16. Oktober 2016

Schluss mit Flusstig – Bundesweite Hafenstrategie statt Flussvertiefungen



Flussvertiefungen stellen generell einen massiven Eingriff in das Ökosystem dar.
Eine Vertiefung führt beispielsweise zu größeren Kräften an der Flusssohle, die zu stärkerer Erosion führen können. Somit wird das durch den Eingriff ohnehin gestörte Gleichgewicht zwischen Flussbett und Strömung weiter verzerrt. An dieses Gleichgewicht geknüpft sind jedoch die Lebensräume für die im Flusssystem lebenden Arten.
Wichtig ist dabei zu beachten, dass die spezifischen Wirkungen eines solchen Eingriffs stark vom vorliegenden Flusssystem abhängig sind. So gilt bei der Elbe beispielsweise, dass es durch die Vertiefung zusätzlich zu einer Erhöhung der Flutstromgeschwindigkeit käme, was einen erhöhten Sand- und Schlickeintrag flussaufwärts in Hamburg bewirkt. Der ohnehin enorme Aufwand an Baggermaßnahmen zur Beseitigung dieses Eintrags würde dadurch noch weiter gesteigert. Und durch die höheren Schwebstoffgehalte und das Sinken der Sauerstoffgehalte kann es besonders in heißen Sommern weiterhin dazu kommen, dass in bestimmten Flussbereichen kein Leben von Fischen und Kleinstlebewesen mehr möglich ist.

Die geschilderten Wirkungen stehen im Widerspruch dazu, dass in der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) alle Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert sind, sämtliche Gewässer in einen „guten ökologischen Zustand“ zu versetzen. Eine Missachtung dieser Anforderungen kann zu Strafzahlungen führen, die den im Allgemeinen angenommenen wirtschaftlichen Gründen der Maßnahme entgegenstehen.

Situation an der Ems

Die Ems sticht generell als Flussmündung mit besonders schlechter Gewässergüte heraus. Jedoch nicht nur durch den steigenden Baggeraufwand, sondern auch durch die vergrößerte Hochwassergefahr drohen weitere ökonomische und ökologische Folgekosten. Dies ist im Falle der Ems besonders perfide, da die Flussvertiefung auch oder sogar vor allem für den Schiffstransport von Kohle für das neugebaute und 2015 gegen große Proteste in Betrieb genommene Kohlekraftwerk in Eemshaven (Niederlande) dienen soll. Wir als GRÜNE JUGEND Niedersachsen kritisieren massivst den Neubau von Kohlekraftwerken und unterstützen die Proteste der umliegenden Inselgemeinden und Umweltverbände. Dass es aus ökonomischen Gründen zu einer baldigen Schließung des neuen Kohlekraftwerks kommen könnte, ist eine sehr begrüßenswerte Nachricht und macht die damit verbundene Emsvertiefung noch weniger sinnvoll.

Im Zuge der Emsvertiefung wird es nun außerdem voraussichtlich zu einer Verklappung von Sand im Naturschutzgebiet „Borkum Riffgatt“ durch die niederländische Wasserbaubehörde Rijkswaterstaat kommen. Eine derartige Verklappung ist laut geltendem Recht eigentlich nicht erlaubt, außer es liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse vor. Dann kann nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Wie am 22.09.16 bekannt gegeben wurde, hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) diese Ausnahmegenehmigung nun für einen befristeten Zeitraum und unter Auflagen erteilt. Dies erfolgte auf Basis des niederländischen Planfeststellungsbeschlusses und der höchstrichterlichen Entscheidung des niederländischen „Raad van Staate“ (übersetzt „Staatsrat“, ein Verfassungsorgan in den Niederlanden zur Beratung der Regierung mit Sitz in Den Haag).

Für uns als GRÜNE JUGEND Niedersachsen ist klar, dass der ökologische Zustand der Ems dringend eine Verbesserung statt eine weitere Verschlechterung erfahren muss. Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist diese Forderung sogar bereits geltendes Recht. Die Ausbau-, Unterhaltungs- und Folgekosten, die die Steuerzahler*innen durch die Emsvertiefung tragen, sind weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll investiert. Daher sprechen wir uns gegen eine weitere Vertiefung der Ems aus. Zusätzlich fordern wir, die WRRL umzusetzen und den Fluss-Ökosystemen wieder mehr Raum zu geben. Das bedeutet beispielsweise die weitere Schaffung von Flachwasserzonen und die Anbindung von abgeschnittenen Seitenarmen und Nebenflüssen.

Bundesweite Hafenstrategie und Umsetzung der WRRL statt Flussvertiefungen

In Deutschland gibt es momentan drei Überseehäfen: Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven bietet dabei mehrere Vorteile: es ist dabei der einzige tideunabhängige Hafen, der die aktuell größten Containerschiffe auch abfertigen kann und liegt nah an der Deutschen Bucht. Außerdem ist das Fahrwasser der Jade sehr tief und bietet genügend Platz, dass große Schiffe sich begegnen können.

Bremerhaven und Hamburg können dagegen nur teilbeladen und je nach Tide erreicht werden. Dabei nimmt die Größe der Containerschiffe aktuell immer weiter zu. An Elbe und Weser sind Vertiefungen geplant, um die Häfen konkurrenzfähig zu halten und Schiffe mit größerem Tiefgang in die Häfen zu holen. Für eine Vertiefung spricht, dass die Kapazitäten des großen Hamburger Hafens nicht sofort auf andere Häfen umgelagert werden können. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die vergleichsweise bessere Umweltbilanz eines Containerschiffs, das einen Binnenhafen wie Hamburg anläuft, im Vergleich zur Verladung der Container auf LKW schon an der Küste.

Die geplante Elbvertiefung wäre allerdings schon jetzt bei weitem nicht mehr ausreichend für die aktuell übliche Größe von Containerschiffen. Unter Einbeziehung der weiter steigenden Kosten für Baggermaßnahmen, die für den Containerverkehr als massive Subvention wirken, wird deshalb deutlich, dass die aktuelle Situation des Hamburger Hafens schwer nachhaltig aufrechtzuerhalten ist. Um den langfristigen Veränderungen zu begegnen, fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen deshalb die Entwicklung eines bundesweiten Hafennutzungskonzepts und der Hinterlandanbindung, um die umweltverträglichste Lösung zu finden, sowie die sozialen und ökonomischen Wirkungen zu untersuchen und gegebenenfalls abzufangen. Eine langfristige Verlagerung der Kapazitäten des Hamburger Hafens ist dabei explizit nicht auszuschließen.



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