21. April 2013

Homophobie angehen – Queere Schulen schaffen



LGBTT-Feindlichkeit (Lesbian-, Gay-, Bi-sexual-, Transgender-, Transsex-Feindlichkeit) ist Alltagsrealität und besonders brisant im Umfeld Schule, da sich dort im hohen Maße Charakter und Identität entwickeln. Dies führt zu schwerwiegenden Problemen bei Jugendlichen, welche von Ausgrenzung über Depression hin zu erhöhten Suizidraten reicht. Wir möchten eine Schule, in der sich jede♥r wohl fühlt und in der Vielfalt als Bereicherung verstanden wird.

Daher fordern wir:

  • Bei der Lehrer♥innenfort- und -ausbildung sollen verstärkt Queer-theoretische Workshops angeboten werden
  • Jede Schule in Niedersachsen wird dazu aufgefordert, ihr Schulprogramm um Queer-theoretische Aspekte zu erweitern.
  • Im Lehrplan aller Fächer, die dafür in Frage kommen, sollen Inhalte der Queertheorie verankert werden und die Umsetzung im Unterricht als eigenständiges Thema gefördert werden. Dazu gehören insbesondere die Fächer Sachunterricht, Deutsch, Werte und Normen und Biologie sowie Fremdsprachen, PoWi und Geschichte.
  • Netzwerke, die Identitäts- und Beziehungsbilder fern von heteronormativen Bildern stärken, sollen gefördert werden. Als Beispiel ist hier das Netzwerk SchLau zu nennen.

”Schwul”, „Schwuchtel” oder „Transe” als Schimpfwörter genutzt gehören zum Alltag auf den Pausenhöfen und in den Klassenzimmern. Meist werden diese Begriffe von den Schüler♥innen unbedacht und routiniert genutzt, die Bedeutung ist dabei meist, wie bei anderen etablierten Schimpfwörtern, zweitrangig. Dennoch sind sie ein Sinnbild für das LGBTT-feindliche Klima, das an Schulen herrscht. Was die hetereosexuelle Schüler♥in erst einmal weniger tangiert, betrifft Schüler♥innen anderer sexueller Identitäten umso stärker. Gerade die Schule, als zentraler Bestandteil der Charakter- und Identitätsfindung, sollte ein Lebensraum sein, der den Entwicklungen auch abseits des traditionellen binären Geschlechtssystems offen begegnet. Die meisten Jugendlichen abseits der Geschlechternormen haben im Schulalltag mit Mobbing und Diskriminierung zu kämpfen. Traurigerweise mündet dies unter anderen auch in deutlich erhöhten Suizidraten in dieser Gruppe. Aber auch tendenziell „normalen“ Schüler♥innen wird durch das Ideal „männlich“ oder „weiblich“ der Raum zur individuellen Entfaltung eingeschränkt. Das Problem geht allerdings nicht ausschließlich von den Schüler♥innen aus. Viele Lehrer♥innen sind auf diesem Gebiet nicht sensibilisiert oder wissen nicht, wie sie bei LGBTT-feindlichen Kommentaren reagieren sollen. Im schlimmsten Fall verhalten sie sich sogar selbst offen LGBTT-feindlich. Um in den Schulen ein offeneres Klima zu schaffen, in dem sich jede♥r frei entfalten kann, ist jede♥r einzelne aufgerufen, offen auf LGBTT-Feindlichkeit zu reagieren und wir begrüßen es, wenn sich Lehrer♥innen trauen offen zu ihrer Homosexualität zu stehen. Desweiteren fordert die GRÜNE JUGEND Niedersachsen, den Queeren Gedanken auf verschiedenen Wegen in der Schule zu etablieren, denn die engstirnige Schüler♥innengeneration von heute ist die LGBTT-feindliche Gesellschaft von morgen.

Lehrer♥innenausbildung

In der bisherigen Lehrer♥innen Ausbildung findet neben fachlicher und didaktischer Ausbildung zumeist nur eine kleine Einheit zum Thema Gender statt, wobei der Blick auf das Fach unter Genderaspekten kritisch hinterfragt wird. Eine allgemeine Sensibilisierung für Gender fernab des binären männlich/weiblich Systems findet leider selten statt. Mit dem Thema Homosexualität werden die wenigsten konfrontiert. Bei der Lehrer♥innenfort- und Ausbildung sollen daher verpflichtende Queer-theoretische Workshops angeboten werden. Diese sollen Teil eines umfassenderen verpflichtenden Antidiskriminierungsmoduls sein, welches des Weiteren Handlungsstrategien gegen Rassismus und Sexismus erarbeitet.

Aber auch fertig ausgebildete Lehrer♥innen sollen für die Problematik sensibilisiert werden. Diesbezüglich gibt es zwar bereits vereinzelte Fortbildungen, jedoch ist das Pflichtfortbildungspensum meist durch Fortbildungen zu Neuerungen in der Ausbildungsstruktur erschöpft, so dass solche Angebote nur von bereits sensibilisierten Lehrer♥innen wahrgenommen werden. Wir fordern daher im Rahmen der Kampange der Niedersächischen Landesregierung eine Fortbildungsoffensive für Lehrer♥innen mit einer verpflichtenden Antidiskrimminierungsfortbildung jährlich. Desweiteren fordern wir, dass im Rahmen der niedersächischen Kampange gegen LGBTT-Feindlichkeit Lehrer♥innen über externe Angebote gegen LGBTT-Feindlichkeit informiert werden.

Schulkonzept und Lehrpläne

Mit dem Schulprogramm präsentiert sich eine Schule nach außen. Auch wird durch das Schulprogramm das Leitbild der Schule formuliert. Es ist naheliegend, dass auch auf dieser Ebene Queer-theoretische Ansätze verankert sein sollten. Deshalb fordern wir die Schulen in Niedersachsen auf, das Thema Identitätsentwicklung unter einem Queer-theoretischen Ansatz mit in das Schulprogramm aufzunehmen.

Auch bei der Lehrbuchauswahl fordern wir die Schulen in Niedersachsen sowie alle Lehrer♥innen Niedersachsens auf, darauf zu achten, wie mit dem Thema Geschlecht und Identität in den Lehrwerken umgegangen wird. Lehrwerke, die einen sensibleren Umgang mit dem Thema pflegen (z. B. durch Beispiele jenseits des heteronormativen Spektrums) sind zu bevorzugen. Wir fordern das Kultusministerium dazu auf, die Kerncurricula beispielhaft um entsprechende Literatur zu ergänzen.

Im Lehrplan für Schulen in Niedersachsen ist vorgesehen, dass sich Schüler♥innen unter anderem mit unterschiedlichen Familienmodellen oder allgemein gesellschaftlichen Themen auseinander setzen. Gerade in den Fächern Werte und Normen, Deutsch, Sachunterricht sowie Biologie sollten darüber hinaus auch Fragen nach der Geschlechtsidentität fern von binären Geschlechtsmodellen behandelt werden. Aber auch in so gut wie allen anderen Fächern kann gut zu diesem Thema gearbeitet werden, weshalb die jeweiligen Fachkonferenzen der Schulen aufgefordert werden, ihre Fachcurricala unter Beachtung queerer Themen und Theorie zu überarbeiten, damit diese ihren wichtigen Platz darin endlich finden. Wir fordern daher, die Lehrpläne entsprechend anzupassen und Homosexualität nicht nur im Zusammenhang mit AIDS oder sexuellen Sonderheiten zu thematisieren! Es sollen in allen genannten Fächern Kompetenzen erreicht werden, die auf der Queer-Theorie basieren.

Externe Projekte fördern

Wo Alltag und Routine Festgefahrenes nicht aufbrechen können, hilft oft externe Unterstützung. Solche sollen die Schulen zwar nicht aus ihrer Verantwortung nehmen, sind allerdings eine sinnvolle Ergänzung. Wir begrüßen daher zum Beispiel das Projekt SchLau, welches nach dem Peer-to-Peer Prinzip arbeitet und junge Erwachsene mit persönlichem LSBT*-Hintergrund in Klassen schickt, in denen sie in Abwesenheit der Lehrkraft über die eigenen Erfahrungen und Probleme berichten. Das Resultat ist in aller Regel ein offenerer, respektvollerer und vor allem reflektierterer Umgang mit nicht heterosexuellen Formen von Identität. Auch Projekte wie „Schule der Vielfalt” aus Nordrhein-Westfalen, welches wie das Projekt „Schule ohne Rassimus” Schulen auszeichnet, die sich offen gegen Homophobie engagieren, begrüßen wir und fordern die niedersächsische Landesregierung auf, dieses Projekt durch Förderung auch in Niedersachsen zu etablieren.

Wir fordern den Landesvorstand auf, die Inhalte dieses Antrages bei Bündnis90/Die Grünen Niedersachsen einzubringen und auf eine Umsetzung hinzuwirken.



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