elektronikgeräte beim Kauf erhoben wird, kann der Käufer oder die Käuferin Mediadateien legal im Internet tauschen, so viel sie oder er es will. UrheberInnen werden für das Tauschen ihrer Werke entlohnt. Mit jedem Klick erhält der/die KünstlerIn eine Pauschale für die online gestellten Werke. Jeder Mensch darf frei tauschen und die Gesellschaft kann die Vorteile von P2P-Netzwerken und Internet nutzen, ohne durch die momentan gängige Digitale-Rechte-Management (DMR)-Praxis und der damit verbundenen Zwangskontrolle der NutzerInnen gehemmt zu werden.

Nicht nur der Anerkennung von KünstlerInnen, EntwicklerInnen und sonstigen Kreativschaffenden soll die Kulturflatrate dienen, sondern durch gerechte Verteilung auch die finanzielle Entlohnung für kreative und technische Arbeit ermöglichen. Die Aufteilung der Einnahmen findet transparent und gleichberechtigt statt, außerdem gehen die Einnahmen direkt an die Kunstschaffenden, ohne Umwege über die GEMA. Damit soll dem Einsatz von DRM endlich das überfällige Aus bereitet werden und unbegrenztes sanktionsfreies Tauschen und Herunterladen möglich sein.

Damit stellen wir uns auch gegen die Verteufelung von Tauschbörsen, die einseitig an den Pranger gestellt werden. Tauschbörsen dienen schon heute wesentlich einem sicheren, gleichberechtigten und schnellen Austausch von Dateien. Die Einführung einer Kulturflatrate schafft nicht nur einen fairen Interessensausgleich zwischen allen Beteiligten, sondern beendet auch unnötige Sanktionen gegen Millionen InternetnutzerInnen und macht Überlegungen wie Internetsperrungen oder den Einsatz von Filtertechniken obsolet. Grundsätzlich bedarf es aber einer Diskussion, wie das UrheberInnenrecht ersetzt werden kann, um dies dann für das digitale Zeitalter anwendbar zu machen.

Sozialticket

Kultur soll für alle Menschen zugänglich sein. Doch bei staatlichen Transferleistungen ist Geld für kulturelle Bildung nicht vorgesehen. Die Grüne Jugend Niedersachsen fordert daher die Einführung eines Sozialtickets. Dieses soll landesweit kostenlosen Zugang zu Kultureinrichtungen ermöglichen. Dazu zählen für uns z. B. Theater und Opernhäuser. Staatliche Museen und öffentliche Bibliotheken haben für uns generell kostenfrei zu sein, denn sie bilden den niedrigschwelligsten Zugang zu Kultur und legen wichtige Grundsteine um das weitergehende Interesse z. B. an Theater überhaupt erst zu wecken.

Zudem ist zur kulturellen Partizipation Mobilität ein wichtiger Faktor. Daher fordern wir grundsätzlich kostenlosen ÖPNV, der allen die Chance gibt, sämtliche kulturellen Veranstaltungen in seiner/ihrer Region zu besuchen.

Die Aufgaben des Staates

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht eine funktionierende Kulturpolitik nur dann gegeben, wenn die Kultur autonom funktionieren kann. Dies funktioniert nur, wenn der Staat sich nicht in die Inhalte von Kultur einmischt, solange die künstlerische Freiheit mit den Menschenrechten im Einklang steht. Andererseits erwarten wir jedoch vom Staat, dass er mehr öffentliche Mittel für Kultur bereitstellt. Kulturförderungsprogramme sehen wir als probates Mittel an, um Kultur in einer Kommune zu fördern.

Besonders in einem Flächenland wie Niedersachsen ist es nötig, Kultur nicht nur in Städten anzubieten, sondern auch auf das Land zu bringen. Eine Möglichkeit ist in unseren Augen die Einrichtung eines Kulturbusses, angelehnt an den estnischen Kinobus: Dieser bringt künstlerisch anspruchsvolle Filme zu Kindern und Jugendlichen in abgelegenen Dörfern. Das Konzept Kulturbus sieht zudem vor, dass Kindern und Jugendlichen neben dem Freilichtkino auch die Chance gegeben wird, Filmworkshops mit jungen RegisseurInnen zu machen. Ein vergleichbares Konzept, ausgeweitet auf weitere kulturelle Angebote, wünschen wir uns auch für Niedersachsen, um Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene außerhalb der Zentren in Niedersachsen nicht von dem kulturellen Angebot unseres Landes auszuschließen. Nach Meinung der GJN ist es Aufgabe von Staat und Regierung, Kultur zu fördern und zu initiieren – vor allem in finanzieller Hinsicht.

Was können wir tun?

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen spricht sich für die Erhaltung und Förderung kultureller Vielfalt aus und fordert aus diesem Grund die Förderung von autonomen Subkulturen ebenso wie diejenige von „traditioneller“ Kultur. Wir setzten uns aktiv für eine Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen ein und versuchen durch unser Handeln Akzeptanz auch für Ungewöhnliches zu schaffen.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen sieht sich außerdem als Ansprechpartnerin für Jugendliche gerade auch aus Niedersachsen, die in ihrem Lebensraum autonome Subkulturen schaffen wollen und struktureller Anleitung bedürfen. Diese Unterstützung kann in Form von Aufklärung über grundlegende Rechte und Freiheiten (z. B. Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung, künstlerische Freiheit) geschehen, über die Weitergabe von Erfahrung im Aufbau autonomer Jugendkulturen, im Einzelfall aber auch personelle Unterstützung für ein konkretes Projekt erfolgen.

Außerdem fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen die Akzeptanz politischer Jugendkultur und setzt sich für die Schaffung von Freiräumen für diese ein. Jugendzentren sollen ein Ort für Jugendliche sein, an welchem sie autonome Jugendkultur leben können, von der Politik oftmals ein integrativer Bestandteil ist. Dies darf ebenso wenig unterdrückt werden, wie die Unterdrückung bestimmter Musikrichtungen bei Jugendbands. Vorhandene Räumlichkeiten müssen aus diesem Grund allen Jugendlichen angemessen zugesprochen werden. Ebenso gelten das örtliche Rathaus oder andere öffentliche Räume für die GRÜNE JUGEND Niedersachsen nicht als Raum für einen menschenfernen Staat, sondern als Ort für die Menschen, die dort wohnen. Die Besetzung leerstehender Gebäude zur kulturellen Nutzung gehört für uns ebenso zur Förderung autonomer Kulturen, wie die Freigabe des öffentlichen Raums. Für all diese Forderungen zur Schaffung und/oder Förderung von autonomen Subkulturen gilt selbstverständlich die Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung und das Bekennen zu demokratischen Prinzipien wie Pluralität, Menschenrechten und Toleranz.

Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen fordert aus diesen Gründen die finanzielle und strukturelle Förderung autonomer Jugendkulturen durch Land und Kommunen. Insbesondere sieht die GJN Schulen in der Verantwortung, Jugendlichen und Kindern die Möglichkeit zur kreativen Ausgestaltung ihres Lebens/-raumes zu geben. Die Förderung von musischen und künstlerischen Fähigkeiten darf nicht am Stundenplan scheitern, sondern muss durch die Schaffung von Räumen für Bands, Theatergruppen, Ateliers etc. in schulischen Räumen unabhängig von Lehrplan, Schulleitung und Eltern gemacht werden. Gerade in einem strukturschwachen Flächenland wie Niedersachsen fehlt es oft an kulturellen Angeboten für Jugendliche, sodass diese in ihrem Bestreben eigene Angebote zu schaffen unterstützt werden müssen. Aber nicht nur traditionelle Künste wie klassische Musik, Ballett oder Zeichnen müssen gefördert werden, sondern auch GraffitikünstlerInnen, SkateborderInnen oder BreakdancerInnen haben ein Recht auf Förderung durch oben genannte Institutionen. Die finanzielle, strukturelle und inhaltliche Förderung jugendlicher Subkulturen darf nur dort ihre Grenzen finden, wo Menschenrechte verletzt werden oder die verfassungsmäßige Ordnung angegriffen wird. Demokratische Prinzipien wie Pluralität, Menschenrechte und Toleranz müssen auch von Jugendlichen/Jugendkulturen anerkannt werden, ansonsten genießen sie weder staatlichen Schutz noch Recht auf Förderung.



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