16. Oktober 2016

Für ein modernes Versammlungsgesetz in Niedersachsen



Die GRÜNE JUGEND Niedersachsen setzt sich für ein modernes Versammlungsgesetz in Niedersachsen ein, dass die politischen Realitäten berücksichtigt und eine offene und demokratische Gesellschaft fördert und schützt. Bürger*innenrechte müssen in diesem – wie in jedem – innenpolitischen Gesetz zentral sein. Die
grundgesetzlich verankerte Versammlungsfreiheit ist allerdings nicht nur den „Bürgern“ vorbehalten. Es handelt sich hierbei um ein Menschenrecht. Deshalb begrüßen wir die von der rot-grünen Landesregierung vorgenommenen Änderungen am niedersächsischen Versammlungsgesetz. Doch geht dies, ebenso wie die sonstigen Änderungen nicht weit genug. Deshalb setzt sich die GRÜNE JUGEND Niedersachsen für folgende weitergehende Änderungen ein:

• Aufhebung des Vermummungsverbotes, das heißt auch der Einstufung als Ordnungswidrigkeit. Wir begrüßen dennoch die im laufenden Reformprozess vorgenommene Abstufung des Vermummungsverbotes als Ordnungswidrigkeit, die vorher als Straftat eingestuft wurde. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist diese Neuerung mutig. Das Vermumungsverbot als Ordnungswidrigkeit einzustufen, lässt den verantwortlichen Polizeibehörden die Entscheidungsfreiheit, ob sie dies als solche verfolgen wollen, bleibt aber inkonsequent. Gerade im digitalen Zeitalter, der nicht immer klar als legal einzustufenden Videoaufzeichnung durch Behörden sowie durch Handykameras anderer Demonstrant*innen (gerade bei antifaschistischen Demonstrationen durch die Gegenseite als Einschüchterung genutzte Taktik) und den Pressefotograph*innen, ist die Vermummung für viele Demonstrant*innen ein Mittel zum Selbstschutz im Feld des politischen Engagements.

• Die Versammlungsbehörde und die Veranstalter sollen im Vorfeld der Versammlung konstruktiv kooperieren (Kooperationsgebot). In die Rechte Dritter soll so gering wie möglich und schonend eingegriffen werden. Das Kooperationsgebot ist wichtig und richtig, allerdings müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass sich die Polizei als Versammlungsbehörde und die Anmelder*innen auf Augenhöhe begegnen können. Daher fordern wir die Versammlungsbehörde von der Polizei zu trennen. In den Kommunen ist jeweils eine eigene Stelle zu schaffen, die die Aufgaben der Versammlungsbehörde übernimmt. Die Polizei beschränkt sich demnach nur auf die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, unmittelbar vor, während und unmittelbar nach der Versammlung. Für die Kooperationsgespräche mussen die juristischen Grundlagen für alle Seiten klar dargelegt werden. Die Versammlungsbehörde soll in Zukunft dafür juristische Beratung anbieten. Wir kritisieren in diesem Zusammenhang versuche der Polizei juristische Unkenntnis von Anmelder*innen für ihre Ziele in Kooperationsgesprächen auszunutzen.

• Als politischer Jugendverband ist uns politischer Aktionismus sehr wichtig. Daher sind Demonstrationen eine wichtige Form der politischen Artikulation. Ein bürger*innenrechtsfreundliches Demonstrationsrecht ist daher ein wichtiges politisches Anliegen für uns. Wir fordern daher, dass die Polizei auf Demonstrationen niemals eskalierend auftretten darf. Das bedeutet, dass schärfste Standards an Gewalteinsatz gegen Demonstrierende gelegt werden müssen. Unbewaffnete oder ungepanzerte Personen müssen bei einer Konfrontation mit bewaffneten und gepanzerten Personen, wie etwa in der Regel den Polizist*innen, besonderen Schutz genießen. Verstöße gegen dieses Schutzgebot sollen mit einem Disziplinarverfahren und in schweren Fällen, die mittel- oder langfristige Schäden der Gesundheit mit sich bringen oder diese fahrlässig gefährden, mit der Suspendierung vom Dienst geahndet werden.Es braucht Deeskalation statt behelmter BFE.

• Eine Verbesserung des Datenschutzes für Demonstrationsanmelder und -helfer sowie die Reduzierung der Datenabfragen. Auch aus praktischer Sicht (auch für die Arbeit von Polizei und Versammlungsbehörde!) ist die Datenabfrage nahezu effektfrei und ändert so gut wie nichts an der einschüchternden Wirkung,die von der Anmeldebürokratie einer Versammlung in Niedersachsen ausgeht. Bei Spontanversammlungen soll weiterhin dieAnzeigepflicht entfallen.

• Wir stellen uns gegen „Law und Order-Maßnahmen“ und sprechen uns gegen Maßnahmen wie mehr Videoüberwachung aus. Diese widersprechen unserem Bild von Freiheit und Sicherheit, da diese nur eine Pseudo-Lösung darstellen, weil so faktisch nicht mehr Sicherheit geschaffen wird.

• Die Polizei muss sich weiterenwickeln und den gesellschaftlichen Realitäten gerecht werden. Es braucht mehr diversity in der Polizei und unter ihren Beamten. Wir fordern daher eine feste Quote für Personen mit Migrationshintergrund, die über dem durschnitt der Bevölkerung leigen soll. Ebenso soll es eine Quote für Frauen von 50% geben. Ebenso braucht es Fortbildung für Polizist*innen bezüglich Antirassismus und sexistischer Ressentiments. Die Skandale um die Bundespolizei Hannover haben dies eindeutig gezeigt.

• Die teilweise vorhandene Korpshaltung und der Kadergehorsam innerhalb der Polizei muss aufgebrochen werden. Da gerade dies ein Problem in Prozessen in der Aufarbeitung von Einsätzen ist, fordern wir auch weiterhin die Einführung einer Treuhandstelle für Videomaterial. Wir wollen eine selbstkritische Fehlerkultur innerhalb der Polizei fördern.

• Ebenso fordern wir daher, dass in Zukunft keine Pferde- und Hundestaffeln auf Versammlungen eingesetzt werden.

• Ein weiteres zentrales Anliegen für eine bessere Polizei ist für uns die Weiterentwicklung der unabhängigen Bechwerdestelle für Bürger*innen und Polizei. Wir begrüßen die Einführung durch die rot-grüne Landesregierung, jedoch müssen diese Beschwerden auch ernst genommen werden. Es bedarf einer Evaluierung der bisherigen Arbeit und eine weitere Stärkung der Unabhängigkeit. Ebenfalls muss die Parlamentskontrolle gestärkt werden. Wir befürworten daher zusätzlich die Schaffung eines unabhängigen Landespolizeibeauftragten, der dem Landtag regelmäßig Bericht erstattet. Die Beschwerdestelle muss zudem für die Sicherstellung von Anonymität garantieren und braucht somit eine organisatorische Trennung vom Innenministerium.

• Elementar für jegliche nachfolgende Regierungsbeteiligung der Grünen ist für uns die Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen. Diese Kennzeichnungspflicht bedarf einer gesetzlichen Verankerung und muss auch für aus anderen Bundesländern eingesetzte Beamte gelten. Es ist ein Armutzeugnis, dass Niedersachsen eins der wenigen letzten Bundesländer ist, welches die Kennzeichnungspflicht noch nicht umgesetzt hat.

Wir rufen deshalb die rot-grüne Landesregierung dazu auf, diese Kritik anzunehmen und entsprechend unserer Vorschläge nachzubessern. Denn wir sind der Meinung, Rot-Grün kann das besser. Außerdem wollen wir als GRÜNE JUGEND Niedersachsen dafür streiten, diese Forderungen in das Landtagswahlprogramm der Grünen zu schreiben.



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