10. November 2010

Kommunalpolitik ist sexy!



Bericht über das Basisseminar der GJN über Kommunalpolitik vom 8. Bis zum 10.10. in Hannover
Kommunalpolitik ist total langweilig, nur für alte Männer und Frauen, macht keinen Spaß, beschäftigt sich doch nur mit Straßen und Beleuchtung und macht vieeeel zu wenig… Wen interessiert schon Kommunalpolitik?!
Uns. Ein ganzes Wochenende haben wir uns als GRÜNE JUGEND Niedersachsen dem Thema Kommunalpolitik gewidmet. Die Organisation für das Basisseminar vom 8. bis zum 10 Oktober 2010 hat Christian Gailus, erfolgreicher und leidenschaftlicher Kommunalpolitiker, übernommen.
Gleich am Freitagnachmittag haben wir nach einer netten Begrüßung und Vorstellungsrunde angefangen, uns die Frage zu stellen, wo wir schon überall mit Kommunalpolitik in Kontakt gekommen sind. Im Kindergarten, in der Schule, auf der Straße, im Schwimmbad, in Neubaugebieten, irgendwie: fast überall. Die Aufgaben der Kommunalpolitik sind vielfältig, von Kommune zu Kommune anders, teils Pflicht und teils freiwillig aber immer interessanter als mensch erwartet.
Auch wenn wir beim Basisseminar ganz weit unten beginnen wollten, war offensichtlich, dass es niemanden gab, der so gar keine Ahnung hatte. Jeder konnte sich einbringen, aus seiner Kommune erzählen und Fragen stellen. So erfuhren wir dank Björn eine Menge aus Bad Sachsa, Christian H. entertainte uns mit amüsanten Geschichten aus Oldendorf und Christian G. erzählte uns viel über Lehrtes „Spezialdemokraten“, über die Geschichte der Kommunalpolitik und die verschiedenen Wahlarten. Panaschieren oder doch Kumulieren? Oder sogar die ganze Liste wählen, weil die Partei immer Recht hat? Auf Wunsch einer Seminarbesucherin erklärte er uns alles, was mensch so zur Wahl wissen muss und gab uns zugleich einen Ratschlag: Sei niemals WahlhelferIn bei der Kommunalwahl, wenn du vorher noch nie Wählerstimmen ausgezählt hast! Das ist zu kompliziert.
Nach einem schönen, entspannten Abendausklang und wenig Schlaf, kam auch schon der zweite Tag des Seminars. Nun verlegten wir unseren Tagungsort von der LGS ins Grüne Zentrum, wo wir über die Kompetenzen einer Kommune sprachen. Wofür ist die Kommune zuständig, wofür das Land? Darf die Kommune alles selbst bestimmen? Was sind ihre Pflichten, was macht sie freiwillig? Zu den verpflichtenden Aufgaben eine Kommune gehört die Ausführung von Wahlen, die Gesundheit und der Verkehr. Ihre pflichtige Selbstverantwortung ist der Bau und die Ausstattung von Krankenhäusern, zu ihren freiwilligen Aufgaben gehören kulturelle Angelegenheiten wie Museen, der Betrieb eines Schwimmbads oder die Pflege von Grünanlagen. Zu dem Punkt, was ein Mensch in der Kommunalpolitik alles bewegen kann, waren fünf KommunalpolitikerInnen eingeladen, die über ihre Aufgaben in der Kommunalpolitik gesprochen haben, sich über gescheiterte Koalitionen ausgelassen haben oder einfach nur Eindrücke vermittelt haben, wie vielfältig und interessant es sein kann, in der einer eigenen Kommune mit Menschen, denen mensch auf der Straße begegnet, Politik zu machen. Dabei hinterließen sie einen Eindruck davon, mit was für Mitteln mensch die Presse für sich gewinnt, seine eigenen Themen in die Zeitung bringt und und und…. An dieser Stelle nochmal ein Dankeschön an Pat, Raoul, Christian H., Christian G., Michéle und Simon!
Nachdem wir dank der erfolgreichen KommunalpolitikerInnen nun einen Eindruck hatten, was mensch alles bewirken und bewegen kann, folgte das rechtliche Handwerkszeug für den Einstieg in die Kommunalpolitik. Helmut Delle, Kommunalreferent von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erklärte uns, welche Rechte mensch als Ratsmitglied hat. Diese Rechte machen die Arbeit als KommunalpolitikerIn noch attraktiver. So hat mensch einen Freistellungsanspruch bei seiner Arbeit, einen Fortbildungsanspruch, Anspruch auf Verdienstausfall, Haftungsschutz bei schlechten Entscheidungen, Aufwandsentschädigung bzw. Sitzungsgeld oder einen Kündigungsschutz bezgl. der Mandatstätigkeit. Als Ratsmitglied hat mensch darüber hinaus noch weitere Rechte, die für eine konstruktive Arbeit wichtig sind. Mensch hat ein Teilnahmerecht an Ratssitzungen, Recht auf Informationen, schriftliches sowie mündliches Auskunftsrecht bei der Verwaltung, Antragsrecht, Recht auf Akteneinsicht und Gleichbehandlung im Rahmen der Geschäftsordnung.
Vieles in der Kommunalpolitik werde aber auch ganz gemütlich beim Bier besprochen und so hieß schließlich auch der letzte inhaltliche Tagesordnungspunkt am Samstag: „Lass uns das mal beim Bier besprechen…Die Arbeitsweise vor Ort.“ Gemütlich saßen wir im Stuhlkreis, die einen tranken Bier, die anderen Tee, doch wir alle unterhielten uns über DAS Thema: Kommunalpolitik. Wie bitter ist es, wenn mensch eine Pressemitteillung an die lokale Zeitung schreibt und diese noch mehr Rechtschreibfehler einfließen lässt, weil es so spät war? An einer kleinen Geschichte aus Lehrte demonstrierte uns Christian, dass Koalitionsverträge bei Nichteinhaltung der Verabredungen auch mal aufgelöst werden. Sehr eindrucksvoll und emotional geschah das bei einer Debatte um einen Baumarkt in Lehrte. Rot-grün hatte im Koalitionsvertrag die Ablehnung eines neuen Baumarkts im Koalitionsvertrag stehen. Die SPD hielt sich jedoch nicht an jenen Vertrag und so lösten die GRÜNEN den Vertrag noch bei dem Tagesordnungspunkt in einer Ratssitzung unter Applaus der BürgerInnen auf.
Alles Theoretische im Kopf und total motiviert, selbst Kommunalpolitik zu machen, erzählte uns Maaret Westphely von ihrem Einstieg in die Kommunalpolitik und wie mensch generell Ratsfrau oder Ratsherr wird. An ihrem Beispiel merkten wir, dass KommunalpolitikerInnen nicht immer schon zehn Jahre Parteimitglied sein müssen, um ein Mandat zu tragen, sondern auch nur erst seit einem Jahr oder vielleicht noch kürzerer Zeit dabei sind. Ob mensch Bedenken haben sollte, dass mensch ein Jahr vor der Kommunalwahl plötzlich der Partei beitritt? Keineswegs, denn Maaret selbst kam lange Zeit mal regelmäßig und mal unregelmäßig zu ihrer Stadtteilgruppe und war nicht lange Mitglied, als sie sich zur Kandidatur entschied. Doch einige Voraussetzungen zur Kommunalwahl gibt es doch: Mensch darf mit 16 Jahren schon wählen, muss am Tag der Wahl aber 18 Jahre als sein, um selbst gewählt werden zu können und muss mindestens 3 Monate in dem Wahlkreis, in dem mensch wählen oder gewählt werden möchte, gelebt haben. Der letzte und wichtigste Punkt des gesamten Basisseminars war der Punkt „Welche Ziele kann die GRÜNE JUGEND in der Kommunalpolitik umsetzen?“ Wir starteten dazu mit einer breiten Themensammlung und diskutierten dann über die Umsetzung.
Gesammelt wurde im Bereich Soziales:

  • Förderung von Jugendarbeit -> Jugendzentren ausgestalten und einführen, Freizeitangebote schaffen
  • eine Schule für alle -> IGS weiter fördern
  • geringe Preise in Einrichtungen in öffentlicher Hand durch Sozialtickets für Theater, Schwimmbad, Museen und kulturelle Vielfalt
  • Zuschüsse für Stolpersteine und Denkmäler
  • Ausbau von Kinderbetreuung und Herabsetzung der Elternbeiträge

Energie

  • Energiesparen durch Baustandards, die verpflichtend werden könnten
  • Regionale Energien wie Stadtwerke nutzen
  • Erneuerbare Energien durch Dachflächenvermietung und Geothermie

Verkehr

  • Vorrang für FußgängerInnen und RadfahrerInnen, um Autofahren so unattraktiv wie möglich zu machen
  • Nahverkehrs- und Mobilitätskonzepte wie Elektromobilität durch Ökostrom/ Stadtwerke, Sammeltaxis/Discobusse, Citymauten oder Reaktivierung bestehender Zugstreckennetze
  • Autofreie Gebiete und autofreie Tage jährlich, monatlich, wöchentlich oder kostenlosen ÖPNV

Demokratie

  • Jugendpartizipation durch Jugendparlamente, Jugendräte etc. mit Mitspracherecht in allen Gremien, Stimmen in Gremien, die sie explizit betreffen und Beratung in anderen Ausschüssen
  • Elektrodemokratie zur Schaffung von Transparenz in der Verwaltung, Barrierefreiheit, einfache Sprache, einfache Beschaffung von Ratsvorlagen, damit BürgerInnen sich zum Beispiel den Haushalt ansehen können, ihn erklärt bekommen und sich einmischen können -> somit auch Ressourcen sparen, wenn Ratsunterlagen digital anzusehen sind Beschaffungen der Stadt
  • Regionales, ökologisches, vegetarisches und veganes Essen in der Schulmensa, in der Verwaltung, im Rathaus, städtischen Gebäuden
  • bewusster Konsum auf Veranstaltungen
  • Einführung eines Veggie- Days

Alles in allem hatten wir ein schönes Seminar unter der Leitung von Christian Gailus.
Vielen Dank an Christian, vielen Dank an den Landesvorstand!



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